Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung eines Steueranspruchs; Ehegattenarbeitsverhältnis
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, ob die Finanzbehörde einen Steueranspruch allein durch ein längeres Untätigsein verwirkt hat, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt.
2. Das FG weicht nicht von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zur Überweisung von Ehegattengehältern auf ein gemeinsames Konto (z. B. Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34) ab, wenn es die ständige Rechtsprechung des BFH anwendet, wonach Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend der Vereinbarung auch durchgeführt werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Gründe
Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig, im übrigen jedenfalls unbegründet.
1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit eine Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend gemacht wird, denn diese Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden, §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die schlüssige Darlegung der Divergenz erfordert, daß der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das Urteil des Finanzgerichts (FG) trägt. Dem ist ein abweichender tragender Rechtssatz aus einer genau bezeichneten Entscheidung des BFH gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Zwar wollen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) dem Urteil in BStBl II 1992, 454 eine Divergenz entnehmen, tragen aber weder einen abstrakten Rechtssatz aus dem FG-Urteil noch aus der genannten BFH-Entscheidung vor.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die Kläger grundsätzliche Bedeutung geltend machen.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Beschwerde insoweit nicht ebenfalls un zulässig ist, weil die grundsätzliche Be deutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt ist, §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Jedenfalls ist sie unbegründet, da eine grundsätzliche Bedeutung nicht vorliegt.
Die Kläger halten es für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob für eine Verwirkung von Steueransprüchen bei einem längeren Untätigsein des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) ein Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen werden kann, daß das FA seine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt hat.
Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist entgegen der Ansicht der Kläger durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist Verwirkung nur anzunehmen, wenn ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand derart geschaffen hat, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muß (vgl. z. B. Senatsurteil vom 24. August 1995 IV R 112/94, BFH/NV 1996, 449). Die Nichtbeanstandung einer steuerrechtlich fehlerhaften Handhabung schafft keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Vielmehr hat das FA nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgegeben werden, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte, selbst dann, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden war oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217, m. w. N.).
Auch ein jahrelanges Untätigsein der Finanzbehörde allein reicht nach der Rechtsprechung des BFH nicht für die Verwirkung eines Steueranspruchs aus, sondern setzt vielmehr zusätzlich ein bestimmtes Verhalten der Behörde und einen hierdurch geschaffenen Vertrauenstatbestand beim Steuerpflichtigen voraus (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1992 X R 13/91, BFH/NV 1993, 454, m. w. N.).
Im Streitfall fehlt es nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sowohl an einem vertrauensstiftenden Verhalten als auch an einem längeren Untätigsein des FA. Die Kläger konnten aufgrund des bloßen Zeitablaufs zwischen den in den Jahren 1981 und 1984 durchgeführten Außenprüfungen und der Änderung des Einkommensteuerbescheids im Jahr 1990 nicht davon ausgehen, das FA werde den Steueranspruch aus der Umbaumaßnahme für das Streitjahr, für das erst in 1990 eine Außenprüfung stattgefunden hatte, nicht mehr geltend machen. Aus der Tatsache, daß das FA die bewertungsrechtlichen und insoweit einkommensteuerlichen Folgerungen aus dem Umbau des Hauses nicht schon für die Jahre vor dem Streitjahr gezogen hat, können die Kläger insbesondere nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung nicht ableiten, daß das FA zu ihren Gunsten auch für die Zukunft keine steuerlichen Konsequenzen ziehen wird. Soweit die Kläger der -- rechtsirrigen -- Ansicht sind, eine rückwirkende Änderung von Steuerbescheiden bei aufgrund von neuen Tatsachen geänderten Grundlagenbescheiden sei nach Treu und Glauben verwirkt, wenn die Berücksichtigung der neuen Tatsachen nach §173 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mehr zulässig wäre, machen sie damit Gründe gegen die Änderung des Grundlagenbescheids geltend, die gegen den Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid jedoch nicht erfolgreich vorgetragen werden können, §351 Abs. 2 AO 1977. Sie übersehen dabei auch, daß nach §175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Folgeänderung des Einkommensteuerbescheids nach Ergehen eines -- im Streitfall sowohl im Einspruchs- wie auch im Klageverfahren erfolglos angefochtenen -- Grundlagenbescheids zwingend ist. Da das FA die Folgerungen im Einkommensteuerbescheid auch unmittelbar nach Ergehen des nach §175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bindenden Einheitswertbescheids gezogen hat, stellt sich im Streitfall die Frage einer Verwirkung weder aufgrund eines Zeit- noch eines Vertrauensmoments.
3. Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob Gewinnerzielungsabsicht bei Ehegatten auch vorliegen kann, wenn der Gewinn nicht im eigenen Betrieb, sondern in dem des Ehepartners erzielt wird, dadurch aber keine weiteren steuerlichen Folgen eintreten, können sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Der Hinweis der Kläger auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Überweisung von Ehegattengehältern auf ein gemeinsames Konto (z. B. Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34) geht fehl. In diesen Beschlüssen ist ausdrücklich ausgeführt, daß die ständige Rechtsprechung des BFH, derzufolge Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerlich nur dann anzuerkennen sind, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend der Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Gleichermaßen bleibt es bei dem Erfordernis, daß an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit dieser Verträge strenge Anforderungen zu stellen sind (s. unter B. I. 1. der Begründung des BVerfG-Beschlusses). Diese Beweisanforderungen sind vor dem Hintergrund zu sehen, daß Dienstleistungen, die aus privaten Gründen ohne Vereinbarung eines Entgelts für das Unternehmen des Ehegatten erbracht werden, privat veranlaßt und somit steuerlich unbeachtlich sind (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 38/93, BFHE 178, 331, BStBl II 1996, 153 unter II. 2. d).
Eine andere Frage ist, inwieweit Aufwendungen des einen Ehegatten als betriebliche oder berufliche Aufwendungen des anderen Ehegatten anzuerkennen sind (Drittaufwandsproblematik -- vgl. zuletzt Vorlagebeschlüsse des VI. Senats des BFH z. B. vom 22. November 1996 VI R 77/95, BFHE 181, 362, BStBl II 1997, 208, m. w. N.). Hierzu ist jedoch in jedem Fall erforderlich, daß die Aufwendungen durch den Betrieb oder den Beruf des die Einkünfte erzielenden Ehegatten veranlaßt sind. Hierzu fehlt es an Feststellungen des FG, was offenbar auf fehlende oder unzureichende Darlegungen der Kläger zurückzuführen ist. Jedenfalls haben die Kläger keine diesbezügliche Verfahrensrüge erhoben.
4. Die Beschwerde kann auch keinen Erfolg haben, soweit die Kläger vortragen, eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers sei entgegen dem FG nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger für eine gewisse Zeit Verluste hingenommen habe, um sich die betrieblichen Grundlagen für die Zukunft zu erhalten. Denn die Vorentscheidung beruht gerade darauf, daß das FG für den Streitfall das nicht auf Einkünfte zielende Verhalten des Klägers als im Vordergrund stehend beurteilt und damit einen möglichen Zusammenhang mit späteren Einkünften durch die im Streitjahr fehlende Einkünfteerzielungsabsicht als überlagert angesehen hat. Die Rüge der Kläger stellt sich damit als ein hier irrelevanter Angriff auf die Würdigung des FG dar.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 66709 |
BFH/NV 1998, 202 |