Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Wiedereinsetzung bei Urlaubsabwesenheit, Darlegungserfordernisse gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) reicht die Rüge einer fehlerhaften Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen durch das FG oder von bloßen Subsumtionsfehlern nicht aus.
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage (Wiedereinsetzung bei Urlaubsabwesenheit von mehr als sechs Wochen) in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen schlüssig und substantiiert darzutun, dass die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat weder die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einschließlich Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2.Alternative FGO; s. unten 1.) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; s. unten 2.) hinreichend dargelegt.
1. Erforderlich ist, dass eine die Abweichung erkennbarmachende Gegenüberstellung von Rechtssätzen, eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen oder ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des Finanzgerichts (FG) von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, unter 2. b a.E.; vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFH/NV 2002, 119, unter 3. b; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474).
Daran fehlt es vorliegend; denn der Kläger rügt lediglich die ―nach seiner Ansicht― fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen durch das FG, die ebenso wie bloße Subsumtionsfehler nicht ausreichen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 55). Im Übrigen beruht das FG-Urteil auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und weicht nicht von ihr ab.
2. Unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332; BFH-Beschlüsse vom 2. November 1999 I B 20/99, BFH/NV 2000, 718: zweimonatige Urlaubsabwesenheit; vom 11. April 2001 I B 123/00, BFH/NV 2001, 1221: sechswöchige Urlaubsabwesenheit) und Literatur (z.B. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 110 Rz. 6; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 110 AO Tz. 16; Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1997, § 56 Rz. 20a) vertretenen Auffassungen ist schlüssig und substantiiert darzutun, dass die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. August 1999 VIII B 17/99, BFH/NV 2000, 211; vom 18. April 2000 XI B 30/99, BFH/NV 2000, 1231; vom 17. Oktober 2001 III B 97/01, BFH/NV 2002, 366). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift ebenfalls nicht.
In derartigen Fällen bedarf es auch keiner Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX B 160/01, BFH/NV 2002, 903; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 41).
So hat der Kläger bereits nicht behauptet, dass er zu den von ihm aufgezählten besonderen Berufsgruppen mit einem längeren als sechswöchigen individuellen Urlaubsanspruch gehört. Unabhängig vom nach Ansicht des Klägers vermeintlich geänderten Verhalten der Bürger hinsichtlich der Inanspruchnahme ihres (Jahres-)Urlaubs war ihm jedenfalls seine ungewöhnlich lange Reise (von 52 Tagen) offensichtlich wegen eines Arbeitgeberwechsels möglich gewesen. Zudem ist eine wie auch immer geartete Ableitung oder Koppelung der Abwesenheitsfrist an den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 41, 332) nicht zu entnehmen. Auch war für das BVerfG unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit und der Effektivität der (Straf-)Rechtspflege allein entscheidend, "daß die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurzfristige …" war. Auf diesen argumentativen Ansatz geht der Kläger nicht näher ein.
Fundstellen
Haufe-Index 892746 |
BFH/NV 2003, 503 |