Entscheidungsstichwort (Thema)
BAT-O - räumlicher Geltungsbereich
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Fortsetzung der Senatsrechtsprechung zur Abgrenzung von BAT und BAT-O. Kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn auf Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die im Ostteil Berlins begründet wurden, nach vorübergehendem Einsatz im Westteil Berlins nach Verlagerung der Dienststelle in den Ostteil wieder der BAT-O angewendet wird, während auf Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern derselben Dienststelle, die im Westteil Berlins eingestellt wurden, weiterhin der BAT angewendet wird."
Verfahrensgang
Tatbestand
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - vom 10. Dezember 1990 (BAT-O) anzuwenden ist.
Der Kläger war seit dem 16. Juni 1990 als Betreuer bei einer sozialpädagogischen Beratungsstelle im "Haus der Jugendhilfe" im Bezirk Pankow, Tschaikowskistraße 13 (ehemals Berlin-Ost), beschäftigt. Diese Einrichtung wurde nach der Vereinigung auf das Land Berlin überführt. Seit dem 1. Januar 1991 wird der Kläger vom Land Berlin weiterbeschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.
Im ehemaligen Westteil der Stadt Berlin existierte in der Mindener Straße im Bezirk Charlottenburg eine vergleichbare Einrichtung, der "Jugendnotdienst". Seit dem Sommer 1991 plante die für beide Einrichtungen zuständige Senatsverwaltung eine organisatorische Zusammenführung zu einem einheitlichen Jugendnotdienst, wobei zunächst offen war, ob die zentrale Anlauf- und Beratungsstelle in der Tschaikowskistraße, in der Mindener Straße oder an einem anderen zentralen Ort angesiedelt werden sollte.
Mit Wirkung vom 9. September 1991 wurde der Kläger "zum Zwecke des Erfahrungsaustausches" in die Mindener Straße umgesetzt. In einer Mitteilung des Einrichtungsleiters vom 16. September 1991 an die Senatsverwaltung heißt es, dies geschehe "bis voraussichtlich 31.10.1991". Dem Kläger selbst wurde eine exakte zeitliche Begrenzung nicht mitgeteilt. Der Kläger wurde über den 31. Oktober 1991 hinaus in der Mindener Straße beschäftigt. Anfang März 1992 wurden die in der Tschaikowskistraße gelegenen Räume wegen Umbauarbeiten vorübergehend geschlossen und sämtliche dort tätigen Mitarbeiter nunmehr ebenfalls in die Mindener Straße umgesetzt. Nachdem die Entscheidung gefallen war, die zentrale Anlauf- und Beratungsstelle in der Tschaikowskistraße unterzubringen und die Umbaumaßnahmen beendet waren, zog der Beratungsdienst mit sämtlichen Mitarbeitern, darunter auch dem Kläger, am 14. April 1994 in die Tschaikowskistraße um. Der Kläger erhielt durchgehend Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O. Er ist seit November 1990 Mitglied der ÖTV.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis sei seit dem 7. September 1991 der BAT anzuwenden. Zwar sei sein Arbeitsverhältnis im ehemaligen Ostteil Berlins begründet worden. Bei seiner Umsetzung in die Mindener Straße habe er jedoch davon ausgehen müssen, nunmehr dauerhaft im Westteil Berlins beschäftigt zu werden. Dies gelte zumindest nach Ablauf der zunächst für den Erfahrungsaustausch vorgesehenen Zeit bis zum 31. Oktober 1991. Wegen seines dauerhaften Einsatzes im Westteil Berlins bis zum Umzug in die Tschaikowskistraße am 14. April 1994 sei der BAT über diesen Zeitpunkt hinaus anzuwenden. Dies gebiete auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, da auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die im ehemaligen Westteil Berlins eingestellt und in der Dienststelle in der Mindener Straße beschäftigt worden seien, der BAT auch nach dem Umzug weiterhin angewendet werde, obwohl der Arbeitsplatz nunmehr im Beitrittsgebiet liege.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß für das Beschäftigungsverhält-
nis zwischen ihm und dem beklagten Land seit dem
7. September 1991 der BAT sowie dessen ergänzende
und ändernde Tarifverträge in der jeweils gelten-
den Fassung gelten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, eine auch nur vorübergehende Anwendung des BAT komme nicht in Betracht. Der Einsatz des Klägers im Westteil Berlins sei für den Kläger erkennbar nur vorübergehend erfolgt. Dies folge daraus, daß er zunächst dem Erfahrungsaustausch gedient habe und ab März 1992 durch die Umbaumaßnahmen bedingt gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und festgestellt, daß für das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien vom 9. September 1991 bis zum 13. April 1994 der BAT sowie dessen ergänzende und ändernde Tarifverträge in der jeweiligen Fassung gegolten haben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag für die Zeit ab 14. April 1994 weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß auf das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 13. April 1994 hinaus nicht der BAT anzuwenden ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf das Arbeitsverhältnis sei nur in der Zeit des tatsächlichen Einsatzes des Klägers in der Mindener Straße (Berlin-West), d.h. bis einschließlich 13. April 1994, der BAT anzuwenden. Nach Umzug des Beratungsdienstes in die Tschaikowskistraße (Berlin-Ost) am 14. April 1994 sei das Arbeitsverhältnis wiederum in den Geltungsbereich des BAT-O gefallen, in dem es vor der Umsetzung in die Mindener Straße begründet worden war. Auch nach Ablauf des für den Erfahrungsaustausch vorgesehenen Zeitraums habe der Kläger nicht mit einem dauerhaften Verbleib in der Mindener Straße rechnen können. Damit habe sein Arbeitsverhältnis den Bezug zum Beitrittsgebiet nicht verloren.
II. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Auf das im Ostteil Berlins begründete Arbeitsverhältnis des Klägers in nach seiner vorübergehenden Beschäftigung im Westteil Berlins ab 14. April 1994 wieder der BAT-O und nicht der BAT anzuwenden.
1. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung seit dem 1. Januar 1991 der BAT-O Anwendung.
Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Angestellte der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) begründet sind.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet, wenn es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht (BAGE 76, 57, 60 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II a cc der Gründe).
Diese Voraussetzungen waren gegeben. Der Kläger war seit dem 6. Juni 1990 im Haus der Jugendhilfe in der Tschaikowskistraße, einer nachgeordneten Einrichtung des Magistrats von Berlin (Ost), die vom Land Berlin fortgeführt wurde, tätig. Er war in dieser Einrichtung auf unbestimmte Zeit mit einer angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigt.
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht, ausgehend von der ständigen Senatsrechtsprechung (BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; Urteile vom 23. Februar 1995 - 6 AZR 329/94 - AP Nr. 2 zu § 1 TVAng Bundespost und - 6 AZR 614/94 - AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II und vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 922/94 - AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O, alle auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), angenommen, daß für die Zeit der Tätigkeit des Klägers im Westteil Berlins in der Mindener Straße vom 9. September 1991 bis zum 13. April 1994 der BAT anzuwenden war. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht mehr streitig.
3. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ist seit der Verlagerung des Arbeitsortes mit dem Umzug der Beratungsstelle in die Tschaikowskistraße ab 14. April 1994 wiederum der BAT-O anzuwenden.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt: BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 - 6 AZR 125/95 - AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) gilt für ein im Beitrittsgebiet begründetes und dort durchgeführtes Arbeitsverhältnis östliches Tarifrecht. Demgegenüber findet auf ein im Beitrittsgebiet begründetes und in den alten Bundesländern fortgesetztes Arbeitsverhältnis westliches Tarifrecht Anwendung. In einem Fall vorübergehender Beschäftigung im Westen gilt nach Rückkehr des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet wieder östliches Tarifrecht.
b) Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, er habe davon ausgehen müssen, sein Einsatz werde ab dem 9. September 1991 auf Dauer im Westteil Berlins erfolgen, kann er damit keinen Erfolg haben.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die vom Kläger mit formellen Rügen nicht angegriffen werden, konnte er nicht annehmen, er werde dauerhaft im Westteil Berlins beschäftigt werden. Zunächst erfolgte seine Umsetzung zum Zwecke des Erfahrungsaustausches, der grundsätzlich eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz bedingt. In der Folgezeit wurde auch keine Entscheidung über die endgültige Unterbringung der Beratungsstelle in der Mindener Straße getroffen. Es wurden vielmehr neue Räume gesucht, bis nach den Umbaumaßnahmen in der Tschaikowskistraße der Umzug dorthin erfolgte.
4. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ist der BAT auch nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz über den 13. April 1994 hinaus anzuwenden.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats verbietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (BAG Urteil vom 26. Oktober 1995
- 6 AZR 125/95 - AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Der Kläger meint, der Gleichbehandlungsgrundsatz werde durch die Anwendung des BAT-O nach seiner Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet deshalb verletzt, weil Arbeitnehmer derselben Dienststelle, auf deren Arbeitsverhältnisse seit jeher der BAT angewendet wurde, entsprechende tarifliche Leistungen weiterhin erhielten, obwohl sich ihre Arbeitsplätze nach Verlagerung der Dienststelle nunmehr im Beitrittsgebiet befinden.
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt jedoch insoweit nicht vor. Der sachliche Grund, nach Verlagerung der Dienststelle vom Westteil in den Ostteil Berlins Arbeitnehmer, die im Geltungsbereich des BAT eingestellt wurden gegenüber Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet wurden, unterschiedlich zu behandeln, liegt in der verschiedenen arbeitsvertraglichen Ausgangssituation.
Mit Arbeitnehmern, die im Westteil Berlins eingestellt wurden, konnte arbeitsvertraglich nur der BAT vereinbart werden. Eine Rechtsgrundlage dafür, auf ihre Arbeitsverhältnisse bei einer späteren Verlagerung der Dienststelle in den Ostteil Berlins den BAT-O anzuwenden, besteht nicht. Demgegenüber begründet die arbeitsvertragliche Vereinbarung des BAT-O bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet wurden, nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung einen Anspruch auf die Anwendung der Vorschriften des BAT nur für die Zeit ihrer Beschäftigung außerhalb des Beitrittsgebiets. Bei der Wiederherstellung des Bezugs zum Beitrittsgebiet durch Verlagerung der im Westteil Berlins gelegenen Dienststelle, in der der vorübergehende Einsatz erfolgte, ist deshalb auch wieder die Anwendung des BAT-O geboten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Peifer Dr. Freitag Dr. Armbrüster
R. Hinsch Schneider
Fundstellen
ZTR 1998, 28 (red. Leitsatz 1-2 und Gründe) |