Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehaltsstufenfindung nach Änderung des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel NW: Einstufung in Berufsjahre
Leitsatz (redaktionell)
Von der in § 3 Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 1991 eingeführten Anrechnung von 2 Ausbildungsjahren als Berufsjahre bei Angestellten, die eine dreijährige Ausbildung mit Abschlußprüfung nach dem staatlich anerkannten Berufsbild "Einzelhandelskaufmann/-kauffrau" oder "Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel" nachweisen, werden nur die Angestellten erfaßt, die nach dem 31. März 1991 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden.
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Eine tarifliche Stichtagsregelung über die Anordnung von Beschäftigungsjahren als Berufsjahre bei Gehaltsstufen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden."
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 22.04.1993; Aktenzeichen 16 Sa 1832/92) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 24.09.1992; Aktenzeichen 4 Ca 797/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gehaltsstufe (das Berufsjahr), die (das) für die Höhe der Vergütung des Klägers maßgeblich ist.
Der am 13. Mai 1968 geborene Kläger wurde in dem W Warenhaus der Beklagten vom 1. September 1987 bis Juni 1990 zum Kaufmann im Einzelhandel ausgebildet. Im Anschluß daran wurde der Kläger mit Anstellungsvertrag vom 2. Juni 1990 als Verkäufer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, die im übrigen für allgemeinverbindlich erklärt sind, Anwendung. Anzuwenden sind insbesondere die Gehaltstarifverträge für alle kaufmännischen und technischen Angestellten im örtlichen und beruflichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung. Das Gehalt des Klägers richtete sich zunächst nach dem seinerzeit gültigen Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 1989 (i. f.: GTV 1989). Der Kläger wurde entsprechend diesem Tarifvertrag in die Gehaltsgruppe I Staffel B Stufe 2 (= 2. Berufsjahr) eingruppiert.
Am 21. Juni 1991 einigten sich die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels NW auf einen neuen, ab dem 1. April 1991 gültigen Gehaltstarifvertrag (i. f.: GTV 1991). Die schriftliche "Tarifvereinbarung", die von den Verhandlungsführern der Tarifvertragsparteien mit vollem Namenszug unterzeichnet wurde, sah u. a. vor, daß die zweijährig Ausgelernten in das zweite Berufsjahr und die dreijährig Ausgelernten in das dritte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I Staffel B eingruppiert werden. In einem Klammerzusatz ist festgehalten: "Gilt für ab 1.4.91 Ausgelernte".
Entsprechend einer langjährigen Übung der Tarifvertragsparteien wurde der Text für die Langfassung des Tarifvertrages von den Arbeitgeberverbänden redaktionell bearbeitet und nach dem 3. Juli 1991 an die Verhandlungsführer der tarifvertragsschließenden Parteien zur Unterschrift versandt. Dieser Text ist aufgrund der Erklärung vom 18. September 1991 (Bundesanzeiger Nr. 201 S. 7271 vom 26. Oktober 1991) seit dem 1. April 1991 allgemeinverbindlich.
Dieser ab dem 1. April 1991 gültige Gehaltstarifvertrag sieht für Angestellte mit einer dreijährigen kaufmännischen Ausbildung vor, daß das erste und zweite Berufsjahr der Staffel B als zurückgelegt gelten, sofern sie nach dem 31. März 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Die Staffeln der Gehaltsgruppe I enthalten die Höhe des für die verschiedenen Berufsjahre zu zahlenden Gehalts. Die Staffel A bezieht sich auf Angestellte, die vor dem 1. April 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert wurden. Die Staffel B betrifft Angestellte, die nach dem 31. März 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert "wurden/werden".
Der Kläger erhielt ab April 1991 das Gehalt der Gehaltsgruppe I Staffel B zweites Berufsjahr i. H. von 1.900,00 DM brutto und ab Juni 1991 das für das dritte Berufsjahr maßgebliche Gehalt von 2.000,00 DM brutto. Mit Schreiben vom 30. Oktober 1991 machte er gegenüber der Beklagten die Differenz zur Gehaltsgruppe I Staffel B drittes bzw. viertes Berufsjahr i. H. von 100,00 DM brutto bzw. 125,00 DM brutto monatlich für die Monate April 1991 bis Oktober 1991 erfolglos geltend. Mit seiner am 14. April 1992 erhobenen Klage, in die er zusätzlich die Differenz für die Monate November 1991 bis März 1992 einbezogen hat, verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach dem seit dem 1. April 1991 gültigen GTV 1991 Gehalt für das dritte bzw. vierte Berufsjahr zu, da er nicht vor dem 31. März 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
1.450,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich
ergebenden Nettobetrag seit dem 14. April 1992 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, an der Berechnung der Berufsjahre habe sich durch den GTV 1991 nichts geändert. Der Kläger sei im Juni 1990 nach dem GTV 1989 zutreffend eingruppiert worden. Dem GTV 1991 sei lediglich die jeweils korrigierte Gehaltstabelle zu entnehmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe I Staffel B für das dritte bzw. vierte Berufsjahr nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 1991 gültig ab 1. April 1991 (i. f.: GTV 1991).
1. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Verbandszugehörigkeit der Parteien der GTV 1991 mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Im übrigen ist er für allgemeinverbindlich erklärt.
Für die Eingruppierung des Klägers sind demnach folgende tarifliche Bestimmungen heranzuziehen:
§ 2
Gehaltsregelung
(1) Die Angestellten sind nach der von ihnen
tatsächlich verrichteten Tätigkeit in einer
der nachstehenden Beschäftigungsgruppen
einzugliedern. Die unter den Gehaltsgruppen
aufgeführten Beispiele gelten als Richtbei-
spiele.
(2) Die Gehaltsgruppen I - IV der Beschäfti-
gungsgruppen B des § 3 umfassen die kauf-
männischen Tätigkeiten, für die in der
Regel eine abgeschlossene kaufmännische Be-
rufsausbildung (zwei- bzw. dreijährige Aus-
bildungszeit mit Abschlußprüfung) erforder-
lich ist.
(3) Der abgeschlossenen kaufmännischen Berufs-
ausbildung (zweijährige Ausbildungszeit mit
Abschlußprüfung "Verkäuferin") werden
gleichgesetzt:
a) eine abgeschlossene zweijährige Ausbildung als
Büro- oder Gewerbegehilfin mit einem weiteren
Jahr kaufmännischer Tätigkeit;
b) eine kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend
im Verkauf von drei Jahren, im übrigen von
vier Jahren;
c) eine andersartige abgeschlossene dreijährige
Berufsausbildung.
Ist eine Gleichsetzung erfolgt, so werden die in
diesem Beruf zurückgelegten Berufs- bzw. Tätig-
keitsjahre angerechnet, wenn die Beschäftigung
entsprechend dem erlernten Beruf erfolgt.
...
§ 3
Beschäftigungsgruppen
A. Angestellte o h n e abgeschlossene kauf-
männische Ausbildung
...
B. Angestellte m i t abgeschlossener kaufmän-
nischer Ausbildung
(1) Angestellte, die eine zweijährige Ausbil-
dung mit Abschlußprüfung nach dem staatlich
anerkannten Berufsbild "Verkäufer/-
Verkäuferin" nachweisen, erhalten, sofern
sie nach dem 31.3.1988 erstmalig in die Ge-
haltsgruppe I eingruppiert werden, das Ent-
gelt des 2. Berufsjahres der Gehaltsgrup-
pe I, Staffel B.
(2) Bei Angestellten, die eine dreijährige Aus-
bildung mit Abschlußprüfung nach dem staat-
lich anerkannten Berufsbild "Einzelhandels-
kaufmann/-kauffrau" oder "Kaufmann/Kauffrau
im Einzelhandel" nachweisen, gelten, sofern
sie nach dem 31.3.1988 erstmalig in die Ge-
haltsgruppe I eingruppiert werden, das 1.
und 2. Berufsjahr der Staffel B als zurück-
gelegt. Sie erhalten nach der Abschlußprü-
fung das Entgelt des 3. Berufsjahres der
Gehaltsgruppe I, Staffel B. Diese Vor-
schrift gilt entsprechend für Angestellte,
die eine dreijährige Ausbildung nach einem
anderen kaufmännischen Berufsbild aus dem
Bereich Einzelhandel nachweisen.
(3) Einstufungen, die nach Tarifverträgen vor-
genommen wurden, welche vor dem 1.4.1988
gültig waren, bleiben unberührt.
(4) Soweit nach Abschluß der Ausbildung über-
wiegend und auf Dauer Tätigkeiten der Ge-
haltsgruppe II tatsächlich wahrgenommen
werden, erfolgt die Eingruppierung in die
Gehaltsgruppe II.
Gehaltsgruppe I
Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätig-
keit
Beispiele:
Verkäuferin
Kassiererin mit einfacher Tätigkeit
Stenotypistin für einfache Tätigkeit
Telefonistin
Schauwerbegestalterin
Angestellte mit einfachen Büroarbeiten in allgem.
Buchhaltung, Einkauf, Kalkulation, Kreditbüro,
Lohnbuchhaltung, Rechnungsprüfung, Registratur,
Statistik usw.
Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätig-
keit in Warenannahme, Lager und Versand
Angestellte in Werbeabteilungen (Gebrauchswerber)
Kontrolleure an Packtischen bzw. Warenausgaben.
