Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung mit einem auf USt-Voranmeldung beruhenden Vergütungsanspruch, wenn späterer Jahresbescheid dessen Bestehen verneint?
Leitsatz (NV)
1. Der Abtretungsempfänger eines vorangemeldeten Anspruchs auf den (Vorsteuer-)Überschuß kann sich gegenüber dem FA nicht auf Aufrechnung mit disem Anspruch berufen, wenn im UStJahresbescheid das Bestehen dieses Anspruchs verneint worden ist.
2. Für den Fall, daß der Vergütungsanspruch im Voranmeldungsverfahren durch einen Steuerbescheid festgesetzt worden ist (bzw. die Steueranmeldung einem Steuerbescheid gleichsteht), bleibt unentschieden, ob die Beteiligten diese behördliche Maßnahme - ohne Rücksicht auf ihre materielle Fehlerhaftigkeit - im Rahmen einer Aufrechnung gegen sich gelten lassen müssen oder ob der Jahresbescheid der formell bestehenden aufzurechnenden Gegenforderung (Vergütungsanspruch) und damit der Aufrechnung ebenso wie dem Erlöschen der Hauptforderung den Boden entzieht.
3. Die Zustimmung gemäß § 168 Satz 2 AO ist Verwaltungsakt und bedarf der Bekanntgabe.
Normenkette
UStG 1980 § 18 Abs. 1-4; AO 1977 §§ 47, 168 S. 2, § 218 Abs. 1 S. 2, §§ 226, 257 Abs. 1 Nr. 2, § 258; FGO § 114 Abs. 1
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) schuldet als Rechtsnachfolgerin ihres am . . . 1988 verstorbenen Ehemannes dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) aus dem bestandskräftigen Umsatzsteuer-Bescheid für 1981 vom 8. November 1985 Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM.
Am 2. Mai 1986 reichte X, dem der Ehemann der Antragstellerin eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 9100 DM erteilt hatte, beim FA die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 1986 ein, die keine Umsätze und einen Vorsteuerbetrag in Höhe von 9100 DM auswies. Nach einem auf der Rückseite angebrachten Vermerk stimmte das FA zu. Der Voranmeldung fügte X auf amtlichem Vordruck die Abtretungsanzeige vom 29. April 1986 bei, durch die er den errechneten negativen Umsatzsteueranspruch in Höhe von 9100 DM an den Ehemann der Antragstellerin abtrat.
Nachdem das FA beim Ehemann der Antragstellerin Vollstreckungsmaßnahmen wegen Umsatzsteuer 1981 angekündigt hatte, beantragte dieser beim FA unter Hinweis auf die Abtretung Vollstreckungsschutz. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, X sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen.
Durch Bescheid vom 10. März 1989 setzte das FA die Umsatzsteuer 1986 für X auf 0 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Umsatzsteuer 1981 sei in Höhe von 9100 DM durch Aufrechnung mit dem von X abgetretenen negativen Umsatzsteueranspruch erloschen. Das FA sei verpflichtet, dies durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977) festzustellen.
Den Antrag, durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung die Vollstreckung des Umsatzsteuerbescheides 1981 einstweilen bis zum Abschluß des auf Erlaß eines Abrechnungsbescheides gerichteten Verfahrens einzustellen, lehnte das Finanzgericht (FG) ab. Zur Begründung führte es aus, es bestünden erhebliche Zweifel, ob X, der die Abtretung erklärt habe, der behauptete negative Umsatzsteueranspruch materiell-rechtlich zugestanden habe.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung weiter. Sie ist der Ansicht, das FA habe anerkannt, daß ihr der Anspruch zustehe. Durch Aufrechnung mit diesem sei die Umsatzsteuerschuld für 1981 erloschen. Auf den nachfolgenden Umsatzsteuer-Jahresbescheid komme es daher nicht an.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) ist nicht hinreichend dargelegt worden.
1. Als Anordnungsanspruch kommt nach dem Vorbringen der Antragstellerin der Anspruch gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Vollstreckung einzustellen, sobald der Anspruch auf die Leistung erloschen ist. Der Anspruch aus dem Schuldverhältnis erlischt gemäß § 47 AO 1977 durch Aufrechnung (§ 226 AO 1977).
a) Die Antragstellerin hat das Vorliegen einer Aufrechnungslage nicht schlüssig dargelegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 226 Abs. 1 AO 1977). Gemäß § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches muß der die Aufrechnung erklärende Schuldner die ihm gebührende Leistung fordern können, d. h. die ihm zustehende Forderung muß bestehen und fällig sein (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1969 III B 6/69, BFHE 96, 337, BStBl II 1969, 657).
