Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung bereits abgetretener Eigentümergrundschulden
Leitsatz (NV)
1. Die Schlüssigkeit der Rügen der Verletzung der Sachaufklärungspflicht, des Rechts auf Gehör und des Verstoßes gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens setzt voraus, daß die nicht berücksichtigten Tatsachen unter Zugrundelegung des vom FG vertretenen materiell-rechtlichen Standpunkts entscheidungserheblich waren.
2. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Pfändung einer Forderung (hier: Eigentümergrundschuld) kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die gepfändete Forderung im Zeitpunkt der Pfändung besteht und dem Vollstreckungsschuldner zusteht oder ob dieser sie etwa schon abgetreten hat, denn gepfändet wird die angebliche Forderung. Entsprechende Einwendungen sind im allgemeinen erst im Verfahren wegen der Geltendmachung (Einziehung) der Forderung zu prüfen.
Normenkette
AO 1977 §§ 310, 321 Abs. 6, § 324; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 108, 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), soweit sie auf Feststellung der Rechts widrigkeit der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) erlassenen dinglichen Arrestanordnung gerichtet war, wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig, und im übrigen, soweit sie auf Aufhebung der in Vollzug des Arrests erfolgten Pfändungen von Eigentümergrundschulden gerichtet war, als unbegründet abgewiesen, weil die Anordnung des dinglichen Arrests rechtmäßig gewesen sei und damit auch die aufgrund des Arrests ausgebrachten Pfändungen der Eigentümergrundschulden nicht ohne Rechtsgrund erfolgt seien.
Die ausschließlich auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) gestützte Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision zielt in ihrem Kern darauf ab, das FG habe -- verfahrensfehlerhaft -- bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Klägers nebst Beweisantritt nicht berücksichtigt, aus dem sich ergebe, daß im Zeitpunkt der Pfändung der Eigentümergrundschulden diese bereits an eine Bank abgetreten gewesen seien. Bei Berücksichtigung dieses Vortrags hätte das FG zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage zu bejahen sei, weil die Pfändungen aufgrund der vorausgegangenen Abtretungen ins Leere gelaufen und daher rechtsunwirksam gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Dabei kann dahinstehen, ob die vom Kläger gegen das vorinstanzliche Urteil geführten Angriffe (Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, Verletzung des Rechts auf Gehör gemäß § 96 Abs. 2 FGO) nicht eher in Form der Rüge eines Verstoßes des FG gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) hätten vorgebracht werden müssen. Denn die Schlüssigkeit aller dieser Rügen setzt voraus, daß die nicht berücksichtigten Tatsachen aus der Sicht des FG, also unter Zugrundelegung des von diesem vertretenen materiell-rechtlichen Standpunkts, entscheidungserheblich waren (vgl. z. B. den Senatsbeschluß vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Rz. 65 i. V. m. § 120 Rz. 39, m. w. N.). Daran fehlt es im Streitfall.
Die Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich der Arrestanordnung nach § 324 der Abgabenordnung (AO 1977) hat das FG damit begründet, daß der Kläger wegen der gleichzeitig erhobenen Anfechtungsklage gegen die Pfändungsverfügungen (Vollzug des Arrests), bei der die Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung als Vorfrage zu prüfen sei, kein Rechtsschutzinteresse an der besonderen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung habe. Für diese Entscheidung des FG -- Unzulässigkeit der nur subsidiären Feststellungsklage -- war der Vortrag des Klägers, die Anordnung des Arrests und die Pfändungen der Grundschulden seien nicht berechtigt gewesen, ersichtlich ohne Bedeutung. Insoweit bedurfte es daher auch keiner näheren Begründung durch das FG.
Auch für die Frage der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung, die das FG bei der Beurteilung der Anfechtungsklage gegen die Pfändungsverfügungen als Vorfrage geprüft und bejaht hat, kam es auf das vom FG nicht berücksichtigte Vorbringen des Klägers, die Eigentümergrundschulden seien im Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung und deren Vollzugs durch die Pfändungen bereits an eine Bank abgetreten gewesen, nicht an. Das FG hat dies zwar nicht ausdrücklich gesagt; es ergibt sich jedoch daraus, daß der entscheidungserhebliche Gesichtspunkt für die Beurteilung der Arrestanordnung als rechtmäßig vom FG darin gesehen wurde, daß mit der zeitnahen "Belastung der eigenen Grundstücke durch Eigentümergrundschulden und der möglichen Abtretbarkeit der Grundpfandrechte an Dritte die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen (des Klägers) wesentlich erschwert" worden ist. Eine im Zeitpunkt der Anordnung des Arrestes bereits erfolgte Abtretung der Eigentümergrundschulden durch den Kläger wäre allenfalls dann für die Frage der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung von Bedeutung gewesen, wenn das FA positiv von der Abtretung und deren Gründen Kenntnis gehabt hätte. Dies hat jedoch nicht einmal der Kläger behauptet.