Staffel A Staffel B
Angestellte, die Angestellte, die
vor dem nach dem
1.4.1988 31.3.1988
erstmals in die erstmals in die
Gehaltsgruppe I Gehaltsgruppe I
eingruppiert eingruppiert
wurden: wurden/werden:
1. Berufs- DM 1.800,00 DM 1.850,00
jahr
2. Berufs- DM 1.850,00 DM 1.900,00
jahr
3. Berufs- DM 1.900,00 DM 2.000,00
jahr
4. Berufs- DM 2.000,00 DM 2.125,00
jahr
5. Berufs- DM 2.125,00 DM 2.385,00
jahr
6. Berufs- DM 2.385,00
jahr
ab dem ab dem
7. Berufs- DM 2.640,00*) 6. Berufsjahr
jahr DM 2.640,00*)
*) ab 1.1.1992: DM 2.660,00
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Auslegung des § 3 B Abs. 2 Satz 2 GTV 1991 ergebe, daß diese Anrechnungsvorschrift für den Kläger zum Tragen komme. Der in der "Tarifvereinbarung" vom 21. Juni 1991 niedergelegte abweichende Wille der Tarifvertragsparteien sei im Tarifvertrag nicht zum Ausdruck gekommen. Der Wortlaut des § 3 B Abs. 2 Satz 1 und 2 GTV 1991 spreche für die Anrechnung von zwei Berufsjahren im Falle des Klägers. Der Kläger sei nach dem Stichtag "31.3.1988" erstmalig in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden. Aus § 3 B Abs. 3 in Verb. mit der "Definition" der Staffel B der Gehaltsgruppe I GTV 1991 ergebe sich, daß die tariflichen Regeln für alle diejenigen Angestellten anwendbar hätten sein sollen, die nach dem 31. März 1988 erstmals eingruppiert worden seien. Das Ergebnis der am Wortlaut und aufgrund des tariflichen Gesamtzusammenhangs vorgenommenen Auslegung entspreche allerdings nicht dem Verhandlungsergebnis vom 21. Juni 1991. Das sich aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebende Auslegungsergebnis sei eindeutig. Es lasse keinen Raum für die Berücksichtigung eines abweichenden Willens der Tarifvertragsparteien wie er in der Vereinbarung vom 21. Juni 1991 zum Ausdruck komme. Damit gälten auch für den Kläger das erste und zweite Berufsjahr als zurückgelegt. Dies führe dazu, daß zu den zwei tatsächlich zurückgelegten Berufsjahren zwei weitere hinzuzurechnen seien, so daß sich der Kläger im dritten bzw. vierten Berufsjahr für den in Frage stehenden Zeitraum befunden habe.
3. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Für die Anrechnung von zwei Berufsjahren gilt, daß der Angestellte erstmalig eingruppiert wird, also nicht bereits eingruppiert worden ist. Das folgt aus Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte des GTV 1991. Das führt dazu, daß der Kläger sich nicht ab 1. April 1991, also in dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GTV 1991 im dritten Berufsjahr und ab Juni 1991 im vierten Berufsjahr befand. Er hat damit keinen Anspruch auf die geltend gemachten Gehaltsdifferenzen.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 23. September 1992 - 4 AZR 66/92 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2 a der Gründe, m.w.N.; vgl. auch die zusammenfassende Darstellung von Schaub, Auslegung und Regelungsmacht von Tarifverträgen, NZA 1994, 597 ff.).
b) Aus dem Wortlaut des § 3 B Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GTV 1991 ergibt sich keine zweifelsfreie Auslegung, auf die allein zur Entscheidung des vorliegenden Falles zurückgegriffen werden könnte.
