Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagepflicht zum EuGH; NZB: Darlegung der Klärungsfähigkeit, Sachaufklärungspflicht, Überraschungsentscheidung
Leitsatz (NV)
- Eine Rechtssache hat nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil ein FG unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht auszulegen hat und von der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH absieht.
- In der Begrenzung der Vorlagepflicht auf einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstattlichen Rechts anfechtbar sind, liegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
- Ein einzelstaatliches Gericht hat von Amts wegen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob eine Vorabentscheidung des EuGH zur Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen erforderlich ist. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben kein förmliches Antragsrecht auf Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens.
- An der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sich die Entscheidung des FG auf mehrere Gründe stützt und nur für einen Grund eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. In einem solchen Fall muss für jede Begründungsalternative ein Zulassungsgrund vorliegen, der jeweils in der Beschwerdebegründungsschrift darzulegen ist.
- Die schlüssige Verfahrensrüge, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert unter anderem einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste.
- Ein FG muss nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend mit den Beteiligten erörtern. Eine Überraschungsentscheidung liegt jedoch vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste.
Normenkette
EG Art. 234; ZKDV Art. 722 Abs. 5; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 93 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die ein gewerbliches Luftfahrtunternehmen für die Beförderung von Personen und Waren betreibt, ist Eigentümerin des Luftfahrzeugs Cessna …, das von ihrer Geschäftsleitung als Firmenflugzeug verwendet wird. Das Luftfahrzeug wurde am 25. November 1994 aus Kanada über Großbritannien in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. In dem Zeitraum vom 25. November 1994 bis zum 24. November 1995 wurde das Luftfahrzeug mehr als sechs Monate für Flüge innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft verwendet.
Das Hauptzollamt A, dessen Zuständigkeit insoweit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) übergegangen ist, setzte deshalb gegen die Klägerin mit Steuerbescheid vom 12. Juni 1998 unter anderem Zoll in Höhe von … DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Zollschuld sei nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) entstanden. Das Luftfahrzeug sei am 25. November 1994 formlos in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt worden. Die Klägerin habe gegen die aus Art. 722 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (Zollkodex-Durchführungsverordnung ―ZKDVO―) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) folgende Verpflichtung verstoßen, das Luftfahrzeug nach seiner einmaligen Verwendung im Zollgebiet der Gemeinschaft wieder auszuführen. Der Einsatz eines außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zugelassenen Luftfahrzeugs als Firmenflugzeug sei dann nicht mehr von der vorübergehenden Verwendung gedeckt, wenn es einen innergemeinschaftlichen Standort habe. Dies sei hier der Fall, weil das Luftfahrzeug eine Standzeit von 153 Tagen in X gehabt habe, auch wenn es innerhalb des fraglichen Zeitraums wiederholt aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sei und sich 85 Tage in Zypern aufgehalten habe. Das Luftfahrzeug sei zudem i.S. von Art. 722 Abs. 4 ZKDVO privat verwendet worden und entgegen Art. 722 Abs. 5 ZKDVO innerhalb von zwölf Monaten für die Dauer von mehr als sechs Monaten im Zollgebiet der Gemeinschaft verblieben. Eine private Verwendung eines Luftfahrzeugs sei anzunehmen, wenn es nicht gewerblich i.S. von Art. 670 Buchst. e ZKDVO verwendet werde, weil es weder zur Beförderung von Personen gegen Entgelt noch zur gewerblichen oder kommerziellen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt eingesetzt werde. Dabei sei unerheblich, dass die Klägerin mit der Verwendung des Luftfahrzeugs als Firmenflugzeug letztlich unternehmerische Zwecke verfolge. Bei der Neufassung des Begriffs der gewerblichen Verwendung in Art. 555 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 993/2001 (VO Nr. 993/2001) der Kommission vom 4. Mai 2001 (ABlEG Nr. L 141/1) handele es sich nicht nur um eine Klarstellung, sondern um eine erweiternde Regelung, die keine Rückschlüsse auf die bisherige Rechtslage zulasse. Soweit die Klägerin behaupte, das Luftfahrzeug an verschiedene konzernangehörige Gesellschaften verchartert zu haben, müsse der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt werden. Denn dann hätte die Klägerin gegen die aus Art. 719 ZKDVO folgende Pflicht verstoßen, das Luftfahrzeug nach der Einfuhr nicht zu anderen Zwecken als der unmittelbaren Wiederausfuhr zu vermieten, zu verleihen oder einem Dritten zur Verfügung zu stellen. Diese Bestimmung gelte sinngemäß für Luftfahrzeuge zum privaten Gebrauch.