Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen verzögerter Wiedereinstellung
Orientierungssatz
Schadenersatz eines Forstarbeiters wegen angeblich schuldhafter Nichterfüllung eines tariflichen Wiedereinstellungsanspruches (hier: Manteltarifvertrag für Waldarbeiter der Länder und der Mitglieder der Kommunalen Arbeitgeberverbände Rheinland-Pfalz und Saar vom 26.1.1982 § 62).
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 276, 615 S. 1, § 611 Abs. 1, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 19.03.1986; Aktenzeichen 4 Sa 147/85) |
ArbG Celle (Entscheidung vom 26.09.1985; Aktenzeichen 1 Ca 108/85) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Ersatz seines Verdienstausfalls, der ihm in der Zeit vom 18. bis 28. Februar 1985 entstanden ist.
Der am 9. Dezember 1933 geborene Kläger ist bei dem beklagten Land seit dem 1. März 1970 als Forstwirt (Waldarbeiter) beschäftigt und bezog zuletzt einen Bruttostundenlohn von 12,96 DM bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Waldarbeiter der Länder und der Mitglieder der Kommunalen Arbeitgeberverbände Rheinland-Pfalz und Saar (MTW) vom 26. Januar 1982 Anwendung.
Dessen § 62 lautet wie folgt:
"Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus sonstigen
Gründen
Wird infolge außerordentlicher Witterungseinflüsse
oder anderer nicht vorherzusehender Umstände
die Weiterführung der Arbeiten unmöglich
und werden deshalb die Arbeiten unterbrochen,
gilt das Arbeitsverhältnis ohne besondere Kündigung
mit dem Eintritt der Unterbrechung als
beendet. Sobald die Arbeit wieder aufgenommen
werden kann, ist der Waldarbeiter wieder einzustellen.
Diese Verpflichtung entfällt, wenn der
Waldarbeiter die Arbeit nach Aufforderung nicht
unverzüglich wieder aufnimmt oder wenn während
der Unterbrechung ein Sachverhalt eintritt, der
den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung
(§ 59) berechtigt hätte.
Die bis zur Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses
erworbenen tariflichen Rechte leben nach
der Wiedereinstellung wieder auf; dies gilt
auch für den Urlaubsanspruch."
Ab dem 5. Januar 1985 wurden die Arbeiten des Klägers und der anderen Forstwirte gemäß § 62 Satz 1 MTW unterbrochen, da starker Temperaturabfall und die Schneelage die Weiterführung unmöglich machten. Die Feststellung der witterungsbedingten Unmöglichkeit der Arbeit erfolgte im Einvernehmen mit dem Personalrat. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger überwiegend mit leichten Arbeiten und nur in geringem Umfang mit Ästungsarbeiten betraut worden.
Nach dem Abtauen der Schneedecke stellte das beklagte Land die in der Holzernte einsetzbaren Waldarbeiter trotz niedriger Temperaturen bereits zum 18. Februar 1985 wieder ein. Lediglich hinsichtlich des Klägers und eines weiteren Forstwirts konnte über die Wiederaufnahme der Arbeit ein Einvernehmen mit dem Personalrat nicht hergestellt werden. Das beklagte Land war der Auffassung, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die witterungsbedingt allein mögliche Tätigkeit in der Ästung zu verrichten. Diese Einschätzung beruhte auf dem Ergebnis einer aufgrund wiederkehrender Erkrankungen des Klägers veranlaßten Untersuchung durch die vertrauensärztliche Dienststelle der AOK, nach der Ästungsarbeiten (Überkopfarbeiten) möglichst nicht ganztägig durchgeführt werden sollten. Unstreitig konnten in der Zeit vom 18. Februar bis Ende Februar 1985 von leichten Tätigkeiten Läuterungs- und Kulturarbeiten nicht, sondern lediglich Ästungsarbeiten ausgeführt werden.