Die Anrechnung von zwei Berufsjahren erfolgt, "sofern" die Angestellten "nach dem 31. März 1988 erstmalig in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden". Dieser Wortlaut läßt den Schluß zu, daß die Vorschrift nur für solche Angestellte gilt, die nach dem 31. März 1988 erstmalig überhaupt in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Die Revision ist dementsprechend der Auffassung, der Kläger erfülle diese Voraussetzung nicht, weil er bereits im Jahre 1990 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden sei. Diese Auslegung ist möglich. Der Wortlaut der Bestimmung kann dahin verstanden werden, daß sie sich nur auf solche Angestellte bezieht, die noch nicht eingruppiert worden sind, sondern erst eingruppiert werden. Das Wort "erstmalig" bedeutet "zum ersten Mal stattfindend" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1986, S. 435). Damit ist auf die erste Eingruppierung nach der abgeschlossenen Ausbildung abgestellt. Die verwendete Präsensform "eingruppiert werden" steht dafür, daß die Anrechnungsvorschrift nur dann zum Tragen kommt, wenn die erste Eingruppierung noch nicht erfolgt ist, sondern erst noch in der Zukunft durchgeführt werden wird. Bei dieser Wertung des Wortlauts wird aber nicht gesehen, daß er auch eine erstmalige Eingruppierung nach dem 31. März 1988 abdeckt, mit anderen Worten, der Kläger, der im Juni 1990 erstmals eingruppiert worden ist, deshalb unter die Regelung fallen kann, weil seine Eingruppierung nach dem 31. März 1988 erfolgte. Bezieht man also die Eingruppierung auf den Zeitraum nach dem Stichtag, so ist auch die Auslegung möglich, daß eine erstmalige Eingruppierung nach dem Stichtag ausreicht. Der bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des GTV 1991 - 1. April 1991 - weit zurückliegende Stichtag 31. März 1988 läßt sonach auch die Deutung zu, daß diejenigen, die nach dem 31. März 1988 in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden sind, gleichermaßen an der Anrechnungsregelung teilhaben sollten. Für sich gesehen kann der Schluß naheliegen, daß die Wohltat der Anrechnung zweier Ausbildungsjahre für die maßgebliche Gehaltsstufe auch denjenigen zugute kommen sollte, die nach dem 31. März 1988 ihre Ausbildung abgeschlossen haben und deshalb bereits eingruppiert worden sind, und nicht nur für die Angestellten vorgesehen ist, die erst nach dem 1. April 1991 oder gar erst nach dem 21. Juni 1991, dem Zeitpunkt des Abschlusses des GTV 1991, eingruppiert werden, weil sie nach der Ausbildung in ein Angestelltenverhältnis getreten sind oder, aus welchen Gründen auch immer, bislang nicht eingruppiert worden waren.
Die Zuordnung der "Staffel B" der Gehaltsgruppe I des § 3 B GTV 1991 - "Angestellte, die nach dem 31. März 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert wurden/werden" - führt gleichermaßen nicht zur Klarheit, wie diejenigen Angestellten, die wie der Kläger erstmals nach dem 31. März 1988 eingruppiert wurden, hinsichtlich der Anrechnung von zwei Ausbildungsjahren als Berufsjahre zu behandeln sind. Denn diese Zuordnung, vom Landesarbeitsgericht als "Definition" bezeichnet, bezieht sowohl die Angestellten ein, die bereits eingruppiert wurden, als auch diejenigen, die in Zukunft noch eingruppiert werden.
Das könnte zwar dafür stehen, daß auch bei § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991 eine zurückliegende Eingruppierung ausreicht. Zwingend ist dies entgegen dem Landesarbeitsgericht jedoch nicht. Dies deswegen nicht, weil der Tag des Abschlusses des GTV 1991 - 21. Juni 1991 - und der Zeitpunkt seines Inkrafttretens - 1. April 1991 - zu berücksichtigen sind. Von daher kann § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991 in der Tat dahin verstanden werden, daß lediglich zukünftige Eingruppierungen ab dem 21. Juni 1991 oder ab dem 1. April 1991 von § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991 erfaßt werden sollen.
Wenngleich der Wortlaut des § 3 B GTV 1991 zu keiner zweifelsfreien Auslegung führt, spricht er im Lichte der Zeitpunkte des Abschlusses und des Inkrafttretens eher dafür, daß die Anrechnung der Ausbildungsjahre als Berufsjahre erst für solche Angestellte gilt, die nach Abschluß ihrer Ausbildung nach dem 1. April 1991 "erstmalig in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden".
c) Der Gesamtzusammenhang des GTV 1991 spricht eher dafür, daß die Anrechnung von zwei Ausbildungsjahren als Berufsjahre nur denjenigen zugute kommen soll, die nach dem 1. April 1991 erstmals eingruppiert werden. Das folgt aus der Zuordnung der Gehaltsstaffel. Hier wird zwischen erfolgter Eingruppierung und künftiger Eingruppierung unterschieden, was den Schluß zuläßt, daß § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991 nur für künftige Eingruppierungen gelten soll. § 3 B Abs. 3 GTV 1991 steht nicht entgegen. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991.
d) Die Entstehungsgeschichte des GTV 1991 führt zu dem Ergebnis, daß § 3 B Abs. 1 und Abs. 2 GTV 1991 tatsächlich nur für solche Angestellte gelten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des GTV 1991 nach Abschluß ihrer Ausbildung noch nicht eingruppiert worden waren, sondern deren Eingruppierung noch bevorstand.
Der bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des GTV 1991 in § 3 B Abs. 2 Satz 1 GTV 1991 enthaltene frühe Stichtag 31. März 1988 erklärt sich, wie die Revision zutreffend ausführt, daraus, daß mit dem GTV 1988 vom 16. Mai 1988, der ab 1. April 1988 in Kraft trat, erstmals die "Staffel A" und die "Staffel B" in den GTV eingeführt wurden.
