Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Begründungsfrist; Steuerberatungsrecht: Widerruf der Bestellung wegen Vermögensverfalls
Leitsatz (NV)
1. Wird der Wiedereinsetzungsantrag mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, sind u.a. zur Glaubhaftmachung insbesondere das Fristenkontrollbuch und das Postausgangsbuch als präsente Beweismittel vorzulegen.
2. Die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der fehlenden Gefährdung von Auftraggeberinteressen obliegt dem in Vermögensverfall geratenen Steuerberater. Hierauf muss ein sachkundiger Kläger bzw. Prozessvertreter vom Gericht nicht ausdrücklich hingewiesen werden.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2, § 76 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 1; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 01.06.2006; Aktenzeichen 13 K 182/06) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) mit am 9. Juni 2006 zugestellten Urteil als unbegründet abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger fristgerecht Beschwerde erhoben, die jedoch erst mit einem am 7. September 2006 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist, nachdem der Kläger mit am 18. August 2006 zugestellten Schreiben des Gerichts darauf hingewiesen worden war, dass die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen war, ohne dass dem BFH bis dahin eine Begründung vorlag. Mit seinem daraufhin gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand macht der Kläger geltend, dass er wegen Erkrankung seines Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gestellt habe, den seine Mitarbeiterin am Nachmittag des 4. August 2006 durch Einwurf in den Briefkasten zur Post aufgegeben habe. Die Nichtzulassungsbeschwerde stützt der Kläger auf einen Verfahrensmangel, der darin zu sehen sei, dass das FG es unterlassen habe, ihn darauf hinzuweisen, dass er hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der ggf. fehlenden Gefährdung der Interessen der Auftraggeber von einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) versäumt hat und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) nicht gewährt werden kann.
Wird der Wiedereinsetzungsantrag mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im Einzelnen darzulegen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO), wann und von wem und in welcher Weise es zur Post aufgegeben wurde. Der Vortrag ist durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen. Dabei reicht die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit des Vortrags in der Regel nicht; vielmehr gehört zu den in Betracht kommenden objektiven Beweismitteln insbesondere die Eintragung einer Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung des fristwahrenden Schriftstücks in einem Postausgangsbuch und die Löschung der Frist auf der Grundlage der Eintragung im Postausgangsbuch. Werden diese Urkunden dem Gericht nicht als präsente Beweismittel vorgelegt, fehlt es regelmäßig an der erforderlichen Glaubhaftmachung (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002; vom 9. Februar 2005 X R 11/04, BFH/NV 2005, 1115, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall fehlt es an solchen präsenten Beweismitteln. Der Kläger hat erklärt, weder ein Fristenkontrollbuch noch ein Postausgangsbuch zu führen. Er hat damit die hinsichtlich der rechtzeitigen Absendung von Schriftstücken erforderliche Beweisvorsorge nicht getroffen.
Darüber hinaus wäre die Beschwerde auch im Fall einer Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, da der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, zur Erreichung des Prozessziels auf der Hand, so stellt ein unterlassener richterlicher Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten wird oder selbst sachkundig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 1997 VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693, m.w.N.). So liegt es im Streitfall, denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2006 VII B 188/05, BFH/NV 2006, 1522, m.w.N.) und musste dem Kläger als Steuerberater somit deutlich sein, dass aus dem aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ersichtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis ("es sei denn") folgt, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der fehlenden Gefährdung von Auftraggeberinteressen dem betroffenen Steuerberater obliegt.
Jedenfalls fehlt es an Darlegungen der Beschwerde, dass das angefochtene Urteil auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Beschwerde beschreibt nicht, was der Kläger im Fall eines richterlichen Hinweises auf die ihm obliegende Feststellungslast zu einer angeblich nicht bestehenden Gefährdung von Auftraggeberinteressen vorgetragen hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 1642130 |
BFH/NV 2007, 268 |