Der Kläger, der sich am 18. Februar 1985 zur Arbeitsaufnahme eingefunden und seine Arbeitskraft angeboten hatte, wurde erst zum 1. März 1985 wieder eingestellt, denn ab diesem Zeitpunkt wurden nicht mehr nur Ästungsarbeiten durchgeführt.
Mit der Klage begehrt der Kläger für die Zeit vom 18. bis 28. Februar 1985 für insgesamt neun Arbeitstage Verdienstausfall in Höhe von 933,12 DM brutto abzüglich vom Arbeitsamt geleisteten Arbeitslosengeldes von 355,-- DM. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß das beklagte Land ohne Einschaltung eines Arbeitsmediziners nicht hätte entscheiden können, ob unter den seinerzeitigen Witterungsbedingungen sein Einsatz in Frage gekommen sei oder nicht. Er hat behauptet, die wieder eingestellten Arbeitnehmer seien in der Zeit nach dem 18. Februar 1985 zunächst nur im Zeitlohn beschäftigt worden. Genau jene Arbeiten, die im Zeitlohn vergütet würden, habe er auch zuvor verrichtet.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den
Kläger 933,12 DM brutto abzüglich vom
Arbeitsamt geleisteten Arbeitslosengeldes
in Höhe von 355,-- DM (netto) nebst 4 %
Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Ansicht vertreten, die Vorschrift des § 62 MTW knüpfe an Arbeiten an, deren Ausführung unmöglich werde. Deswegen müßten sowohl bei der "Ausstellung" als auch konsequenterweise bei der Wiedereinstellung je nach Witterungseinflüssen nicht alle Arbeitnehmer betroffen sein. Die Unmöglichkeit der Arbeit könne deshalb nicht einheitlich für alle Waldarbeiter beurteilt werden, sondern dies müsse unter Berücksichtigung der Leistungsmöglichkeiten der betroffenen Arbeitnehmer geprüft werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die vom Kläger eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel mit der Maßgabe weiter, daß er 4 % Zinsen nur noch aus dem sich aus der Klageforderung ergebenden Nettobetrag begehrt. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, denn dem Senat ist mangels eindeutiger Sachverhaltsfeststellungen eine abschließende Entscheidung nicht möglich (§ 565 Abs. 1 ZPO).
I. Entgegen der Ansicht der Revision haben die Vorinstanzen zutreffend angenommen, daß dem Kläger mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 18. Februar bis 28. Februar 1985 kein Anspruch auf Zahlung der Vergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB zusteht.
1. Zur Begründung seines Standpunktes hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Tarifvertragsparteien hätten in § 62 MTW nicht das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aus witterungsbedingten Gründen normiert, sondern die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit einer Wiedereinstellungspflicht. Dies sei erfolgt, um den Arbeitnehmern den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen. Die erneute Eingehung des Arbeitsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift erfolge durch rechtsbegründenden Konsens der Parteien, der im konkreten Fall erst zum 1. März 1985 hergestellt worden sei. Vor diesem Zeitraum hätten Lohnansprüche aus Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB) nicht entstehen können.
2. Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, der Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB setze voraus, daß ein rechtswirksamer Arbeitsvertrag zwischen den Parteien besteht und der Arbeitnehmer dazu bereit und fähig ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen (BAG Urteil vom 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - AP Nr. 35 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 10. Mai 1973 - 5 AZR 493/72 - AP Nr. 27 zu § 615 BGB).
Es hat weiterhin die tarifvertragliche Regelung des § 62 Satz 1 MTW rechtsfehlerfrei dahingehend ausgelegt, das Arbeitsverhältnis der Parteien solle bei witterungsbedingter Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht suspendiert, sondern rechtlich beendet werden.