Der von der Antragstellerin zur Aufrechnung gestellte, von X abgetretene Anspruch hat nicht bestanden. Durch den bestandskräftigen Jahressteuer-Bescheid für 1986 ist die Umsatzsteuer 1986 auf 0 DM festgesetzt worden. Der Jahressteuer-Bescheid sowie die Voranmeldung für das 1. Quartal 1986 beruhen, da jeweils nur ein Vorbezug betroffen ist, auf identischen Besteuerungsgrundlagen. Dem Jahressteuer-Bescheid liegt die Rechtsauffassung des FA zugrunde, X sei nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt gewesen. Das materielle Ergebnis der im Jahre 1986 entstandenen Umsatzsteuer ist für die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid 1986 festgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Da dieser Bescheid nicht angegriffen worden ist, kann die Antragstellerin als Zessionarin sich nicht mit Erfolg auf das angebliche Bestehen des Anspruchs berufen.
b) Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn der negative Umsatzsteueranspruch im Voranmeldungsverfahren durch einen Steuerbescheid festgesetzt worden wäre und die Beteiligten diese behördliche Maßnahme - ohne Rücksicht auf ihre materielle Fehlerhaftigkeit - im Rahmen der Aufrechnung gegen sich gelten lassen müßten. Der Senat kann unentschieden lassen, ob in diesem Fall durch den Erlaß des Jahressteuerbescheids der formell bestehenden aufzurechnenden Gegenforderung und damit der Aufrechnung ebenso wie dem Erlöschen der Hauptforderung (Umsatzsteuer 1981) der Boden entzogen würde. Denn eine wirksame Aufrechnung ist im Streitfall bereits deshalb zu verneinen, weil - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 1986 nicht einem Steuerbescheid gleichsteht (vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).
Es fehlt an der gemäß § 168 Satz 2 AO 1977 erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde. Die Zustimmung ist Verwaltungsakt (Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 168 AO 1977, Tz. 22). Als solcher wird sie mit der Bekanntgabe wirksam (§ 122 Abs. 1 AO 1977).
aa) Die Zustimmung des FA zur Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 1986 ist X weder ausdrücklich noch stillschweigend bekanntgegeben worden. Der auf der Rückseite der Umsatzsteuer-Voranmeldung angebrachte Vermerk hat den Machtbereich des FA nicht verlassen. Ein auf Zustimmung gerichteter Bekanntgabewille des FA ist nicht feststellbar.
bb) Das Schreiben des FA (Vollstreckungsstelle) an den Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 6. April 1987 kann nicht als Zustimmung i. S. des § 168 Satz 2 AO 1977 gewertet werden. Zum einen ist es nicht an den Unternehmer gerichtet, dem der Verwaltungsakt bekanntzugeben gewesen wäre. Für eine Empfangsvollmacht der Antragstellerin gibt es keinen Anhaltspunkt. Zum anderen ist kein auf Erlaß und Bekanntgabe eines Verwaltungsakts (Zustimmung) gerichteter Wille erkennbar. Zwar spricht das FA in diesem Schreiben von der dem Käufer (X) ,,zustehenden" Vorsteuer und anerkennt die Abtretung (allerdings unter gleichzeitiger Berufung auf eigene Aufrechnung). Diese Erklärungen haben jedoch keinen Bezug zum Voranmeldungsverfahren.
2. Auch ein Anordnungsanspruch gemäß § 258 AO 1977 ergibt sich nicht. Wie das FG unter Berufung auf den BFH-Beschluß vom 29. November 1984 V B 44/84 (BFHE 142, 418, BStBl II 1985, 194) und das BFH-Urteil vom 7. März 1985 IV R 161/81 (BFHE 143, 397, BStBl II 1985, 449) dargelegt hat, ist die Beitreibung einer Steuer i. S. von § 258 AO 1977 dann unbillig und die Ablehnung eines Antrags auf Vollstreckungsaufschub ermessensfehlerhaft, wenn der zu zahlende Betrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald zu erstatten ist. Ein solcher Fall kann im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr eintreten, da bestandskräftig feststeht, daß X kein negativer Umsatzsteueranspruch für das Jahr 1986 zusteht.
Fundstellen
Haufe-Index 417378 |
BFH/NV 1991, 633 |