Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs und unterlassener Zeugenvernehmung
Leitsatz (NV)
- Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht damit begründet, dass es das FG unterlassen habe, benannte Zeugen zu vernehmen, ist darzulegen, welche Tatsachen die Zeugen voraussichtlich bekundet hätten, dass diese geeignet gewesen wären, eine andere Entscheidung in der Sache herbeizuführen und dass der fachkundig vertretene Beschwerdeführer die unterlassene Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung gerügt hat.
- Macht der Beschwerdeführer geltend, das FG habe ihm das rechtliche Gehör dadurch versagt, dass es vor der Entscheidung nicht mitgeteilt habe, es werde einen Vertrauensschutz zu seinen Gunsten verneinen, ist die Rüge nur dann schlüssig dargetan, wenn er darüber hinaus substantiiert darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und inwieweit dieses Vorbringen zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde den Beteiligten am 13. Juli 2000 zugestellt. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG―).
1. a) Die Rüge der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), das FG habe es unter Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) unterlassen, die von ihr benannten Zeugen dazu zu vernehmen, dass in der Sammelrechnung über Medikamente in Höhe von 15 339 DM keine Güter des täglichen Bedarfs enthalten gewesen seien, entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.
Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO wegen unterlassener Beweiserhebung gerügt, so ist darzulegen, welche weitere Aufklärung sich dem FG nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103).
Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, welche Tatsachen die beiden Zeugen vermutlich bekundet hätten, die über die in ihren schriftlichen Erklärungen hinausgehen. Der Apotheker hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24. April 1999 erklärt, die von ihm ausgestellte Sammelrechnung 1997 setze sich zusammen aus nicht erstattungsfähigen Spezialkosmetika mit medizinischer Wirkung sowie aus der 50 %igen Eigenbeteiligung bei den erstattungsfähigen Arzneimitteln. Eine Einzelaufstellung sei nicht möglich, da die Patientendaten gelöscht worden seien. Der behandelnde Arzt hat u.a. ausgeführt, dass er der Klägerin seit 1993 verschiedene Präparate verordnet habe, allerdings nicht auf Rezept, da diese Mittel von der Krankenkasse nicht erstattet würden. Diese Mittel seien nur in Apotheken erhältlich, da sie einen höheren Wirkungsgrad als Kosmetika und keine allergischen Nebenwirkungen hätten. Das FG hat beide Erklärungen als nicht ausreichenden Nachweis gewürdigt, weil sich hieraus weder ergebe, welche Mittel für die Klägerin konkret erforderlich gewesen seien noch dass diese Mittel in der Rechnung enthalten seien. Da weder Art noch Menge feststellbar seien, könne auch nicht überprüft werden, ob sich die Käufe der Klägerin mit den ärztlichen Verordnungen deckten. Aus der Beschwerdebegründung geht weder hervor, was Arzt und Apotheker im Falle einer Vernehmung darüber hinaus bekundet hätten, noch dass das Ergebnis der Vernehmung geeignet gewesen wäre, eine andere Entscheidung in der Sache herbeizuführen.
Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die unterlassene Zeugenvernehmung durch ihren fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt habe. Zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ―ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Folge.
b) Ebenfalls nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen bezeichnet worden ist die Behauptung, das FG habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ihr vor Erlass der Entscheidung nicht mitgeteilt habe, dass es einen Vertrauensschutz verneine. Für eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wäre die substantiierte Darlegung erforderlich gewesen, was die Klägerin bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwieweit dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichtes hätte führen können (BFH-Beschluss vom 20. Januar 2000 III B 57/99, BFH/NV 2000, 861).
Die Klägerin macht geltend, dass sie nach einem entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte, ihre Medikamentenrechnung sei deshalb dreimal so hoch gewesen wie im Vorjahr, weil sie wegen anstehender Preissteigerungen Medikamente auf Vorrat gekauft habe; sie legt indessen nicht dar, inwieweit dieser Vortrag entscheidungserheblich hätte sein können. Das FG ist der Auffassung, die Klägerin habe deshalb Einzelnachweise über die von ihr als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Medikamente vorlegen müssen, weil sie wegen der enormen Steigerung ihres Medikamentenbedarfs und der steuerlichen Auswirkung nicht habe rechnen können, der Abzug werde ihr auch ohne Einzelnachweise gewährt. Angesichts dieser Ausführungen ist nicht erkennbar, inwieweit ihr Vortrag geeignet gewesen wäre, möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des FG zu führen.
2. Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargetan, dass das Urteil des FG von der Entscheidung des BFH vom 11. Januar 1991 III R 70/88 (BFH/NV 1991, 386) abweicht.
Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das FG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH. Das FG muss seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden rechtlichen Erwägungen einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hat eine Divergenz nicht durch Gegenüberstellung voneinander abweichender Rechtssätze bezeichnet.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 642294 |
BFH/NV 2001, 1593 |