§ 3 B Abs. 2 Unterabs. 1 GTV 1988 lautete:
(2) Bei Angestellten, die eine dreijährige Aus-
bildung mit Abschlußprüfung nach dem staat-
lich anerkannten Berufsbild "Einzelhandels-
kaufmann/-kauffrau" oder "Kaufmann/Kauffrau
im Einzelhandel" nachweisen, gilt, sofern
sie nach dem 31.3.1988 erstmalig in die Ge-
haltsgruppe I eingruppiert werden, das
1. Berufsjahr der Staffel B als zurückge-
legt. Sie erhalten nach der Abschlußprüfung
das Entgelt des 2. Berufsjahres der Ge-
haltsgruppe I, Staffel B.
§ 3 B Abs. 3 GTV 1988 lautete:
(3) Einstufungen, die nach Tarifverträgen vor-
genommen wurden, welche vor dem 1.4.1988
gültig waren, bleiben unberührt.
Bei "Gehaltsgruppe I" heißt es:
für Angestellte, die für Angestellte, die
vor dem 1.4.1988 nach dem 31.3.1988
erstmals eingruppiert erstmals eingrup-
wurden piert werden
(Staffel A) (Staffel B)
1. Berufs- DM 1.546,- DM 1.500,-
jahr
2. Berufs- DM 1.550,- DM 1.640,-
jahr
3. Berufs- DM 1.640,- DM 1.640,-
jahr
4. Berufs- DM 1.640,- DM 1.765,-
jahr
5. Berufs- DM 1.765,- DM 2.080,-
jahr
6. Berufs- DM 2.080,- DM 2.295,-
jahr
7. Berufs- DM 2.295,-
jahr
Aus dieser Regelung wird deutlich, daß in den Genuß der so formulierten Anrechnungsklausel nur diejenigen Angestellten kommen sollten, die mit dem Inkrafttreten des GTV 1988 am 1. April 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Der Hintergrund für diese Regelung ist folgender: Die Staffeln sind Ergebnis einer Strukturverbesserung im GTV 1988. Es ging um die Verkürzung des Zeitraums, in dem Ausgelernte das Endgehalt erreichen. Der bisherigen Gehaltsstaffel von sieben Stufen (= Erreichen des Endgehalts mit dem 7. Berufsjahr) wurde eine weitere Gehaltsstaffel - Staffel B - mit sechs Stufen (= Erreichen des Endgehaltes mit dem 6. Berufsjahr) angefügt. Wäre lediglich in der vorhandenen Staffel eine Stufe gestrichen worden, so wären die finanziellen Auswirkungen erheblich gewesen. Deswegen hat man ersichtlich den Stichtag 31. März 1988 eingeführt: Diejenigen, die vor dem 1. April 1988 erstmals eingruppiert worden waren, verbleiben in der alten Staffel. Diejenigen, die nach dem 31. März 1988 erstmals eingruppiert werden, beziehen Gehalt nach der neu eingeführten Staffel B. Dieselbe Regelung enthält der GTV 1989. Der Stichtag 31. März 1988 wurde beibehalten. Eine Änderung mochte nicht als erforderlich erscheinen. Diejenigen, die nach dem 31. März 1988 nach Abschluß ihrer Ausbildung ins Angestelltenverhältnis übernommen wurden, waren in aller Regel bereits "erstmalig" in die Gehaltsgruppe I eingruppiert. Das weiter verwendete Präsens bezieht sich auf die noch ausstehenden Eingruppierungen. Die eingeführten Staffeln A und B hatten also zur Folge, daß diejenigen Mitarbeiter, die vor dem 1. April 1988 ihre Ausbildung abgeschlossen hatten und erstmalig in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden waren, die Staffel A durchlaufen müssen, mithin erst ab dem 7. Berufsjahr die Endstufe erreichen, während die Angestellten, die nach dem 31. März 1988 in die Gehaltsstufe I eingruppiert worden sind, die Staffel B durchlaufen und die Endstufe ein Jahr früher, nämlich mit dem 6. Berufsjahr erreichen.
