Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an das BVerfG: Verfassungswidrigkeit der Besteuerung einer 1998 vereinbarten, 1999 ausgezahlten Entlassungsentschädigung nach der Fünftel-Regelung; Verstoß der Neuregelung des § 34 EStG (StEntlG 1999/2000/2002) gegen das Rückwirkungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 39b Abs. 3 Satz 9, § 34 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 47 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402 ―EStG n.F.―) mit dem GG vereinbar sind, soweit (Entlassungs-)Entschädigungen, die nach Beschlussfassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) und vor Zuleitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum StEntlG 1999/2000/ 2002 an den Bundesrat (20. November 1998) vereinbart und nach dem 31. Dezember 1998 ausgezahlt wurden, mit einer höheren Einkommensteuer belegt werden als nach dem im Zeitpunkt der Vereinbarung der Entschädigung geltenden Einkommensteuerrecht; bejahendenfalls, ob dies auch gilt, soweit nach diesen Vorschriften Entschädigungen erfasst werden, die im Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 bereits dem Steuerpflichtigen zugeflossen waren.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; EStG §§ 34, 39b Abs. 3 S. 9, § 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 47; StEntlG 1999/2000/2002
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
A. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Arbeitnehmer. Sein Arbeitsverhältnis wurde auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Aufhebungsvereinbarung vom 24. Juli 1998 zum 31. März 1999 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 274 109 DM beendet. Die Abfindung ―abzüglich der für den steuerpflichtigen Teil einbehaltenen Lohnsteuer in Höhe des halben Steuersatzes sowie des Solidaritätszuschlags― floss dem Kläger am 30. März 1999 zu.
Nach In-Kraft-Treten des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, verkündet am 31. März 1999 (BGBl I 1999, 402), im Folgenden Einkommensteuergesetz neuer Fassung ―EStG n.F.―, erstattete der vormalige Arbeitgeber des Klägers dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Betriebsstätten-Finanzamt ―FA―) Anzeige über nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug nach § 38 Abs. 4 und § 41c Abs. 4 EStG n.F. Das FA erließ daraufhin am 9. November 1999 gegenüber dem Kläger einen Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) für 1999 in Höhe von 10 686,09 DM. Die Steuererhöhung folge aus der rückwirkenden Änderung des Einkommensteuergesetzes zum 1. Januar 1999.
Der Kläger legte gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein. Er habe der Aufhebungsvereinbarung vom 24. Juli 1998 nur zugestimmt, weil nach damals geltender Gesetzeslage die Abfindung nur mit dem halben Steuersatz zu versteuern gewesen sei. Das FA wies den Einspruch zurück. Der Kläger habe auf den Fortbestand der im Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden Rechtslage nicht vertrauen dürfen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es sei unerheblich, ob die Einführung der sog. Fünftel-Regelung in § 34 EStG n.F. verfassungswidrig sei. Keinesfalls könne sich der Kläger auf eine Verfassungswidrigkeit berufen. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor Gesetzesänderungen. Die steuerliche Behandlung der Entlassungsentschädigung sei auch nicht ausdrücklich Gegenstand der Aufhebungsvereinbarung gewesen. Im Übrigen sei der erste Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002 bereits im November 1998 bekannt geworden. Der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Arbeitgeber ein Vorziehen der Auszahlung vereinbaren können.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verfassungswidrigkeit der Änderung des Steuertarifs (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F.), soweit hiervon bereits abgeschlossene Verträge erfasst würden. Es liege eine echte, grundsätzlich unzulässige Rückwirkung vor, wenn das Gesetz ―wie im Streitfall― an abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ungünstigere Rechtsfolgen knüpfe (Urteil des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261). In jedem Fall sei abzuwägen zwischen der Planungssicherheit des auf ein Fortgelten des Gesetzes vertrauenden Steuerpflichtigen und dem gesetzgeberischen Änderungsinteresse. Das Rechtsstaatsprinzip fordere eine besondere Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Sachverhalts nachträglich belastend ändere (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67).
Die Interessenabwägung falle im Streitfall zugunsten des Klägers aus. Der Kläger habe bereits 1998 dadurch wirtschaftlich disponiert, dass er eine Auszahlung der Abfindung im Jahr 1999 vereinbart habe. Er habe diese Disposition im Vertrauen auf die zum Dispositionszeitpunkt gültige und für ihn günstige Gesetzeslage getroffen. Mit der Gesetzesänderung habe er nicht rechnen können. Hätte er dies getan, so hätte er zumindest die Auszahlung auf 1998 vorgezogen. Der Gesetzgeber hätte für einen schonenden Übergang sorgen müssen. Ein überwiegend gesetzgeberisches Interesse daran, rückwirkend auch die 1998 vereinbarten Abfindungszahlungen anstelle des halben Steuersatzes der Fünftel-Regelung zu unterwerfen, sei nicht feststellbar.
Unerheblich sei, dass Ende 1998 ein erster Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002 vorgelegen habe. Zudem zerstörten nicht Gesetzesinitiativen und die Berichterstattung über sie, sondern erst der Bundestagsbeschluss den Vertrauensschutz. Dies gelte hier in besonderem Maße, da der ursprüngliche Gesetzentwurf bis zur Verabschiedung zu ca. 3/4 geändert worden sei (BTDrucks 14/5587). Bis zuletzt unklar geblieben sei auch, aus welchen Gründen nur für die Abfindungsregelung nach § 3 Nr. 9 EStG eine Übergangsregelung geschaffen worden sei (§ 52 Abs. 5 EStG n.F.).
