Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren
Leitsatz (NV)
Wird für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens Prozeßkostenhilfe beantragt und legt der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist durch einen vor dem BFH postulationsfähigen Bevollmächtigten ein, ist eine die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe rechtfertigende Erfolgsaussicht nur gegeben, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies setzt voraus, daß der Rechtsmittelführer sein Gesuch um Bewilligung von PKH innerhalb der Rechtsmittelfrist zusammen mit den erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
Die Klage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller) gegen den Beklagten (das Finanzamt -- FA --) wegen Einkommensteuer 1990 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision nicht zu.
Hiergegen legte der Antragsteller persönlich Beschwerde ein, mit der er sinngemäß die Zulassung der Revision begehrt. Das FG half der Beschwerde nicht ab.
In seiner Beschwerdeschrift beantragt der Antragsteller zugleich die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Er führt aus, er könne sich keinen Rechtsanwalt oder Steuerberater leisten, und weist auf ein beigefügtes Schreiben hin, in dem er seine finanzielle Situation durch eine Gegenüberstellung seines monatlichen Nettoeinkommens und seiner Verpflichtungen darstellt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtige Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als Maßnahme der PKH kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) oder Steuerberaters (§ 142 Abs. 2 FGO) in Betracht, wenn sie erforderlich erscheint oder die Vertretung durch derartige Personen als Prozeßbevollmächtigte vorgeschrieben ist.
Dem Antrag auf Bewilligung von PKH sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).
Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) postulationsfähige Person Revision oder Beschwerde eingelegt, kann die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels überhaupt nur dann bejaht werden, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist sein Gesuch um Bewilligung von PKH zusammen mit den nach § 142 FGO i. V. m. § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 13, § 142 Anm. 12 m. w. N.).
2. Hiervon ausgehend gelangt der Senat gar nicht zur Prüfung der materiellen Erfolgsaussichten der Beschwerde des Antragstellers.
Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entla stung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte -- ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden -- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigen vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Da der Antragsteller nicht zum Kreis der Personen gehört, die eine Beschwerde beim BFH einlegen können, ist sein Rechtsmittel bereits deshalb unzulässig. In der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist der Antragsteller auf das Erfordernis der Vertretung durch einen der betreffenden Berufsangehörigen hingewiesen worden.
Würde die Beschwerde nunmehr von einem vor dem BFH vertretungsbefugten Prozeßbevollmächtigten eingelegt, wäre sie wegen Versäumung der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO), die durch die Zustellung des Urteils am 16. Februar 1994 in Lauf gesetzt wurde, als unzulässig zu verwerfen. Auch eine nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung des Antragstellers durch einen zugelassenen Vertreter wäre ausgeschlossen (BFH-Beschluß vom 15. Februar 1991 IV R 114/90, BFH/NV 1992, 481).
Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist käme nicht in Betracht. In Fällen, in denen ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen befugten Vertreter beim BFH fristgerecht einzulegen, setzt die Wiedereinsetzung voraus, daß der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit stehende Hindernis zu beheben. Er muß daher bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Dazu gehört, daß der Antragsteller innerhalb dieser Frist das Gesuch um PKH und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der vorgeschriebenen Form (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO) einreicht, sofern er nicht auch hieran wiederum ohne sein Verschulden gehindert ist (BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557).
Da der Antragsteller für seine Angaben nicht den vorgeschriebenen Vordruck verwandt hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Bewilligung von PKH nach §§ 142 Abs. 1 FGO, 117 Abs. 4 ZPO. Aber auch inhaltlich genügen seine Angaben nicht den Erfordernissen gemäß §§ 142 Abs. 1 FGO, 117 Abs. 2 ZPO. Sie erschöpfen sich in der Gegenüberstellung des Nettomonatslohns und der laufenden Ausgaben. Wesentliche Angaben, die nach dem vorgeschriebenen Vordruck zu machen sind, fehlen, wie z. B. zu weiteren Einnahmen aus anderen Quellen und zu etwaigem Vermögen. Insbesondere fehlt auch die in dem Vordruck vorgesehene Versicherung, daß die Angaben vollständig und wahr sind. Der Antragsteller hat sonach innerhalb der Beschwerdefrist nicht das ihm Zumutbare getan, um die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zur Einlegung der Beschwerde zu schaffen.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen ordnungsgemäßen Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und damit auch für eine mögliche Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Beschwerdefrist hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch aus den Akten nicht ersichtlich. Es ist nicht zu beanstanden, daß der Antragsteller nicht besonders darüber belehrt worden ist, daß er auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Beschwerdefrist einreichen muß, um die Möglichkeit zu wahren, später Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu erhalten (BFH/NV 1986, 557).
Fundstellen
Haufe-Index 420143 |
BFH/NV 1995, 152 |