Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers nach Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen
Leitsatz (NV)
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob die aufgrund einer Pfändung des FA geleisteten Zahlungen eines Drittschuldners nur dann die Steuerschuld zum Erlöschen bringen, wenn der Geldbetrag dem FA endgültig verbleibt, wird mit dem Hinweis, dass es einer eingehenden rechtlichen Auseinandersetzung und Analyse der Wirkung der Zahlung eines Drittschuldners aufgrund einer Einziehungsverfügung des FA bedürfe, nicht hinreichend dargelegt.
2. Es erscheint nicht zweifelhaft, dass eine Steuerschuld durch Zahlung eines Drittschuldners aufgrund einer Forderungspfändung des FA dann nicht erloschen ist, wenn das FA den Geldbetrag wieder herausgibt, weil diese Forderung vom Steuerpflichtigen bereits wirksam an einen Dritten abgetreten worden war.
3. Hat das FG die Wirksamkeit einer vorrangigen Globalabtretung des Klägers bindend festgestellt, so ist die Frage, welche Auswirkungen es auf die Steuerschuld hat, wenn der Steuergläubiger einen rechtswirksam gepfändeten Betrag, der vom Drittschuldner wirksam geleistet worden ist, diesem ohne Aufhebung der Pfändungsverfügung zurücküberweist, in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Normenkette
AO § 47; BGB § 362; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 10.09.2007; Aktenzeichen 11 K 3100/05) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer einer GmbH, die im Jahr 2004 durch die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse aufgelöst und gelöscht worden ist. Unter dem 28. Januar 2000 hatte die GmbH an ein Kreditinstitut sämtliche gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr abgetreten. Wegen Abgabenrückständen der GmbH pfändete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen im Jahr 2003 nacheinander drei Forderungen der GmbH gegen X., die diese sämtlich anerkannte. Anlässlich der zweiten und dritten Pfändung teilte X. jedoch mit, Ansprüche würden in voller Höhe aus laufender Rechnung von dem Kreditinstitut wegen einer Abtretung vom 4. April 2003 erhoben. Daraufhin hob das FA diese beiden Pfändungen auf.
Nachdem das Kreditinstitut das FA unter Hinweis auf die frühere globale Abtretung der Klägerin unter Klageandrohung aufgefordert hatte, die eingezogenen Beträge zu erstatten, überwies das FA die von X. aufgrund der ersten Pfändungsverfügung geleisteten Zahlungen an diese zurück.
Daraufhin nahm das FA den Kläger wegen der Lohnsteuerrückstände der GmbH in Haftung. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger im Wesentlichen geltend machte, dass die Lohnsteuerschuld mit Eingang der Zahlung des Drittschuldners X. beim FA erloschen sei, weil es sich bei der Globalabtretung um eine sittenwidrige Knebelung seitens des Kreditinstituts, das keinerlei Ansprüche gegen den Kläger habe, gehandelt habe, und das FA deshalb die zurücküberwiesenen Beträge von dem Kreditinstitut zurückfordern könne, blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei durch den Haftungsbescheid nicht in seinen Rechten verletzt. Das Gericht überprüfe die Ermessensentscheidung der Haftungsinanspruchnahme auf ihre Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Hätten zu diesem Zeitpunkt Zahlungen auf die Steuerschuld zur endgültigen Tilgung dieser Schuld geführt, müsse das FA dem durch Änderung der Haftungsbeträge bzw. Aufhebung des Haftungsbescheids Rechnung tragen. Im Streitfall sei die Schuld aber nicht durch die Zahlung der X. erloschen. Nach § 47 der Abgabenordnung (AO) erlöschten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Zahlung oder wenn der Steuergläubiger im Vollstreckungsverfahren Befriedigung gefunden habe. Letzteres setze nach dem Rechtsgedanken des § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs voraus, dass der Gläubiger die an ihn geleistete Zahlung auch behalten dürfe (Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 1996 XI ZR 75/95, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 1207). Das FA habe die Zahlung der X. nicht behalten dürfen, weil die dieser zugrunde liegenden Pfändungsmaßnahmen wegen der wirksamen Globalzession des Klägers an das Kreditinstitut ins Leere gegangen seien. Das FA habe die entsprechende Rückzahlung zu Recht vorgenommen. Abgesehen davon sei es dem FA im Rahmen der Entscheidung über die Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers nicht verwehrt, die zur Beitreibung der Steuerschulden der Gesellschaft bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen wieder aufzuheben, wenn es dies --insbesondere zur Vermeidung eines zivilrechtlichen Prozesses-- für geboten erachte (Hinweis auf das Senatsurteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232).