a) Die Auslegung einer tarifvertraglichen Norm als einer Rechtsnorm unterliegt der selbständigen Beurteilung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG Urteil vom 30. September 1971 - 5 AZR 123/71 - AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung, zu 1 der Gründe). Für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages sind die für Gesetze und nicht für Verträge maßgebenden Auslegungsgrundsätze anzuwenden. Dabei ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 62 Satz 1 MTW und dem Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Regelungen, daß unter den genannten Voraussetzungen eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten soll. Die in § 62 Satz 1 MTW enthaltene Formulierung "... gilt das Arbeitsverhältnis ... als beendet" stellt eine tarifvertragliche Beendigungsfiktion dar. Daß hiermit nicht eine Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten, sondern eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist, ergibt sich auch aus § 62 Satz 2 MTW, in dem festgelegt wird, unter welchen Voraussetzungen der Waldarbeiter wieder einzustellen ist. Schließlich trägt § 62 MTW die Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus sonstigen Gründen" und ist unter Abschnitt VIII des Tarifvertrages aufgeführt, der die "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" betrifft. Dem klaren Wortlaut entspricht auch der mit dieser Bestimmung von den Tarifvertragsparteien verfolgte Normzweck, den Arbeitgeber von den witterungsbedingten Vergütungsrisiken zu entlasten und den Arbeitnehmern den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen. Dieser Normzweck schlägt sich auch in der Wintergeldregelung in § 48 Abs. 1 MTW nieder. Wäre das Arbeitsverhältnis während der witterungsbedingten Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nur suspendiert und nicht rechtlich beendet, stünde der Arbeitnehmer der Arbeitsvermittlung nicht als Arbeitsloser im Rahmen der §§ 101, 103 AFG zur Verfügung und hätte aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (vgl. Weber/Paul, AFG, § 101 Anm. 2; Lewerenz/Woltereck/Wehleit, AR-Blattei, Saison- und Kampagnearbeit, I Übersicht, unter B I 2).
c) Gegen die Rechtswirksamkeit der in § 62 Satz 1 MTW enthaltenen Beendigungsfiktion, die ihrerseits an den Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses und damit an eine auflösende Bedingung anknüpft, bestehen keine durchgreifenden Bedenken (BAG Urteil vom 9. Februar 1984 - 2 AZR 402/83 - AP Nr. 7 zu § 620 BGB Bedingung, zu B I 1 b, aa der Gründe; Urteil vom 20. Dezember 1984 - 2 AZR 3/84 - AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, zu B I 3 b der Gründe, jeweils m.w.N.). Dabei bedarf es keiner grundsätzlichen Entscheidung, inwieweit tarifliche Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Befristung oder Bedingung einer richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen (vgl. hierzu das zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Januar 1987 - 2 AZR 109/86 - unter B II 3 der Gründe m.w.N.). Diese Klärung ist im vorliegenden Fall entbehrlich, weil die in § 62 Satz 1 MTW enthaltene Beendigungsregelung den Grundsätzen entspricht, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit befristeter bzw. bedingter Arbeitsverhältnisse in Saison- und Kampagnebetrieben aufgestellt worden sind (vgl. zuletzt das Urteil vom 29. Januar 1987, aaO, unter B II 2 der Gründe). Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits im Beschluß vom 12. Oktober 1960 (- GS 1/59 - BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ausgeführt, die Befristung von Arbeitsverträgen bei Saisonarbeitnehmern sei ein typisches Beispiel für zulässige Befristungen (vgl. auch KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 620 BGB Rz 182 sowie Lewerenz/Woltereck/Wehleit, AR-Blattei, Saison- und Kampagnearbeit, I Übersicht, zu B I 1).
Für Arbeitsverhältnisse, die in ihrem Fortbestand von einer auflösenden Bedingung abhängig sind, gelten die Grundsätze zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge entsprechend (vgl. BAG Urteil vom 20. Dezember 1984 - 2 AZR 3/84 - AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, unter B I 4 der Gründe). Danach ist im Grundsatz auch die Vereinbarung bedingter Arbeitsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit und gemäß § 620 BGB zulässig. Ein schutzwertes Interesse für eine solche Vertragsgestaltung entfällt nur dann, wenn die Bedingung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Sie ist unzulässig, wenn sie als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit objektiv funktionswidrig verwendet wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses vereitelt wird und dafür kein sachlicher Grund vorliegt. Auflösend bedingte Verträge müssen also ihre sachliche Rechtfertigung so in sich tragen, daß sie die Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen (vgl. zur Befristung: Entscheidung des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 - GS 1/59 - BAGE 10, 65, 70 ff. = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C der Gründe; Senatsurteile vom 3. Dezember 1982 - 7 AZR 622/80 - BAGE 41, 110, 113 ff. = AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 2 der Gründe, vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 1 der Gründe und vom 22. März 1985 - 7 AZR 487/84 - AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe).