Verfassungswidrig sei zudem auch die unterschiedliche Behandlung von Entschädigungen einerseits (§ 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG n.F.) und Veräußerungs- und Aufgabegewinnen andererseits (§ 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Steuersenkungsgesetzes ―StSenkErgG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1812).
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG und den Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und nachzuforderndem Solidaritätszuschlag vom 9. November 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Rückwirkende Steueränderungen im laufenden Veranlagungszeitraum seien nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zulässig, weil der Steueranspruch bei periodischen Steuern erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres entstehe. Das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand einer günstigen steuerrechtlichen Regelung werde nicht geschützt. Im Übrigen habe der Kläger spätestens mit der Einbringung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD/Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag am 9. November 1998 mit einer Gesetzesänderung rechnen müssen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung würde in Anbetracht des klaren und unstreitigen Sachverhalts sowie der Bindung des FA an das geltende Gesetz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ―GG―) zu einer sachlich nicht gebotenen Prozessverzögerung führen.
Entscheidungsgründe
B. Auf Grund der vom Senat bejahten Verfassungswidrigkeit der Anwendung der § 39b Abs. 3 Satz 9, § 34 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 47 EStG n.F. auf die vom Kläger bezogene Entlassungsentschädigung ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.
I. Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 39b Abs. 3 Satz 9 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG n.F.
Auf der Grundlage des ab 1. Januar 1999 geltenden Einkommensteuerrechts ―seine Verfassungsmäßigkeit unterstellt― hat das FG zutreffend entschieden. Der angefochtene Steuerbescheid wäre rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Lohnsteuernachforderungsbescheids ist § 41c Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 39b Abs. 3 Satz 9 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG n.F.
Gemäß § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. hat das (Betriebsstätten-)FA die zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn der nachzufordernde Betrag ―wie im Streitfall― 20 DM (heute: 10 t) übersteigt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Streitfall erfüllt. Auf Grund rückwirkender Änderung des für Entschädigungen anzuwendenden (besonderen) Steuertarifs durch das StEntlG 1999/2000/2002 hatte der Arbeitgeber des Klägers gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung (hier: am 30. März 1999) zu wenig Lohnsteuer einbehalten, d.h. erhoben.
Die vom Arbeitgeber des Klägers auf die Abfindung einbehaltene Lohnsteuer entspricht nicht § 39b Abs. 3 Satz 9 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG n.F.
a) Die dem Kläger im Jahr 1999 zugeflossene Abfindung ist als Entschädigung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (sonstiger Bezug) zu besteuern.
Eine Entschädigung liegt vor, wenn eine Zahlung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet wird und der Steuerpflichtige bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Letzteres ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn ein Arbeitnehmer bei drohender Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber der Aufhebung des Arbeitsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung zustimmt (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. November 1991 XI R 7/90, BFH/NV 1992, 305; vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFHE 197, 522, BFH/NV 2002, 717; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 24 EStG Anm. 41, m.w.N.). Eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist allerdings nur dann tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787; Horn, a.a.O., § 34 EStG Anm. 53, m.w.N.). Da dem Kläger infolge der unstreitig vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses künftig Arbeitslohn entgeht und die Abfindung in der Form einer Einmalzahlung dem Kläger zusammengeballt im Kalenderjahr 1999 zugeflossen ist, liegt eine Entschädigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG und damit ein sonstiger, tarifbegünstigt zu besteuernder Bezug i.S. des § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n.F. vor (vgl. auch Horn, a.a.O., § 34 EStG Anm. 12; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 39b Rdnr. 3; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 18. Dezember 1998 IV A 5 -S 2290- 18/98, BStBl I 1998, 1512).
b) Die Höhe der Lohnsteuer bemisst sich nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezieht (Jahresarbeitslohn). Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sog. sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Die Lohnsteuer für sonstige Bezüge wird wie folgt berechnet:
Der Arbeitgeber hat zunächst den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ohne den sonstigen Bezug festzustellen (§ 39b Abs. 3 Satz 1 EStG n.F.) und anschließend die Jahreslohnsteuer für den maßgebenden Jahresarbeitslohn unter Einbeziehung des sonstigen Bezuges zu ermitteln (§ 39b Abs. 3 Satz 5 EStG n.F.). Der Unterschiedsbetrag zwischen den ermittelten Jahreslohnsteuerbeträgen ist die Lohnsteuer, die von dem sonstigen Bezug einzubehalten ist (§ 39b Abs. 3 Satz 7 EStG n.F.). Handelt es sich bei dem sonstigen Bezug um eine Entschädigung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, ist nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n.F. die Lohnsteuer in der Weise zu ermäßigen, dass der sonstige Bezug bei Anwendung des § 39b Abs. 3 Satz 5 EStG n.F. mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag i.S. des § 39b Abs. 3 Satz 7 EStG n.F. zu verfünffachen ist. Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. ist diese "Fünftel-Regelung" erstmals auf sonstige Bezüge anzuwenden, die dem Steuerpflichtigen nach dem 31. Dezember 1998 zufließen.
c) Dem entsprach die vom Arbeitgeber des Klägers einbehaltene Lohnsteuer nicht, weil er die auf die Entschädigung entfallende Lohnsteuer auf der Grundlage des bei Entstehung der Lohnsteuer, d.h. im Zeitpunkt der Lohnzahlung (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG) noch geltenden § 39b Abs. 3 Satz 10 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG a.F. berechnet hatte. Anders als § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n.F. sah die Vorgängervorschrift für steuerpflichtige Entschädigungen ―soweit sie wie im Streitfall 15 Mio. DM im Kalenderjahr nicht überstiegen― vor, dass die nach § 39b Abs. 3 Satz 7 EStG für den Unterschiedsbetrag zwischen den Lohnsteuerbeträgen mit und ohne Entschädigung nur zur Hälfte einzubehalten war (sog. halber Steuersatz). Die rückwirkende Gesetzesänderung führt im Streitfall zu einer höheren Steuer von 10 686,09 DM.
2. Eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Bestimmungen über den Lohnsteuerabzug zur Vermeidung ihrer rückwirkenden Anwendung ist nicht möglich.
Lässt eine Norm unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck und Gesetzeszusammenhang mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, ist diejenige Auslegung geboten, die mit dem GG in Einklang steht. Wortlaut und Gesetzeszweck ziehen einer verfassungskonformen Auslegung aber zugleich Grenzen. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut und Zweck der anzuwendenden Normen sowie dem Gesetzeszusammenhang nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch eine verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde (Beschluss des BVerfG vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 93, m.w.N.). Eine verfassungskonforme Auslegung scheitert im Streitfall an der ausdrücklich vom Gesetzgeber angeordneten Rückwirkung, dem möglichen Wortsinn der entscheidungserheblichen Vorschriften und dem sachlich-systematischen Zusammenhang zwischen Lohnsteuererhebungs- und Einkommensteuerveranlagungsverfahren.
a) Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. ist das EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 für den Steuerabzug vom Arbeitslohn auf solche sonstigen Bezüge anzuwenden, die dem Steuerpflichtigen nach dem 31. Dezember 1998 zufließen. Der klare Wortlaut, insbesondere die eindeutigen Zeitvorgaben, verbieten es, die in der Anwendungsnorm festgelegte Rückwirkung für eine im Jahr 1998 vereinbarte, erst 1999 zufließende Entschädigung unbeachtet zu lassen.
b) Dagegen spricht zudem die zeitgleich eingefügte Ergänzung des § 41c Abs. 1 Nr. 2 EStG n.F. durch Halbsatz 2. Danach ist der Arbeitgeber auch bei rückwirkender Gesetzesänderung berechtigt, bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung bisher noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten. Macht er hiervon keinen Gebrauch oder kann er die Lohnsteuer nicht mehr nachträglich einbehalten, so hat er dies nach § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. dem Betriebsstätten-FA unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachzufordern (§ 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F.). Aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen dem Lohnsteuereinbehalt durch den Arbeitgeber und der Lohnsteuernachforderung beim Arbeitnehmer bei zu geringem Einbehalt ist daher auch eine auf Grund der bei Entstehung der Lohnsteuer geltenden Gesetzeslage zutreffend einbehaltene Lohnsteuer, die durch rückwirkende Gesetzesänderung erhöht wird, als "zu wenig erhoben" anzusehen und vom Arbeitnehmer nachzufordern.
c) Auch § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n.F. ist einer anderen, als wortgetreuen Auslegung nicht zugänglich. Die in der Norm vorgesehene Besteuerung von Entschädigungen nach der Fünftel-Regelung verbietet es, den für Zahlungen bis 31. Dezember 1998 geltenden halben Steuersatz anzuwenden. Das ergibt sich auch aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 34 Abs. 1 EStG n.F., der die gesetzgeberische Leitentscheidung zur ermäßigten Besteuerung von Entschädigungen enthält (vgl. BTDrucks 14/23, S. 183 zu Nr. 33 und S. 184 zu Nr. 40 hier: Abs. 2). § 34 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 47 EStG n.F. sieht gleichermaßen ab dem Kalenderjahr 1999 die Fünftel-Regelung vor. Die Anwendung des durchschnittlichen halben Steuersatzes überschritte den möglichen Wortsinn der § 39b Abs. 3 Satz 9 und § 34 EStG n.F.
d) Einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich wäre allenfalls der Wortlaut des § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. Die Frage, ob "zuwenig" Lohnsteuer erhoben wurde, könnte nach der Gesetzeslage im Zeitpunkt des Zuflusses der Entschädigung, in dem die Lohnsteuer entsteht (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG), beantwortet werden. Danach wäre im Streitfall die Lohnsteuer am 30. März 1999 zutreffend ―mit dem halben Steuersatz― erhoben worden. Eine isolierte verfassungskonforme Auslegung des § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. würde jedoch seinem systematischen Zusammenhang zu § 41c Abs. 1 EStG n.F.(oben B. I. 2. b), ihrem Zweck bzw. der Bedeutung des Lohnsteuererhebungsverfahrens insgesamt widersprechen.
Die Lohnsteuer ist, so wie sie im geltenden Recht ausgestaltet ist, eine in einem besonderen Vorauszahlungsverfahren erhobene Einkommensteuer. Materiell-rechtlich handelt es sich bei Lohn- und Einkommensteuer nicht um verschiedene Steuerarten, sondern um ein und dieselbe Steuer (vgl. z.B. § 38 Abs. 1, § 38a Abs. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG; BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166, 168; Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 38 Rdnr. 1). Dementsprechend wird die Jahreslohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn so bemessen, dass sie der Einkommensteuer entspricht, die der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (§ 38a Abs. 2 EStG). Diese kongruente Besteuerung der Entschädigung als sonstiger Bezug im Lohnsteuerverfahren bzw. als außerordentliche Einkünfte im Veranlagungsverfahren wahrt § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG n.F. durch den ausdrücklichen Bezug auf den für Entschädigungen im Einkommensteuerveranlagungsverfahren anzuwendenden § 34 Abs. 1 EStG n.F. und die durch § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG n.F. in diesem Fall vorgeschriebene Einkommensteuerveranlagung. Eine von § 34 EStG n.F. abweichende Auslegung des § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. würde dieser materiell-rechtlichen Verknüpfung widersprechen.
3. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) liegen nicht vor (vgl. zur Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass z.B. BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1220/93, BVerfGE 99, 268, m.w.N.).
Eine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 163 AO 1977 liegt vor, wenn die Festsetzung der Steuer zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwider läuft, dass die Festsetzung der Steuer unbillig erscheint, wenn also nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt (ständige Rechtsprechung, vgl. Nachweise z.B. Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 163 Rz. 32, 51; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 227 AO 1977 Tz. 40). Das einfache Recht eröffnet keine Möglichkeit, die bewusst vom Gesetzgeber mit der rückwirkenden Ersetzung des halben Steuersatzes durch die Fünftel-Regelung in Kauf genommenen Härten für entlassene Arbeitnehmer zu korrigieren. Zudem könnte einer Verpflichtung zur Billigkeitsmaßnahme ―anders als unter der Geltung des § 131 der Reichsabgabenordnung― nicht in diesem Verfahren entsprochen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178, unter 2., m.w.N.).
II. Verfassungsrechtliche Beurteilung
Nach Überzeugung des vorlegenden Senats verstoßen die Regelungen in § 39b Abs. 3 Satz 9, § 34 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 47 EStG n.F. jedenfalls insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. dem Grundsatz der Handlungsfreiheit (Art. 2 GG), als sie Entschädigungen erfassen, die nach dem Beschluss des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UntStRFogG) durch den Deutschen Bundestag am 5. August 1997 und vor Zuleitung des Regierungsentwurfs zum StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbart und im Veranlagungszeitraum 1999 ausbezahlt wurden.
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Normen zu unterscheiden zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung. Erstere liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitpunkt eintreten, ist grundsätzlich unzulässig bzw. nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zu rechtfertigen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67). Demgegenüber betrifft eine unechte Rückwirkung nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach der Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind. Die unechte Rückwirkung unterliegt weniger strengen Beschränkungen als die echte (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67).
b) Danach liegt hier eine sog. unechte Rückwirkung vor. Für die Erhöhung der Einkommensteuer unter tatbestandlicher Rückanknüpfung gelten nach herkömmlicher Rechtsprechung des BVerfG die Grundsätze für eine unechte Rückwirkung, da diese erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes (hier: 31. Dezember 1999) entsteht (§ 36 Abs. 1 EStG; vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, unter C. II. 2. b; im Ergebnis ebenso BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2002, 831). Die Verfassungswidrigkeit materiell-rechtlicher Vorschriften des Lohnsteuerrechts ist nach den gleichen Grundsätzen wie im Einkommensteuerveranlagungsverfahren zu beurteilen, da ―wie unter B. I. 2. d bereits dargelegt― die Lohnsteuer nur eine in besonderer Form erhobene Einkommensteuer ist. Auf diese Weise wird auch die erneute Vorlage nach Art. 100 GG im Einkommensteuerveranlagungsverfahren vermieden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26. März 2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545, BStBl II 2002, 823).
2. Vor dem Rechtsstaatsprinzip des GG bedarf es ―auch bei einer unechten Rückwirkung (BVerfGE 97, 67, 78)― einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer Grundbedingung freiheitlicher Verfassung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seiner Disposition ausgehen durfte. Belastende Steuergesetze ―dazu gehören auch solche, die eine Vergünstigung einschränken oder aufheben― dürfen ihre Wirksamkeit daher grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken oder schutzwürdiges Vertrauen ohne hinreichende Rechtfertigung anderweitig enttäuschen. Die Annahme, jede Erhöhung der Einkommensteuer sei bis zu deren Entstehen i.S. des § 36 Abs. 1 EStG, d.h. bis zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres/Veranlagungszeitraums verfassungsrechtlich zulässig, findet zumindest in der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG keine Stütze (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831; vgl. BVerfGE 97, 67, unter C. I. 2.; Kirchhof, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 2000, 221/3; ders. StuW 2002, 185, 196 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2001, Bd. 1, S. 157 Fn. 170; Arndt/Schumacher, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1998, 1538).
Andererseits ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht grundsätzlich daran gehindert, die steuerrechtlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden, von schützenswertem Vertrauen getragenen Verhaltens für die Zukunft zu verschärfen und auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Änderung des Normenwerks zu reagieren. Steuerpflichtige sind daher in ihrer Erwartung des Fortbestehens einer Steuerbegünstigung grundsätzlich nicht geschützt. Gesetze dürfen allerdings nicht ohne sachlichen Grund geändert werden und sich nicht über höher zu gewichtendes schutzwürdiges Vertrauen hinwegsetzen. Die vom Gesetzgeber zu beachtenden Grenzen ergeben sich aus der Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Beeinträchtigung der geschützten Grundrechtspositionen des Einzelnen einerseits (insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 96, 67) und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits. Gesetze, auf die ein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen gegründet wird, dürfen nicht ohne besondere und überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses rückwirkend geändert werden. Steuergesetze greifen in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein. Die Verschärfung der steuerlichen Belastung ist daher jedenfalls am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618).
3. Ein besonderes und überwiegendes öffentliches Interesse an der rückwirkenden Einschränkung der Steuerbegünstigung für Entschädigungen ist jedenfalls in solchen Fällen nicht gegeben, in denen die Entschädigung nach dem Beschluss des UntStRFogG am 5. August 1997 und vor Zuleitung des Regierungsentwurfs des StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat vereinbart wurde.
a) Maßgeblich für die Beurteilung des Vertrauenstatbestandes ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung.
aa) Mit Unterzeichnung der Vereinbarung am 24. Juli 1998 disponierte der Kläger in mehrfacher Hinsicht: Er stimmte der Beendigung seines ―ungekündigten― Arbeitsverhältnisses zu, vereinbarte als maßgeblichen Stichtag dafür den 31. März 1999 und erklärte sein Einverständnis zu Höhe und Zuflusszeitpunkt der Entlassungsentschädigung. Der 24. Juli 1998 ist im verfassungsrechtlichen Sinne der Zeitpunkt der Disposition (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831; Tipke, a.a.O., Bd. 1, S. 156, und Kirchhof, StuW 2002, 185, 196 f.).