Der Kläger hält die Zulassung der Revision für geboten, weil die Rechtsfrage, ob Tilgung der Steuerschuld erst eintrete, wenn der Geldbetrag dem Steuergläubiger endgültig zur freien
Verfügung stehe, der grundsätzlichen Klärung durch den Bundesfinanzhof (BFH) bedürfe. Grundsätzliche Bedeutung habe auch die Frage, welche Auswirkungen es auf die Steuerschuld habe, wenn der Steuergläubiger einen rechtswirksam gepfändeten Betrag, der vom Drittschuldner wirksam geleistet worden sei, diesem einfach und ohne Aufhebung der Pfändungsverfügung zurücküberweise. Insoweit sei die Revisionszulassung auch zur Fortbildung des Rechts geboten. Außerdem liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil das FG es unterlassen habe, die für die Haftung des Klägers erforderliche Kausalität des Schadens, die Auswirkungen der besonderen Umstände auf den Verschuldensgrad des Klägers und die vorrangige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer der GmbH für die Lohnsteuerschulden zu untersuchen.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die von ihm bezeichneten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen substantiierten Weise dargelegt.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob die aufgrund einer Pfändung des FA geleisteten Zahlungen eines Drittschuldners nur dann die Steuerschuld zum Erlöschen bringen, wenn der Geldbetrag dem FA endgültig verbleibt, wird vom Kläger behauptet, aber nicht ausreichend dargelegt. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend, so muss er nicht nur eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Er muss weiter substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem darstellen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Die Beschwerde erschöpft sich im Wesentlichen in dem Hinweis, dass es einer eingehenden rechtlichen Auseinandersetzung und Analyse der Wirkung der Zahlung eines Drittschuldners aufgrund einer Einziehungsverfügung des FA bedürfe. Ohne sich im Einzelnen mit der eingehenden Begründung des finanzgerichtlichen Urteils auseinanderzusetzen, setzt sie diesem lediglich pauschal --unter im Einzelnen nicht nachvollziehbaren Bezugnahmen auf vermeintlich gegen die Auffassung des FG sprechende Literaturmeinungen-- ihre abweichende Rechtsauffassung entgegen. Ihre Behauptung, die vom FG in Bezug genommene BGH-Entscheidung in NJW 1996, 1207 sei nicht einschlägig, erläutert sie nicht.
Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger formulierte Frage der grundsätzlichen Klärung bedarf. Eine Rechtsfrage ist jedenfalls dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also zweifelsfrei ist (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2005 VII B 95/05, BFH/NV 2006, 701, m.w.N.). Dem Senat erscheint jedenfalls das vom FG gewonnene Ergebnis nicht zweifelhaft, dass eine Steuerschuld durch Zahlung eines Drittschuldners aufgrund einer Forderungspfändung des FA dann nicht erloschen ist, wenn das FA den Geldbetrag wieder herausgibt, weil diese Forderung vom Steuerpflichtigen bereits wirksam an einen Dritten abgetreten worden war.
2. Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung, aber auch wegen der Notwendigkeit der Rechtsfortbildung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO setzt ferner voraus, dass die gestellte Rechtsfrage im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 II B 6/05, BFH/NV 2006, 908). Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender Verfahrensrügen des Klägers auch in einem Revisionsverfahren gebunden wäre, ging die Pfändung der Forderung bei der X. wegen der wirksamen vorrangigen Globalabtretung des Klägers an das Kreditinstitut ins Leere. Auf die Frage, welche Auswirkungen es auf die Steuerschuld hat, wenn der Steuergläubiger einen rechtswirksam gepfändeten Betrag, der vom Drittschuldner wirksam geleistet worden ist, diesem ohne Aufhebung der Pfändungsverfügung zurücküberweist, käme es deshalb in einem Revisionsverfahren nicht an.
3. Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Ausführungen des FG zu der die Haftung des Klägers begründenden Kausalität des Schadens, den Auswirkungen der besonderen Umstände auf den Verschuldensgrad des Klägers und die vorrangige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer der GmbH für die Lohnsteuerschulden erhebt, ergeben keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe, insbesondere bezeichnen sie keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Satz 3 FGO, wie der Kläger offenbar meint. Daraus geht nur hervor, dass der Kläger die rechtliche Würdigung des FG insoweit für unzutreffend hält. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls rechtfertigen eine Revisionszulassung grundsätzlich nicht. Mit Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des FG wird allenfalls ein Korrekturinteresse im Einzelfall dargelegt, das regelmäßig nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 2 FGO genügt (BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, je m.w.N.).
Fundstellen