Schließlich hat das FG aus der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung abgeleitet, daß auch die aufgrund des Arrestes am nächsten Tag ausgebrachten Pfändungen der Eigentümergrundschulden nicht rechtsgrundlos erfolgt seien. Dabei muß das FG jedenfalls von der auch vom Kläger nicht bestrittenen formellen Rechtmäßigkeit der Pfändungsverfügungen ausgegangen sein, denn anderenfalls hätte es der Anfechtungsklage stattgeben müssen. Auf den Vortrag des Klägers zur Abtretung der Grundpfandrechte ist das FG auch hier nicht eingegangen und hat auch keine Begründung dafür gegeben. Eine solche ergibt sich ausdrücklich erst aus dem Beschluß vom ... , mit dem das FG eine vom Kläger beantragte Tatbestandsberichtigung deswegen abgelehnt hat (§ 108 FGO), weil die Frage, "ob die Pfändungen wirksam geworden sind oder wegen der schon erfolgten Abtretung an die kreditierende Bank des Klägers ins Leere gingen", nicht Gegenstand des FG-Urteils gewesen sei.
Es kann dahinstehen, ob diese vom FG in dem Beschluß nach § 108 FGO nachträglich gegebene Begründung noch zur Beurteilung der Frage, von welchem Rechtsstandpunkt das FG in seinem Urteil ausgegangen ist, herangezogen werden darf. Sollte dies nicht zulässig sein und wäre demnach davon auszugehen, daß das FG zu dem betreffenden Punkt in seinem Urteil keine ausdrückliche Begründung gegeben hat, so wäre jedenfalls zu unterstellen, daß das FG diesen Punkt im Einklang mit der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung behandelt und beurteilt wissen wollte. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch im Schrifttum ist es indessen allgemein anerkannt, daß es für die Pfändung einer Forderung und für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob die gepfändete Forderung im Zeitpunkt der Pfändung besteht und auch dem Vollstrekungsschuldner zusteht oder ob dieser sie etwa schon abgetreten hat, denn gepfändet wird die angebliche Forderung. Die Frage, ob die gepfändete Forderung im Zeitpunkt der Pfändung tatsächlich dem Vollstrekungsschuldner zusteht und deshalb an ihr ein Pfändungspfandrecht entstanden ist oder ob es sich bei dem Pfändungsbeschluß zwar um einen formell gültigen Verwaltungsakt, aber um einen solchen ohne Rechtswirkung handelt, ist daher im allgemeinen nicht schon im Verfahren wegen der Pfändung zu prüfen, sondern erst im Verfahren wegen der Geltendmachung (Einziehung) der Forderung (Senatsurteil vom 24. Juli 1984 VII R 135/83, BFHE 141, 482, BStBl II 1984, 740; Senatsbeschlüsse vom 4. Februar 1986 VII B 129/85, BFH/NV 1986, 478; vom 11. August 1987 VII S 13/87, BFH/NV 1988, 344, m. w. N.; vom 6. Juni 1989 VII B 25/89, BFH/NV 1990, 77; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 309 AO 1977 Rz. 5, 5 a und 6).
Im Streitfall wäre es nach Auffassung des Senats zwar durchaus förderlich gewesen, wenn das FG auf diesen Hintergrund seiner Rechtsauffassung und Entscheidung in seinem Urteil ausdrücklich hingewiesen und deutlich gemacht hätte, daß es auf den Vortrag des Klägers zur mangelnden Inhaberschaft der Grundschuld zum Zeitpunkt der Pfändung im vorliegenden Rechtsstreit nicht ankommt. Die vom Kläger darin gesehenen Verfahrensfehler sind jedoch weder ordnungsgemäß gerügt noch liegen sie vor.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 422231 |
BFH/NV 1997, 640 |