Da der 1998 auf Entschädigungen anzuwendende Steuersatz nach § 34 Abs. 1 bzw. § 39b Abs. 3 Satz 10 EStG a.F., verglichen mit der auf den laufend zufließenden Arbeitslohn lastenden Steuer günstiger war, ist typischerweise davon auszugehen, dass die Höhe der zu erwartenden Tarifbegünstigung das Abfindungsangebot des Arbeitgebers beeinflusst hat. Dementsprechend hat der Kläger vorgetragen, dass er sich in Kenntnis der späteren Gesetzesänderung nicht mit der angebotenen Abfindung einverstanden erklärt hätte bzw. auf einer Auszahlung im Jahr 1998 bestanden hätte.
bb) Für den Kläger besteht keine Ausgleichsmöglichkeit nach den zivilrechtlichen Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Die steuerrechtlichen Folgen des zusammengeballten Zuflusses von Arbeitslohn in Form einer Entschädigung waren nicht Gegenstand der vertraglichen Absprachen. Erwartungen hinsichtlich der künftigen Steuerlast werden nur dann zur Geschäftsgrundlage, wenn sie in den dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen beider Parteien aufgenommen werden. Selbst wenn der Kläger seine steuerlichen Erwartungen seinem (damaligen) Arbeitgeber mitgeteilt haben sollte, reicht dies nicht für eine Nachforderung oder ein Vorziehen der Auszahlung der Abfindung aus. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben als bloße Kenntnisnahme oder als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in den gemeinsamen Geschäftswillen zu werten ist. Dabei wird ―insbesondere in Anbetracht der häufigen Gesetzes- bzw. Rechtsprechungsänderungen im Steuerrecht― zivilrechtlich im Zweifel eine Aufnahme der künftigen steuerlichen Erwartungen in die Geschäftsgrundlage verneint (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., § 242 Rdnrn. 116, 117, 150; Roth, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2001, § 242 Rdnr. 728; Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 1995, § 242 Rdnr. 1268; Urteil des Bundesgerichtshofes ―BGH― vom 18. November 1985 II ZR 51/85, NJW-RR 1986, 708; Oberlandesgericht ―OLG― Hamm, Urteil vom 15. Mai 1992 25 U 186/91, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 657, im Ergebnis bestätigt durch BGH-Beschluss vom 8. Februar 1993 II ZR 134/92, DStR 1993, 657, m.Anm. von Goette; OLG Celle, Urteil vom 3. November 1999 2 U 280/98, OLG R-Celle 2000, 31). Dies gilt umso mehr, als ein Arbeitgeber ―insbesondere bei einer Mehrzahl von Entlassungen anlässlich von Abteilungs- oder Betriebsschließungen― seine Abfindungsangebote unter Berücksichtigung seiner Gesamtbelastung und des Zeitpunktes ihrer Auszahlung kalkuliert.
b) Im Zeitpunkt der Vereinbarung der Entschädigung war das Vertrauen des Klägers durch gesetzgeberische Maßnahmen in besonderem Maße verstärkt.
aa) Nach dem im Zeitpunkt der Disposition geltenden Recht waren Entschädigungen mit dem halben Steuersatz bzw. der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes zu besteuern (§ 39b Abs. 3 Satz 10 bzw. § 34 Abs. 1 EStG a.F.). Zwar können sich Steuerpflichtige bei unbefristeten und über Jahrzehnte wirkenden Steuervergünstigungen im Allgemeinen nicht darauf berufen, dass diese nicht zu ihren Lasten verändert werden dürfen. Dies gilt insbesondere für Steuerrechtsnormen, die ihren originären Zweck in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr erfüllen und zu einer unter dem Gesichtspunkt steuerlicher Belastungsgleichheit nicht mehr zu rechtfertigenden Bevorzugung bestimmter Gruppen von Steuerpflichtigen führen (BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831). Mit der Änderung des Steuertarifs für außerordentliche Einkünfte wie Entschädigungen mussten die Steuerpflichtigen zumindest ab dem Beschluss des Bundestages zum UntStRFogG und bis zur Zuleitung des Regierungsentwurfs für das StEntlG 1999/2000/ 2002 an den Bundesrat auf Grund eines durch den Gesetzgeber selbst geschaffenen besonderen Vertrauenstatbestandes aber nicht rechnen. Der Gesetzgeber hatte erst in dem UntStRFogG die Besteuerung dieser Einkünfte befristet für die Zeit vom 1. August 1997 bis einschließlich namentlich 2001 geregelt. Obgleich ihm die Fehlentwicklung der Tarifbegünstigung seit Jahren bekannt war, hatte er sich zumindest für den genannten Zeitraum ausdrücklich gegen eine methodische Umgestaltung und gegen eine vollständige Abschöpfung der überschießend begünstigenden Wirkung der Tarifnorm entschieden. Dies ergibt sich aus der Gesetzesgeschichte:
Die Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte dient ―jedenfalls herkömmlicherweise (vgl. aber auch unten c cc)― dem Ausgleich von Progressionsnachteilen, die sich ergeben können, wenn Einkünfte, die wirtschaftlich Ertrag mehrerer Veranlagungszeiträume sind, dem Steuerpflichtigen zusammengeballt in einem Kalenderjahr bzw. Veranlagungszeitraum zufließen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 13/97, BFHE 183, 535, BStBl II 1997, 753, m.w.N.; Schmidt/Seeger, a.a.O., § 34 Rz. 1, 2; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 34 EStG Rz. 3). Sie betrug im Grundsatz seit 1965 die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes (vgl. § 34 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes ―StÄndG― vom 14. Mai 1965, BGBl I 1965, 377; § 39b Abs. 3 Satz 11 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes ―StBereinG― 1985 vom 14. Dezember 1984, BGBl I 1984, 1493). Mit der allgemeinen Preis- und Gehaltssteigerung entwickelte sich § 34 EStG bzw. § 39b Abs. 3 Satz 10 EStG a.F. zu einer Begünstigungsnorm für solche Steuerpflichtige, die bereits auf Grund hoher regelmäßiger Einkünfte dem Spitzensteuersatz unterlagen. Für diesen Personenkreis führt der zusätzliche Zufluss außerordentlicher Einkünfte zu keinem Progressionssprung mehr, der auszugleichen wäre. Diese Rechtsfolge entsprach nicht mehr dem von der Tarifbegünstigung verfolgten originären Zweck (BTDrucks 14/23; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 34 EStG Rz. 3). Dies war seit Jahren bekannt (vgl. z.B. Juchum, Der Betrieb ―DB― 2000, 343; BRDrucks 100/88, S. 284).