Der GTV 1991 sieht in § 3 B Abs. 2 nunmehr die Anrechnung von zwei fiktiven Berufsjahren vor, wie es bereits im GTV 1985 der Fall war (vgl. insoweit Urteil des Senats vom 1. Juni 1988 - 4 AZR 13/88 -, n.v.). Damit wurde lediglich ein weiterer Schritt zur Verkürzung des Staffeldurchlaufs gemacht: der dreijährig Ausgelernte erhält bereits Gehalt nach der dritten Stufe (= 3. Berufsjahr der Gehaltsgruppe I Staffel B). Wenn insofern Voraussetzung ist, daß die Angestellten nach dem 31. März 1988 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden, so wird im Lichte der geschilderten Entwicklung deutlich, daß nur Angestellte in den Genuß dieser Regelung kommen, die mit und nach Inkrafttreten des GTV 1991 erst eingruppiert werden, nicht aber diejenigen, die bereits eingruppiert worden sind; für sie gilt die bisherige Eingruppierung und Einstufung in Berufsjahre weiter; lediglich die jeweiligen Gehaltsbeträge sind angehoben worden. Der schon erwähnte § 3 B Abs. 3 GTV 1991 steht dem nicht entgegen. Dieser Absatz steht im Zusammenhang mit § 3 B Abs. 3 GTV 1988, 1989 und 1991. Diese Bestimmung war in dem früheren GTV nicht enthalten (vgl. § 3 B GTV 1985, nach dessen Abs. 2 Satz 4 "Einstufungen, die nach Tarifverträgen vorgenommen wurden, welche vor dem 1. April 1979 gültig waren," unberührt bleiben). Bezogen auf den GTV 1988 enthält § 3 B Abs. 3 GTV 1991 lediglich die Klarstellung, daß die Angestellten, die bereits vor dem 1. April 1988 eingruppiert worden waren, das Gehalt nach der Staffel A erhalten und damit erst mit dem 7. Berufsjahr die Endstufe erreichen. In den auf den GTV 1988 folgenden GTV ist diese Klarstellung beibehalten worden.
Die Revision weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Entscheidung des Senats vom 30. Januar 1985 (- 4 AZR 117/83 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel) hin. Dort ist zu der mit § 3 B Abs. 3 GTV 1988, 1989, 1991 vergleichbaren Vorschrift des § 4 B Abs. 2 Satz 4 GTV 1980 mit dem Wortlaut: "Nach vorhergehenden Gehaltstarifverträgen vorgenommene anderweitige Einstufungen bleiben unberührt" ausgeführt, die Tarifvertragsparteien könnten damit zum Ausdruck gebracht haben, es habe bei den von der Änderung des GTV 1980 wegen des frühen Zeitpunktes ihrer Prüfung nicht erfaßten Arbeitnehmern bei deren Einstufung nach älteren Tarifverträgen verbleiben sollen. Der Senat hat diese Frage damals offen lassen können. Wegen der 1988 eingeführten Staffel A und Staffel B spricht aber alles dafür, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, daß es bei einer einmal erfolgten Eingruppierung verbleibt, auch wenn die Anrechnungsvorschriften später geändert werden. Sie sollen eben nur den noch nicht Eingruppierten zugute kommen. Damit erledigt sich auch der Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf das sog. Ablösungsprinzip. Nach dem Ablösungsprinzip (lex posterior derogat legi priori) ersetzt grundsätzlich ein einen bestimmten Komplex wie die Vergütung insgesamt neu regelnder Tarifvertrag seinen Vorgänger voll, so daß eine rechtlich mögliche Abweichung von diesem bedeutsamen Rechtsgrundsatz im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit besonderer Bestimmtheit und Deutlichkeit bedarf (Urteil des Senats vom 30. Januar 1985, AP, aaO; vgl. auch Decruppe/Bell/Oetter/Rzaza, Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen, 1992, GTV § 3 B, S. 257 Rz 5 a). Die Gehaltstarifverträge haben sich zwar abgelöst. Die in ihnen enthaltene Vergütungsregelung hat 1988 eine grundlegende Änderung erfahren und ist dann weiter entwickelt worden. Daraus wird deutlich, daß der jeweils einschlägige GTV im Lichte seiner Vorgänger zu sehen und auszulegen ist. Die 1991 (wieder) eingeführte Anrechnung von zwei fiktiven Berufsjahren gilt erst ab Inkrafttreten des Tarifvertrages: An eine Neueingruppierung bereits eingruppierter Angestellter war ersichtlich nicht gedacht.
Auch die Entstehungsgeschichte des GTV 1991 selbst spricht für das gefundene Ergebnis.
Dem Forderungsschreiben der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen vom 7. Februar 1991 ist zu entnehmen, daß ein höheres Anfangsgehalt nach abgeschlossener Ausbildung eingeführt werden sollte, was ohne besonderen Hinweis als nur für die Zukunft gewollt angesehen werden konnte, nicht aber generell rückwirkend für alle Angestellten, die irgendwann einmal die Ausbildung abgeschlossen haben.