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Der Rechtsfrage, ob ein FG in Fällen der entscheidungserheblichen Auslegung unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechts durch eine Nichtzulassung der Revision die letztinstanzlich bestehende Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unterlaufen und damit eine einheitliche Rechtsprechung verhindern dürfe, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Es sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu der Frage anzurufen, ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei, dass ein erstinstanzliches Gericht durch die Nichtzulassung der Revision letztlich den Zugang der Beteiligten zum EuGH unterbinde. Ferner sei die Rechtsfrage grundsätzlich bedeutsam, ob die Nutzung von Geschäftsflugzeugen zu innergemeinschaftlichen Flügen eine Verletzung der Pflichten darstellen könne, die sich aus dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung ergäben. Nach der vom FG vertretenen Auffassung würden alle Verwendungen von in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführten Geschäftsflugzeugen zu innergemeinschaftlichen Flügen zur Entstehung von Einfuhrabgaben führen. Insoweit erfordere auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Das Urteil des FG beruhe des Weiteren auf mehreren Verfahrensmängeln. Das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, weil es nicht der Frage nachgegangen sei, ob sie das Luftfahrzeug erst nach der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verchartert habe. Sie habe mit Schriftsatz vom … August 2000 auf die Vercharterung und den damit verbundenen Wechsel der Bewilligungsinhaber hingewiesen. Hieraus habe sich unschwer ergeben, dass das Luftfahrzeug jeweils vor jeder Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verchartert worden sei, weil sich sonst der Bewilligungsinhaber nicht geändert hätte. Das FG habe zudem trotz sich aufdrängender Zweifel nicht aufgeklärt, ob die jeweilige Verwendung des Luftfahrzeugs zu Geschäftsreisen außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft und nicht von X aus begonnen habe. Dem FG sei bekannt gewesen, dass das Luftfahrzeug in ihrem Eigentum gestanden habe und sie als international tätige Konzerngesellschaft ihren Sitz in Zypern gehabt habe. Weiterhin sei dem FG bekannt gewesen, dass das Luftfahrzeug von in Zypern ansässigen konzernangehörigen Gesellschaften für Geschäftsreisen eingesetzt worden sei. Die Geschäftsreisen hätten jeweils in Zypern ihren Ausgangspunkt gehabt, so dass kein innergemeinschaftlicher Standort habe angenommen werden dürfen. Das FG habe überdies in der mündlichen Verhandlung nicht die entscheidungserhebliche Frage erörtert, ob eine innergemeinschaftliche unentgeltliche Beförderung von Personen mit einem Geschäftsflugzeug im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung zulässig sei. Des Weiteren habe das FG in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert, ob die Frage der Auslegung unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechts dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen sei. Das FG habe sie auch nicht auf die Möglichkeit hingewiesen, die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu den Fragen zu beantragen, ob die geschäftliche Verwendung eines Luftfahrzeugs als private Verwendung i.S. des Art. 722 Abs. 4 ZKDVO angesehen werden könne und ob die Neuregelung in Art. 555 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO i.d.F. der VO Nr. 993/2001 der Klarstellung diene.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der erforderlichen Weise dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedenfalls nicht klärungsbedürftig bzw. nicht klärungsfähig.
a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ein FG in Fällen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht durch eine Nichtzulassung der Revision die letztinstanzlich bestehende Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH unterlaufen dürfe, ist nicht klärungsbedürftig.
Nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) ist ein FG nicht zur Anrufung des EuGH verpflichtet, weil seine Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14. März 2002 V B 119/01, BFH/NV 2002, 1038, 1039; Senatsbeschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499, 1503). Nur letztinstanzlich entscheidende nationale Gerichte sind zur Vorlage an den EuGH als dem dazu berufenen gesetzlichen Richter i.S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet, wenn es um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht geht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Januar 2001 1 BvR 1036/99, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 1267, 1268). Diese Auffassung wird vom EuGH auch für den Fall geteilt, dass eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist, (vgl. Urteil vom 4. Juni 2002 Rs. C-99/00 ―Lyckeskog―, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2002, 945, insbesondere Abs. 16 und 17). In der Begrenzung der Vorlagepflicht auf einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts anfechtbar sind, liegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1038, 1039). Einer Vorlage an das BVerfG bedarf es daher nicht. Die Darlegung einer entscheidungserheblichen, klärbaren und klärungsbedürftigen Rechtsfrage in einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung eines FG in einem Rechtsstreit, in dem es wegen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf, eröffnet die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Andererseits liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schon dann vor, wenn ein FG unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht auszulegen hat und von der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH absieht. Denn auch ein letztinstanzlich entscheidendes Gericht ist nach Art. 234 EG nicht verpflichtet, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu ersuchen, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 ―C.I.L.F.I.T.―, EuGHE 1982, 3415 Rz. 16).
b) Die weiterhin von der Klägerin formulierte Frage, ob die Nutzung von Geschäftsflugzeugen zu innergemeinschaftlichen Flügen eine Verletzung der Pflichten darstellen kann, die sich aus dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung ergeben, wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
An der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sich die Entscheidung des FG auf mehrere Gründe stützt und nur für einen Grund eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. In einem solchen Fall muss für jede Begründungsalternative ein Zulassungsgrund vorliegen, der jeweils in der Beschwerdebegründungsschrift gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzutun ist.
Daran fehlt es im Streitfall. Das FG hat in seinem Urteil zwar darauf abgestellt, dass der Einsatz eines außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zugelassenen Luftfahrzeugs als Firmenflugzeug nach § 722 Abs. 2 ZKDVO dann nicht mehr von der vorübergehenden Verwendung gedeckt sei, wenn es einen innergemeinschaftlichen Standort habe, unabhängig davon, ob eine gewerbliche oder private Verwendung vorliege. Das FG hat indessen darüber hinaus einen Verstoß gegen die Bestimmung des Art. 722 Abs. 5 ZKDVO angenommen, wobei es von einer privaten Verwendung des Luftfahrzeugs der Klägerin in dem fraglichen Zeitraum ausgegangen ist. Zu dieser selbständigen Begründungsalternative in der Vorentscheidung hat die Klägerin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan.
c) Da die Klägerin zu dem Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufgezeigt hat, kommt auch unter diesem Gesichtspunkt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.
2. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind entweder nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt worden oder liegen nicht vor.
a) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen, ist ein entsprechender Verfahrensmangel jedenfalls nicht schlüssig dargelegt worden.
Die schlüssige Verfahrensrüge, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert unter anderem einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390; BFH-Beschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332). Hieran fehlt es hier.
aa) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 3. August 2000, in dem sie auf die Vercharterung und den damit verbundenen Wechsel der Bewilligungsinhaber hingewiesen hat, nicht hinreichend deutlich, dass das Luftfahrzeug jeweils vor der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verchartert worden ist. In diesem Schriftsatz hat die Klägerin die Rechtsansicht vertreten, allein schon die Vercharterung des Luftfahrzeugs habe zu einem Wechsel in der Person des Inhabers der Bewilligung der vorübergehenden Verwendung geführt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 722 Abs. 5 ZKDVO nicht vorlägen. Der nunmehr von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt, die Vercharterung des Luftfahrzeugs sei mit einer jeweils erneuten Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbunden gewesen, musste sich für das FG schon deshalb nicht aufdrängen, weil es im Hinblick auf die festgestellte Standzeit von 153 Tagen in X von einem innergemeinschaftlichen Standort ausgegangen ist.