Im Anschluss an das letztlich insoweit nicht in Kraft getretene Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (StRG 1990uaÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1989, 1267) die Höhe der tarifbegünstigten Einkünfte auf 30 Mio. DM begrenzt (vgl. § 39b Abs. 3 Satz 10, § 34 Abs. 1 EStG 1990). Da trotz dieser Einschränkung ein überschießender Begünstigungseffekt verblieb, schlug die damalige Bundesregierung ―im Anschluss an die Petersberger Steuervorschläge vom 22. Januar 1997― im Entwurf des Steuerreformgesetzes 1999, der in den Deutschen Bundestag am 22. April 1997 eingebracht wurde, eine dem jetzt geltenden Gesetz entsprechende Fünftel-Regelung vor (BTDrucks 13/7480, § 61 StRG 1999-E). Diesem Vorschlag folgte der Gesetzgeber nicht, sondern beschloss gemäß Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG am 5. August 1997 im UntStRFogG folgende Regelungen:
- Ab 1. August 1997 wurde die Höchstgrenze zur Anwendung der Tarifbegünstigung auf 15 Mio. DM herabgesetzt. Bis zu dieser Höhe blieb der halbe Steuersatz anwendbar (§ 39b Abs. 3 Satz 10, § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des UntStRFogG).
- Dies galt nach ausdrücklicher Regelung in § 52 Abs. 24a Nr. 1 EStG i.d.F. des UntStRFogG auch für die Kalenderjahre 1998 bis 2000. Dem entsprach § 39b Abs. 3 Satz 10 EStG i.d.F. des UntStRFogG für Entschädigungen, die in den Kalenderjahren 1998 bis 2000 zuflossen.
- Für den Veranlagungszeitraum 2001 und folgende Veranlagungszeiträume wurde der Höchstbetrag auf 10 Mio. DM abgesenkt. Bis zu diesem Höchstbetrag war auf Entschädigungen weiterhin der halbe Steuersatz anzuwenden (§ 52 Abs. 24a Nr. 2 bzw. § 52 Abs. 28b Satz 3 EStG i.d.F. des UntStRFogG).
Im Zeitpunkt der hier maßgeblichen Disposition (24. Juli 1998) stand folglich die künftige Besteuerung von Entschädigungen zumindest für das Streitjahr 1999 im Grundsatz fest. Der Gesetzgeber selbst hatte ―insbesondere nachdem er den Vorschlag der Bundesregierung im Steuerreformgesetz 1999 nicht normativ umgesetzt hatte― durch eine zeitlich abgestufte Regelung in § 52 Abs. 24a, 28b EStG i.d.F. des UntStRFogG einen besonders schützenswerten Vertrauenstatbestand für das Kalenderjahr 1999 geschaffen (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 15. Mai 2000 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20/96, 18/97, BVerfGE 102, 68, 97; Kirchhof, StuW 2002, 185, 198). Es kann dahin stehen, ob die Steuerpflichtigen in Anbetracht der wiederholten Absenkung der Höchstbeträge mit einer weiteren Reduzierung der Grenzen rechnen mussten; für den Kläger wie für die Mehrzahl der Steuerpflichtigen, deren Entlassungsentschädigungen typischerweise weit unter dem für 1999 festgelegten Höchstbetrag von 15 Mio. DM liegen (vgl. auch § 10 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes ―KSchG―), bestand jedenfalls kein Anlass, an der begünstigten Besteuerung mit dem halben Steuersatz zu zweifeln.
bb) Dieser Vertrauenstatbestand wird im Streitfall nicht durch den sog. Ankündigungseffekt geschmälert (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 97, 67; vom 29. Oktober 1999 1 BvR 1996/97, Zeitschrift für offene Vermögensfragen ―ZOV― 2000, 24). Mit einer Gesetzesänderung war im Zeitpunkt der Disposition nicht zu rechnen. Die Änderung wurde erst nach der Bundestagswahl und dem damit verbundenen Regierungswechsel in Aussicht genommen (Fraktionsentwurf der Regierungsparteien vom 9. November 1998, BTDrucks 14/23; Gesetzentwurf der Bundesregierung, zugeleitet dem Bundesrat am 20. November 1998; vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFH/NV 2002, 1671).