Die Zulässigkeit befristeter bzw. bedingter Arbeitsverhältnisse in Saison- oder Kampagnebetrieben, zu denen wegen der Vegetations- und Witterungsabhängigkeit auch die Forstwirtschaft zählt, wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960, aaO; BAG Urteil vom 29. Januar 1987 - 2 AZR 109/86 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 620 BGB Rz 181 f.). Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat im Urteil vom 20. Oktober 1967 (- 3 AZR 467/66 - AP Nr. 30 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 4 der Gründe) eine vergleichbare auflösende Bedingung - dort die fast inhaltsgleiche Regelung des § 12.21 des Manteltarifvertrags für die staatlichen Forstbetriebe in Bayern i.d.F. vom 15. Oktober 1964 betreffend - mit den von der Rechtsprechung zur Befristungskontrolle entwickelten Grundsätzen als vereinbar angesehen.
Im Streitfall ist der sachliche Grund für die an eine auflösende Bedingung geknüpfte Fiktionsregelung des § 62 Satz 1 MTW in den besonderen Verhältnissen der Forstwirtschaft zu sehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die auf witterungsbedingten oder vergleichbaren Gründen beruhende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung in der Forstwirtschaft einen dringenden betrieblichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellt und den Tarifvertragsparteien durch § 622 Abs. 3 BGB die rechtliche Möglichkeit eingeräumt wird, die gesetzliche Mindestkündigungsfrist auf wenige Tage oder praktisch auf null zu reduzieren (vgl. BAG Urteil vom 6. Juli 1961 - 2 AZR 279/60 - AP Nr. 1 zu § 143 d AVAVG; vom 2. August 1978 - 4 AZR 46/77 - AP Nr. 1 zu § 55 MTL II; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 622 BGB Rz 120 f., m.w.N.). Unter Berücksichtigung des in § 62 Satz 2 MTW sowie in § 45 Abs. 12 MTW gewährten Wiedereinstellungsanspruchs des betroffenen Arbeitnehmers wird durch § 62 Satz 1 MTW letztlich auch nicht auf Dauer, sondern nur auf Zeit in den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingegriffen. Zudem gewährt § 48 Abs. 1 MTW einen (zumindest teilweisen) finanziellen Ausgleich des durch den Bezug von Arbeitslosengeld eintretenden Einkommensverlustes.
d) Bestehen somit gegen die Rechtswirksamkeit der in § 62 Satz 1 MTW enthaltenen Beendigungsregelung keine durchgreifenden Bedenken, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien witterungsbedingt gemäß § 62 Satz 1 MTW ohne Kündigung am 5. Januar 1985 geendet hat.
Vor dem 1. März 1985 wurde zwischen den Parteien auch nicht wieder ein neues Arbeitsverhältnis begründet.
Die tarifvertragliche Regelung des § 62 Satz 2 MTW sieht nicht das automatische Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses vor, sobald die Arbeit aus witterungsbedingten Gründen wieder aufgenommen werden kann, sondern begründet eine Wiedereinstellungspflicht für den Arbeitgeber, von der dieser nur unter den in Satz 3 genannten Gründen entbunden ist. Schon aus dem Wortlaut dieser Tarifnorm folgt, daß ein Einstellungsakt erforderlich ist, d.h. die Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 4 MTW durch Abschluß eines schriftlichen Arbeitsvertrages und tatsächlicher Arbeitsaufnahme zu erfolgen hat. Die Verweisung in § 2 Abs. 4 Satz 2 MTW auf die Regelung in § 45 Abs. 12 MTW macht dies deutlich, da in der zuletzt genannten Tarifvorschrift ausdrücklich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Wiedereinstellungspflicht i.S. des § 62 MTW Bezug genommen wird.
