Entscheidungsstichwort (Thema)
Übermittlung der Rechtsmittelschrift durch Telefax; keine Wiedereinsetzung wegen Arbeitsüberlastung
Leitsatz (NV)
- Ein dem Gericht durch Telefax übermittelter Schriftsatz ist, wenn der Ausdruck beim Empfänger nicht durch einen Fehler in der Funktion oder bei der Bedienung des Empfangsgerätes verzögert worden ist, in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt worden ist.
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Arbeitsüberlastung des prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltes ist auch dann nicht zu gewähren, wenn die Überlastung bereits ein derartiges Maß angenommen hat, dass sie ein plötzliches und unerwartetes Einschlafen des Bevollmächtigten während der Erstellung von Schriftsätzen zur Folge haben könnte. Ein durch Arbeit überlasteter Rechtsanwalt muss rechtzeitig Sorge tragen, dass er Fristen dennoch einhalten kann.
Normenkette
FGO §§ 56, 116 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten für die Streitjahre 1988 bis 1995 über den Abzug von Verlusten aus einem Ferienhaus in Schweden und über die Höhe von Kinderfreibeträgen. Das Finanzgericht (FG) hat sowohl den Verlustabzug als auch die Einbeziehung in den negativen Progressionsvorbehalt unter Berufung auf Art. 4 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Leistung gegenseitigen Beistands bei den Steuern vom 17. April 1959 i.d.F. des Protokolls vom 22. September 1978 sowie § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgelehnt. Das FG hat überdies die Höhe der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für Kinder gemäß § 53 Satz 1 EStG unbeanstandet gelassen.
Da die Revisionen nicht zugelassen wurden, haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen die am 14. April 2003 zugestellten Urteile des FG per Telefax Nichtzulassungsbeschwerden erhoben. Ausweislich der Telefaxausdrucke wurden die Beschwerden vom Büro der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 15. Mai 2003 um 00:01 Uhr abgesandt und gingen sie um 00:02 Uhr beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, im Hinblick auf die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat gemäß § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) also verspätet. Die Kläger wurden auf die Fristenversäumnis durch die Geschäftsstelle des I. Senats mit Schreiben vom 4. Juli 2003, abgesandt am 16. Juli 2003, hingewiesen. Sie beantragten daraufhin am 16. Juli 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und begründeten den Antrag wie folgt: Der Prozessbevollmächtigte habe die Beschwerden am Abend des 14. Mai 2003 abgefasst und ausgedruckt. Er sei sodann infolge starker beruflicher Belastung plötzlich und unerwartet eingeschlafen und erst kurz vor Mitternacht aufgewacht. Die jeweils aus nur einer Seite bestehenden Beschwerdeschriftsätze seien von ihm dann laut Funkuhr ab 23:58 Uhr in einer Sendung an den BFH gefaxt worden. In Anbetracht dessen könnten die Eingangsdaten beim BFH nur auf der üblicherweise ungenauen Telefaxuhr oder auf einem Versehen beruhen. Denn die Telefaxübertragung habe nur 37 Sekunden gedauert. Letzteres ergebe sich aus dem beigefügten Sendebericht des Prozessbevollmächtigten. Die darin angegebene Uhrzeit von 00:01 zeige das Ende des Faxvorganges an.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hält die Beschwerden sämtlich für verfristet und damit für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Die ―gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen― Beschwerden sind unzulässig.
1. Sie waren nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Urteile beim BFH einzulegen. Da die angefochtenen Urteile des FG den Klägern am 14. April 2003 zugestellt wurden, endeten die Beschwerdefristen folglich am 14. Mai 2003 um 24:00 Uhr. Tatsächlich sind sie ausweislich der Telefaxausdrucke des BFH erst am 15. Mai 2003 um 00:02 Uhr beim BFH und damit verspätet eingegangen. Ein dem Gericht durch Telefax übermittelter Schriftsatz ist, wenn der Ausdruck beim Empfänger nicht durch einen Fehler in der Funktion oder bei der Bedienung des Empfangsgerätes verzögert worden ist, in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt worden ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Mai 1994 XII ZB 21/94, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 2097; BFH-Beschluss vom 2. März 2000 VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344). Dafür, dass die Telefaxuhr ungenau gewesen und der Telefaxeingang tatsächlich noch vor 24:00 Uhr erfolgt sein könnte, ist nichts ersichtlich. Dagegen spricht der Sendebericht des Prozessbevollmächtigten, der als Übertragungszeitpunkt übereinstimmend mit den Telefaxausdrucken beim BFH den 15. Mai 2003 00:01 Uhr ausweist. Bei einer im Sendebericht vermerkten Übertragungszeit von 37 Sekunden wird auch dadurch die Richtigkeit der Empfangszeit 00:02 Uhr belegt.
2. Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand (§ 56 FGO) sind den Klägern nicht zu gewähren.
Dabei kann dahinstehen, ob die ―nicht näher substantiierte― Behauptung ihres Prozessbevollmächtigten, er sei infolge Arbeitsüberlastung am Abend des 14. Mai 2003 plötzlich und unerwartet eingeschlafen und erst kurz vor Mitternacht wieder aufgewacht, zutrifft oder nicht. Arbeitsüberlastung stellt grundsätzlich keinen entschuldbaren Hinderungsgrund dar (vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 20 Stichwort Arbeitsüberlastung, m.w.N.). Ein durch Arbeit überlasteter Rechtsanwalt muss rechtzeitig Sorge tragen, dass er Fristen dennoch einhalten kann. Das gilt umso mehr, wenn die Arbeitsüberlastung bereits ein derartiges Maß angenommen hat, dass sie ein plötzliches und unerwartetes Einschlafen während der Erstellung von Schriftsätzen zur Folge haben könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1093687 |
BFH/NV 2004, 358 |