c) Bei der gebotenen Abwägung hat im Hinblick auf den vom Gesetzgeber selbst geschaffenen besonderen Vertrauenstatbestand im Streitfall das Gemeinwohlinteresse an der (rückwirkenden) Änderung der Besteuerung von Entschädigungen zurückzutreten. Anderenfalls wäre der auch im Einkommensteuerrecht im Grundsatz anerkannte, rechtsstaatliche Vertrauensschutz in verfassungsrechtlich unerträglichem Ausmaß ausgehöhlt (vgl. hierzu auch Tipke, a.a.O., S. 154, m.w.N.).
aa) Die Tarifänderung für Entschädigungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 war sachgerecht, wenn nicht sogar geboten, weil die ursprüngliche Regelung ―wie dargestellt― bei Beziehern hoher regulärer Einkünfte zu einer weit über den originären Normzweck hinausgehenden Steuerbegünstigung führte (Gesetzesbegründung BRDrucks 910/98, S. 183). Aus Gründen der vertikalen Belastungsgleichheit konnte der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsermessens die Tarifermäßigung zweckorientiert strukturell umgestalten. Insbesondere war er nicht gezwungen, die bisher gewählte Methode zur Eindämmung der überschießenden Begünstigungstendenz, die Herabsetzung der Höchstbeträge, fortzuführen.
bb) Ein besonderes und den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz des Klägers überwiegendes Gemeinwohlinteresse an der (rückwirkenden) Gesetzesänderung bestand nicht. Weder hatten sich die sozialen Gegebenheiten seit In-Kraft-Treten des UntStRFogG verändert, noch hatte der Gesetzgeber ein dringliches Interesse an einer zweckorientierten Neugestaltung der Progressionsglättung erkennen lassen.
Er hat mit der Wahl des halben Steuersatzes die Ursache für eine den Gesetzeszweck überschreitende Begünstigung nicht nur selbst gesetzt, sondern hat daran über Jahre in Kenntnis der zweckwidrigen Begünstigung der Bezieher hoher Einkünfte festgehalten (vgl. z.B. Jochum, DB 2000, 343; Gesetzesbegründung zum Steuerreformgesetz 1990, BRDrucks 100/88, S. 284). Die Gesetzesänderung im StRG 1990 ―Begrenzung auf 2 Mio. DM, im Übrigen 2/3-Regelung― hat er wieder aufgehoben und durch eine bloße Begrenzung auf 30 Mio. DM ersetzt (vgl. StRG 1990uaÄndG). Die Höchstbeträge, 30 Mio. DM bzw. 15 Mio. DM ab 1. August 1997 und 10 Mio. DM ab 2001 beließen einen begünstigenden Steuereffekt für Steuerpflichtige mit hohem "Normaleinkommen" (vgl. auch § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2002) und verdeutlichten, dass der Gesetzgeber selbst ein Gemeinwohlinteresse an einer umgehenden Gesetzeskorrektur für sämtliche Bezieher außerordentlicher Einkünfte nicht gesehen hat. Demgegenüber ist das grundrechtlich geschützte Individualinteresse der Steuerpflichtigen (vgl. z.B. BVerfGE 97, 67, unter C. I. 1., m.w.N.), die ―wie der Kläger― in Anbetracht der günstigen Tarifregelung der von ihren Arbeitgebern bei einvernehmlicher Vertragsauflösung angebotenen Abfindung zugestimmt haben, gewichtiger. Der Kläger, der im Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bereits 54 Jahre alt war und mit einer dauernden Arbeitslosigkeit rechnen musste (vgl. Ausführungen in der Aufhebungsvereinbarung vom 24. Juli 1998 zur Bewilligung von Arbeitslosenunterstützung), ist durch die zusätzliche Steuerlast von mehr als 10 000 DM erheblich betroffen.
cc) Die Bereinigung der zweckwidrigen Fehlentwicklung der Tarifnorm erweist sich insbesondere auch in Anbetracht der späteren Anfügung des § 34 Abs. 3 EStG durch das StSenkErgG nicht als vordringliches gesetzgeberisches Anliegen. Der Gesetzgeber hat für Veranlagungszeiträume ab 2001 aus Gründen der Altersvorsorge für aus dem Berufsleben ausscheidende Unternehmer neben der Erhöhung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) auf 100 000 DM (vgl. hierzu BTDrucks 14/3366) den halben Steuersatz in modifizierter Form für Veräußerungsgewinne bis 10 Mio. DM erneut eingeführt. Der originäre Normzweck der Progressionsglättung tritt damit wieder in den Hintergrund. Da der Freibetrag für Betriebsveräußerungsgewinne von 100 000 DM bereits 85 % aller Veräußerungsgewinne erfasst, nimmt die Wiedereinführung des halben Steuersatzes erneut die besondere Begünstigung vergleichsweise hoher Einkünfte in Kauf (vgl. BTDrucks 14/3366, S. 112; 14/4217).
dd) Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist für sich genommen kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger regelmäßig überwindendes Gemeinwohlinteresse, weil dieses Ziel durch jedes, auch durch sprunghaftes und willkürliches Besteuern erreicht würde. Hinzu treten muss eine nicht vorhergesehene und vorhersehbare Haushaltsbelastung (BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831). Zwar war durch die allgemeine Einkommensteuertarifsenkung durch das StEntlG 1999/2000/ 2002 (§ 32a Abs. 1 EStG n.F.) eine Finanzierungslücke entstanden, die u.a. durch die Tarifänderung für außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 EStG geschlossen werden sollte (vgl. insbesondere BTDrucks 14/23, S. 136/156). Diese Haushaltslücke war aber nicht unvorhersehbar, sondern vom Gesetzgeber bewusst und gewollt geplant. Insoweit unterscheidet sich die Sach- und Rechtslage erheblich von den bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fällen (z.B. BVerfGE 72, 200: Eindämmung der Steuerflucht; BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BStBl II 1973, 878: Eindämmung der überhitzten Konjunktur; BFH-Urteil vom 25. Juni 1992 IV R 9/92, BFHE 167, 551, BStBl II 1992, 702: Deckung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Lasten; ebenso BVerfG in HFR 2002, 831).