Vor dem 1. März 1985 kam es zwischen den Parteien aber nicht zum Abschluß eines schriftlichen Arbeitsvertrages und der Wiederaufnahme der Arbeit, so daß es an der Grundvoraussetzung (= Bestand eines Arbeitsverhältnisses) für die Zuerkennung eines Zahlungsanspruches nach § 615 Satz 1 BGB fehlt.
II. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz seines Verdienstausfalls kann daher, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nur unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen schuldhafter Nichterfüllung eines tariflichen Wiedereinstellungsanspruches begründet sein. Der Senat kann aber noch nicht abschließend entscheiden, ob das beklagte Land schuldhaft gegen seine tarifvertragliche Wiedereinstellungspflicht (§ 62 Satz 2 MTW) verstoßen hat, indem es sich weigerte, den Kläger am 18. Februar 1985 wieder einzustellen. Ob das beklagte Land wegen der eingetretenen Unmöglichkeit einer späteren Arbeitsleistung nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, dem Kläger die entgangene Vergütung zu bezahlen, kann erst entschieden werden, wenn die hierzu erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen sind.
1. Das Landesarbeitsgericht hat einen solchen Anspruch verneint und dazu ausgeführt, die Witterungsverhältnisse hätten es noch nicht erlaubt, den Kläger in dem streitigen Zeitraum für die von ihm geschuldeten Arbeiten wieder einzustellen. Denn das beklagte Land hätte den Kläger wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung mit Überkopfarbeiten nicht ständig beschäftigen dürfen, weil der Kläger aufgrund vertrauensärztlicher Feststellungen nur noch leichte Arbeiten verrichten dürfe. Zumindest habe das beklagte Land aber nicht schuldhaft gehandelt, wenn es mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Klägers und seine dadurch bedingten eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten ihn am 18. Februar 1985 noch nicht wieder eingestellt habe.
2. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe mit den seit dem 18. Februar 1985 witterungsbedingt allein möglichen Ästungsarbeiten nicht betraut werden können, fehlt es an ausreichenden Tatsachenfeststellungen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, was unter dem Begriff der "Ästungsarbeiten" in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen ist. Das Landesarbeitsgericht scheint der Ansicht zu sein, daß Ästungsarbeiten stets Überkopfarbeiten sind und der Kläger daher nicht dazu in der Lage gewesen ist, in der fraglichen Zeit seine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Gleichsetzung von Ästungsarbeiten mit sogenannten "Überkopfarbeiten" entspricht nicht den tatsächlichen Beschäftigungsbedingungen in der Forstwirtschaft. Abgesehen davon, daß Ästungsarbeiten mit verschiedenen Werkzeugen (z.B. Motorsäge, Axt, Baumschere, Stangen-Schneidgeräte) ausgeführt werden können und hiermit unterschiedliche körperliche Belastungen verbunden sind, ist darauf hinzuweisen, daß nach § 4 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift Forsten i.d.F. vom 3. Juli 1984 "beim Entasten mit Motorsägen die Maschine möglichst abzustützen ist". Angesichts dieser Regelung ist es zumindest zweifelhaft, ob es aus unfallversicherungsrechtlichen Gründen zulässig ist, Ästungsarbeiten mit der Motorsäge in der Weise auszuführen, daß die Säge über der Kopfhöhe des Sägeführers eingesetzt wird. Das Landesarbeitsgericht wird daher insbesondere aufzuklären haben, in welcher Art und Weise und mit welchen Werkzeugen in dem betreffenden Zeitraum (18. bis 28. Februar 1985) Ästungsarbeiten durchgeführt worden sind und ob der Kläger diese Arbeiten trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätte erbringen können.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Kleeschulte Metzinger
Fundstellen
RzK, I 9g Nr 10 (ST1) |
ZTR 1988, 101-102 (ST1) |