Auch das Informationsblatt der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen vom 21. Juni 1991 über den GTV 1991 mit dem Hinweis "Nach zweijähriger kaufmännischer Ausbildung jetzt DM 1.900 statt bisher DM 1.706. Nach dreijähriger kaufmännischer Ausbildung jetzt DM 2.000 statt bisher DM 1778" steht dafür, daß ab Inkrafttreten des GTV 1991 für die dann Ausgebildeten die Anrechnung der Ausbildungsjahre erfolgt und ab dann ein höheres Eingangsgehalt gezahlt wird. Davon, daß entgegen diesen Mitteilungen in den Verhandlungen erreicht wurde, daß sogar sämtliche Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung, die bereits nach dem 31. März 1988 "erstmalig" in die Gehaltsgruppe I eingruppiert worden waren, in den Genuß der Anrechnungsregel kommen sollten, mit den Worten der Revision, "ein weiteres Berufsjahr 'geschenkt' bekamen", kann nicht ausgegangen werden. Die Differenz zwischen dem dritten und vierten Berufsjahr betrug damals nach der Staffel B 125 DM, die Differenz zwischen dem fünften und sechsten Berufsjahr der Staffel B immerhin 255 DM. Es kann kaum angenommen werden, daß die Arbeitgeber ohne Notwendigkeit dieses Zugeständnis gemacht haben.
Die "Tarifvereinbarung" vom 21. Juni 1991, die von den Verhandlungsführern aller Tarifvertragsparteien unterzeichnet worden ist, enthält unter Ziff. 4 der Sache nach die Regelung des § 3 B Abs. 1 und 2 GTV 1991 allerdings mit dem Klammerzusatz "Gilt für ab 1.4.91 Ausgelernte". Daran wird deutlich, daß für einen Angestellten, der vor dem 1. April 1991 ausgelernt hatte, die Anrechnung von Berufsjahren in der gewählten Art nicht vorgesehen war. Für den Kläger bedeutet das, daß er keinen Anspruch auf Gehalt nach dem dritten bzw. vierten Berufsjahr hat.
Die Rechtsnatur dieser "Tarifvereinbarung" kann dahinstehen. Entscheidend ist, daß nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entsprechend einer langjährigen Übung der Tarifvertragsparteien die "Tarifvereinbarung" vom 21. Juni 1991 für die Langfassung des Tarifvertrages von den Arbeitgeberverbänden redaktionell bearbeitet und nach dem 3. Juli 1991 an die Verhandlungsführer der tarifvertragsschließenden Parteien zur Unterschrift übersandt wurde. Obwohl in der Langfassung, die am 18. September 1991 mit Wirkung vom 1. April 1991 für allgemeinverbindlich erklärt wurde, der Klammerzusatz entfallen ist, führt das nicht zu einer sachlichen Änderung im GTV 1991: Aus Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Tarifgeschichte folgt, daß es bei einmal vollzogenen Eingruppierungen bleibt und die neuen Anrechnungsregelungen erst für Eingruppierungen gelten, die ab Inkrafttreten des Tarifvertrages erfolgen.
Dem steht nicht entgegen, daß möglicherweise im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages am 21. Juni 1991, aber mit und nach dem 1. April 1991, dem Tag des Inkrafttretens des GTV 1991, bereits Eingruppierungen vorgenommen waren, und zwar nach dem GTV 1989 und damit in der Vergangenheit lagen bezogen auf den 21. Juni 1991. Denn wenn der GTV 1991 zu einem bestimmten Zeitpunkt - 1. April 1991 - in Kraft tritt, dann werden diejenigen, die am 1. April 1991 oder später bereits eingruppiert worden waren, so behandelt, als seien sie noch nicht eingruppiert worden. Diese Personengruppe kommt in den Genuß der Anrechnung. Das folgt aus der rückwirkenden Inkraftsetzung des GTV 1991.
e) Sonach gilt die Anrechnungsregel des § 3 B Abs. 2 Satz 1 und 2 GTV 1991 erst für diejenigen Angestellten, die mit oder nach dem 1. April 1991 erstmalig in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden/wurden.
4. Diese Stichtagsregelung über die Anrechnung von Ausbildungsjahren als Berufsjahre bei Gehaltsstufen verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, an den auch die Tarifvertragsparteien gebunden sind.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz und damit auch alle betroffenen Angestellten vor dem Tarifvertrag gleichzubehandeln. Ein Verstoß gegen diesen Gleichheitssatz liegt vor, wenn eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. In Art. 3 Abs. 1 GG kommt darüber hinaus ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck. Die Grenze zur Willkür wird durch eine Regelung jedoch nicht schon dann überschritten, wenn die gefundene Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden läßt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 18. September 1991 - 5 AZR 620/90 - AP Nr. 192 zu Art. 3 GG; BVerfGE 55, 72, 88; 78, 232, 247). Der Gleichheitssatz wird durch die Tarifvertragsparteien bei der Setzung von Tarifnormen deshalb nur dann verletzt, wenn sie es versäumen, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 42, 239, 243 = AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Gerichte können deshalb nicht prüfen, ob die Tarifvertragsparteien jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben, vielmehr haben sie lediglich zu untersuchen, ob die getroffene Regelung die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet. Das ist dann anzunehmen, wenn Differenzierungen vorgenommen wurden, für die sachlich einleuchtende Gründe nicht vorhanden sind (BAGE 42, 239, 243 = AP, aaO; BAGE 66, 306, 312 = AP Nr. 153 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BVerfG Beschluß vom 26. März 1980 - 1 BvR 121/76 und 122/76 - AP Nr. 116 zu Art. 3 GG). Dabei ist es unvermeidlich, daß bei Pauschalierungen, die im Gesetzes- und Tarifrecht im Interesse der Praktikabilität vorgenommen werden, gewisse Härten vorkommen (vgl. BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT).