4. Die nach Überzeugung des Senats zu bejahende Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung verpflichtet ihn zur Vorlage, ohne dass es noch darauf ankommt, dass ―bezogen auf den Streitfall― das StEntlG 1999/2000/2002 nicht nur nach Ablauf des Kalenderjahres der Disposition, sondern zudem erst nach Zufluss der Entschädigung (30. März 1999), d.h. nach Vollendung des steuerrelevanten Sachverhalts verkündet und damit wirksam geworden ist. Sollte allerdings nach den für eine unechte Rückwirkung geltenden Grundsätzen diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, besäße dieser Gesichtspunkt zusätzliche verfassungsrechtliche Relevanz.
Nach ständiger Verfassungsrechtsprechung liegt im Allgemeinen eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (z.B. BVerfG-Beschluss vom 23. März 1971 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367). Für den Bereich der periodischen Steuern knüpft das BVerfG herkömmlicherweise hingegen nicht an den im Vertrauen auf die Gesetzeslage abschließend gestalteten Sachverhalt, sondern an den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gemäß § 36 Abs. 1 EStG an (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 200, 250, 252). Diese Schlechterstellung des Vertrauens des Steuerbürgers auf die im Zeitpunkt seiner steuerrelevanten Sachverhaltsverwirklichung geltende Rechtslage hat vielfach Kritik erfahren (z.B. Tipke, a.a.O., S. 156, m.w.N.; Kirchhof, StuW 2002, 185, 196/7/8; Spindler, DStR 1998, 953, m.w.N.). Ob das BVerfG dieser Kritik folgen wird, lässt sich weder der Entscheidung zu den Schiffsbausubventionen noch dem Beschluss zur Abschaffung der Steuerfreiheit von Zinsen auf Sozialpfandbriefen entnehmen. Erstere (BVerfGE 97, 67) ist nicht zu einem Einkommensteuerveranlagungsverfahren ergangen (vgl. aber auch Kirchhof, StuW 2000, 221; ders. in Festschrift für Kruse, 2001, S. 25/6; Tipke, a.a.O., S. 157 Fn. 170). Letztere (BVerfG-Beschluss in HFR 2002, 831) prüft ―ohne auf diese Problematik einzugehen― die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung nach den Grundsätzen einer unechten Rückwirkung. Der vorlegende Senat ist für den Fall einer Anwendung der Rechtsgrundsätze über die sog. echte Rückwirkung umso mehr von der Verfassungswidrigkeit der Änderung des Steuertarifs für die Entschädigung überzeugt. Ob diese Rechtsgrundsätze anzuwenden sind, wird ggf. das BVerfG klären. Die Frage gehört nicht zur Begründung der Vorlage (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Rz. 277, 296 ff.).
C. Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Gültigkeit des § 52 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 47 i.V.m. § 39b Abs. 3 Satz 9 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG n.F. ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). Die Vorlagefrage ist für den anhängigen Streitfall entscheidungserheblich.
1. Sollten § 39b Abs. 3 Satz 9, § 34 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 47 EStG n.F. insoweit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig und damit nichtig sein, als Entschädigungen, die nach dem 5. August 1997 und vor Zuleitung des Regierungsentwurfs zum StEntlG 1999/2000/2002 vereinbart und nach dem 31. Dezember 1998 ausbezahlt wurden, anstelle mit dem halben Steuersatz mit dem Fünffachen der auf ein Fünftel der Entschädigung entfallenden Steuern und damit höher besteuert werden, so wäre § 39b Abs. 3 Satz 10 EStG a.F. anzuwenden. Ggf. wäre eine mit § 52 Abs. 5 EStG n.F. oder § 52 Abs. 24a, 28b EStG i.d.F. des UntStRFogG korrespondierende entsprechende Übergangsregelung zu treffen, wobei es allerdings aus Gründen des Vertrauensschutzes auf den Zeitpunkt der Disposition, nicht des Zuflusses der Entschädigung ankäme (Kirchhof, Festschrift für Kruse, 2001, S. 25/6). In jedem Fall hätte der Arbeitgeber die Lohnsteuer zutreffend erhoben. Die Voraussetzungen für eine Nachforderung nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. lägen nicht vor.
2. Die Entscheidungserheblichkeit entfiele auch nicht, wenn für 1999 ein Einkommensteuerbescheid ergehen sollte. Nach Auskunft des Klägers ist ein solcher Bescheid noch nicht ergangen. Im Übrigen würde sich hierdurch aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbständigkeit des Lohnsteuererhebungsverfahrens die Hauptsache nicht erledigen (vgl. z.B. auch Thomas, DStR 1992, 896, 900).
Fundstellen
Haufe-Index 886056 |
BFH/NV 2003, 392 |
BStBl II 2003, 257 |
BFHE 2003, 560 |
BFHE 200, 560 |
BB 2003, 410 |
DB 2003, 422 |
DStR 2003, 283 |
DStRE 2003, 287 |
HFR 2003, 568 |