Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Verlustabzug zur Körperschaftsteuer
Leitsatz (NV)
1. Der Streitwert einer Klage, die auf Feststellung eines höheren Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer abzielt, bemisst sich unter der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens anhand der tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen des Verlusts (Abgrenzung zum BFH-Beschluss in BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602).
2. Die gewerbesteuerlichen Auswirkungen des Verlusts sind dabei nicht zu berücksichtigen, wenn sich die Klage nur gegen den Körperschaftsteuerbescheid richtet.
Normenkette
GKG § 52 Abs. 1; EStG § 10d
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat sich mit ihrer Klage gegen Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre 1999 und 2000 gewendet und im Ergebnis die Feststellung höherer Verlustabzüge begehrt. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klagestattgabe durch den Senat.
Einen ersten Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 I R 84/07 mangels Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt. Nunmehr beantragt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein weiteres Mal die Streitwertfestsetzung.
Entscheidungsgründe
II. 1. Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet.
Nachdem das FG den Streitwert für die erste Instanz mit pauschal 10 % der begehrten Erhöhung des Verlustabzugs (33 572,09 €) festgesetzt hat, der Streitwert bei Verlustabzügen zur Körperschaftsteuer unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens von anderen FG aber anhand der tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen ermittelt wird (vgl. FG Köln, Beschluss vom 13. März 2008 10 Ko 3739/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1234; Hessisches FG vom 8. Dezember 2008 4 Ko 301/08, juris), erscheint eine Streitwertfestsetzung durch den Senat geboten.
2. Der Senat hält eine Streitwertbemessung anhand der tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen des Verlusts für zutreffend (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2008 IX E 1/08, BFH/NV 2008, 1336). Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei der Feststellung steuerlicher Verlustabzüge hängt die Bedeutung für den Kläger davon ab, inwieweit er die Verluste in der Form von Verlustrück- oder -vorträgen tatsächlich nutzen kann. Im Unterschied zur Situation unter Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. Mai 1983 I R 263/82, BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602) sind die Auswirkungen von Verlustvorträgen zur Körperschaftsteuer unter dem Halbeinkünfteverfahren hinreichend genau zu bestimmen; sie hängen nur von der Höhe der zu versteuernden Gewinne der Folgejahre und dem jeweils geltenden Steuersatz ab. Ein Rückgriff auf eine pauschale Schätzung ist daher nicht erforderlich.
3. Dass die Bescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) für die hinsichtlich der Auswirkungen des Verlustvortrags im Streitfall maßgeblichen Veranlagungszeiträume 2002 und 2003 zum Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung (§ 40 GKG) noch gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, führt --anders als das FA meint-- nicht dazu, dass sie im Rahmen der Streitwertbemessung nicht verwertet werden dürften.
4. Die tatsächlichen körperschaftsteuerlichen Auswirkungen des erhöhten Verlustabzugs hat das FA anhand der Tarifbelastungen der Jahre 2002 (25 %) und 2003 (26,5 %) mit insgesamt 88 081,19 € errechnet. Nach diesem Betrag ist der Streitwert für das Revisionsverfahren zu bemessen.
5. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind die gewerbesteuerlichen Auswirkungen des Verlustabzugs bei der Streitwertbemessung nicht zu berücksichtigen, weil die Klage nur gegen die Körperschaftsteuerbescheide, nicht aber gegen die gewerbesteuerlichen Bescheide gerichtet war. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bleiben Folgewirkungen des Rechtsstreits auf andere Steuerarten, die nicht streitbefangen sind, bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 1985 VIII R 294/82, BFH/NV 1986, 347; vom 21. April 1989 IV R 40/88, BFH/NV 1990, 182; vom 10. Dezember 1998 II R 60/95, BFH/NV 1999, 664). Aus § 35b des Gewerbesteuergesetzes ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Nach dieser Vorschrift ist der Gewerbesteuermessbescheid oder der Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen zu ändern, wenn der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Sie schließt indes das Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen für gesonderte Rechtsbehelfe gegen den Gewerbesteuermessbescheid oder den Verlustfeststellungsbescheid nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300; vom 11. Oktober 1996 VIII B 56/95, BFH/NV 1997, 457). Die Rechtslage ist insoweit eine andere als die im Verhältnis zwischen Grundlagenbescheid und Folgebescheid, wo die Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid für den Folgebescheid bindend sind und nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids angefochten werden können (§ 351 Abs. 2 AO). Das rechtfertigt es, die gewerbesteuerlichen Auswirkungen bei der Streitwertbemessung nur dann zu berücksichtigen, wenn die Klage auch gegen die gewerbesteuerlichen Bescheide gerichtet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2188130 |
BFH/NV 2009, 1446 |