Bei Tarifverträgen muß ferner berücksichtigt werden, daß sie zwischen gleichstehenden Parteien im einzelnen ausgehandelt werden. Dann muß es aber auch ihnen überlassen bleiben, in eigener Verantwortung unter Umständen Zugeständnisse in einer Richtung mit Vorteilen in anderen Bereichen auszugleichen. Das rechtfertigt es, den Tarifvertragsparteien insoweit einen weiten Beurteilungsspielraum einzuräumen.
b) Im vorliegenden Fall gibt es vernünftige und einleuchtende Gründe dafür, die Anrechnung von Ausbildungsjahren als Berufsjahre bei den Gehaltsstufen nur bei den Angestellten vorzunehmen, die nach dem 31. März 1991 erstmals in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden.
Die Tarifvertragsparteien wollen beim Aushandeln tarifvertraglicher Regelungen abschätzen, welche Belastungen durch die Neuregelung auf sie zukommen. Wenn sie daher, vor die Wahl gestellt, sich überhaupt für die Anrechnung von Ausbildungsjahren als Berufsjahre auszusprechen und in diesem Zusammenhang eine Stichtagsregelung einzufügen oder nicht, um so zu versuchen, die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen in vertretbaren und vor allem überschaubaren Grenzen zu halten, so sind dies allein schon sachliche Gründe. Finanzielle und finanzpolitische Erwägungen rechtfertigen unterschiedliche Regelungen; es stellt keine willkürliche Differenzierung dar, wenn darauf abgestellt wird, ob ein Angestellter, eine Angestellte bereits vor oder nach einem bestimmten Stichtag in einer bestimmten Gehaltsgruppe eingruppiert war oder nicht (vgl. Urteil des Senats vom 6. Februar 1980 - 4 AZR 158/78 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Rückwirkung; BVerfGE 24, 220, 228). Abgesehen davon, daß sich die Unterschiede und Folgen der vorliegenden Stichtagsregelung im Laufe von wenigen Jahren ausgleichen - die Angestellten der Staffel A erreichen auch die Endstufe in absehbarer Zeit -, bringen derartige Stichtagsregelungen im Einzelfall unvermeidliche Härten mit sich, die aber in Kauf genommen werden müssen (vgl. BVerfGE 24, 220, 228). Den Tarifvertragsparteien muß unbenommen bleiben, Strukturveränderungen auch schrittweise einzuführen.
Schließlich bot sich der von den Tarifvertragsparteien der Sache nach gewählte Stichtag 1. April 1991 für die Eingruppierung und damit für die Anrechnung von Ausbildungsjahren als Berufsjahre aufgrund des Inkrafttretens der neuen Regelung zu diesem Zeitpunkt von selbst an. Jeder andere vor dem 1. April 1991 liegende Stichtag hinsichtlich der Eingruppierung und damit für die Anrechnung von Ausbildungsjahren als Berufsjahre würde den Kreis der Angestellten, die in den Genuß der Anrechnung kämen, zwar um eine unbekannte Zahl erhöhen, die Frage der Berechtigung eines solchen Stichtages aber erst recht aufwerfen.
5. Mit seiner bereits im Juni 1990 abgeschlossenen Ausbildung und schon im Juli 1990 erfolgten erstmaligen Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I erfüllt der Kläger sonach die Voraussetzungen der Anrechnungsvorschrift des § 3 B Abs. 2 GTV 1991 nicht, mit der Folge, daß er keinen Anspruch auf die geltend gemachten Gehaltsdifferenzen zwischen der Stufe 2 (2. Berufsjahr) und der Stufe 3 oder 4 (3./4. Berufsjahr) hat.
6. Da die Klage unbegründet ist, kommt es auf die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an.
7. Ebenso kann dahinstehen, ob, wie die Revision meint, das angefochtene Urteil die Grundsätze der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Schaub Schneider Friedrich
Knapp Wax
Fundstellen
Haufe-Index 439607 |
DB 1995, 1568-1569 (LT1) |
NZA 1995, 548 |
AP § 1 TVG Tarifverträge Einzelhandel (LT1), Nr 51 |
AR-Blattei, ES 400 Nr 82 (LT1) |