bb) Die Klägerin hat ferner nicht schlüssig dargelegt, warum sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hinsichtlich der Frage hätte aufdrängen müssen, ob die jeweilige Verwendung des Luftfahrzeugs zu Geschäftsreisen außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft und nicht von X aus begonnen hat. Der Umstand, dass die Klägerin als international tätige Konzerngesellschaft ihren Sitz in Zypern hat und das in ihrem Eigentum stehende Luftfahrzeug von konzernangehörigen Gesellschaften, die ihren Sitz ebenfalls in Zypern haben, für Geschäftsreisen eingesetzt wurde, ließ noch keine Rückschlüsse darauf zu, dass auch die Geschäftsreisen jeweils von Zypern aus begannen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts musste sich für das FG auf Grund seiner materiell-rechtlichen Auffassung insbesondere deshalb nicht aufdrängen, weil es nach Art. 722 Abs. 5 ZKDVO unerheblich ist, ob der die Dauer von sechs Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten überschreitende Verbleib eines privat verwendeten Luftfahrzeugs im Zollgebiet der Gemeinschaft unterbrochen wurde oder nicht.
b) Anders als die Klägerin meint, liegt ein Verstoß gegen die aus § 93 Abs. 1 FGO folgende Verpflichtung des FG, die Streitsache in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern, nicht vor. Das Gericht muss nach der genannten Bestimmung nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend mit den Beteiligten erörtern. Das Gericht ist auch weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, 425, BStBl II 1998, 383, 384; vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, 979). Ein Hinweis auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn die Beteiligten fachkundig vertreten sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 978, 979; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2002 VII B 257/01, BFH/NV 2002, 1498, 1499). Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO liegt jedoch vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 978, 979; BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2000 I B 103/00, BFH/NV 2001, 631, 632). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe in der mündlichen Verhandlung nicht die Frage erörtert, ob eine innergemeinschaftliche unentgeltliche Beförderung von Personen mit einem Geschäftsflugzeug im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung zulässig sei, bedurfte es hierzu keiner weiteren rechtlichen Hinweise. Denn hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die sich im Streitfall offensichtlich stellte und mit deren Beantwortung durch das FG die fachkundig vertretene Klägerin rechnen musste. Vor dem Hintergrund des im Tatbestand des angefochtenen Urteils dargestellten Sach- und Streitstandes war dies eine naheliegende Rechtsfrage.
Das FG war auch nicht gehalten, die Frage näher zu erörtern, ob eine Vorabentscheidung des EuGH zu den Fragen einzuholen war, ob die geschäftliche Verwendung eines Luftfahrzeugs als private Verwendung i.S. des Art. 722 Abs. 4 ZKDVO angesehen werden kann und ob die Neuregelung in Art. 555 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO i.d.F. der VO Nr. 993/2001 lediglich der Klarstellung dient. Auch insoweit musste für die fachkundig vertretene Klägerin offenkundig sein, dass es auf die Auslegung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts durch das FG ankam. Unbeschadet dessen war das FG ―wie bereits dargelegt― nach Art. 234 EG nicht zur Anrufung des EuGH verpflichtet, weil seine Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden konnte.
c) Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügte Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichts, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (§ 76 Abs. 2 FGO), liegt gleichfalls nicht vor. Insbesondere musste das FG keinen "Antrag" der Klägerin anregen, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, weil es hierzu keines Antrags eines Beteiligten bedurfte.
Nach Art. 234 EG hat ein einzelstaatliches Gericht von Amts wegen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob eine Vorabentscheidung des EuGH zur Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2001 Rs. C-267/99 ―Adam―, EuGHE 2001, I-7467 Rz. 23). Bei dem Vorlageverfahren nach Art. 234 EG handelt es sich um ein objektives Zwischenverfahren, in dem die Beteiligten des Ausgangsverfahrens keine Antragsrechte haben (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Oktober 1986 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 369). Demgemäß haben die Beteiligten des Ausgangsverfahrens auch kein förmliches Antragsrecht auf Einleitung des Vorlageverfahrens nach Art. 234 EG (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 94 Rz. 22).
Fundstellen