Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beschwerde gegen Verweigerung der Akteneinsicht nach Beendigung der Instanz
Leitsatz (NV)
Für eine Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht durch das FG fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn das FG die Instanz durch eine Entscheidung in der Sache abgeschlossen hat und wegen eines dagegen eingelegten Rechtsmittels die Akten dem BFH vorliegen.
Normenkette
FGO § 128
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte unter dem Datum des 21. August 1990 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1989) u.a. mit der Begründung ein, daß der Grundfreibetrag zu niedrig und der Bescheid nicht ordnungsgemäß adressiert sei. Gleichzeitig bat er um die umgehende Übersendung einer klagefähigen Entscheidung. Über den Einspruch ist bisher noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 24. Juni 1991 erhob der Kläger Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das Finanzgericht (FG) lud zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Oktober 1991. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4. September 1991 zugestellt.
Mit Schreiben vom 6. September 1991, das am 23. September 1991 beim FG einging, beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) oder beim Amtsgericht . . . für die Zeit nach dem 26. September 1991. Gleichzeitig beantragte er, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 1991 aufzuheben, weil eine Akteneinsicht aus organisatorischen Gründen zwischen seinem Urlaubsende am 26. September 1991 und dem Verhandlungstag nicht mehr möglich sein dürfte.
Mit Schreiben vom 24. September 1991 lehnte der zuständige Senatsvorsitzende des FG eine Aktenübersendung an das FA oder an das Amtsgericht . . . ab, da eine rechtzeitige Rückkehr der Akten bis zum Termin der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 1991 nicht gewährleistet sei. Er stellte dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers anheim, die Akten am 27. September 1991 in der Geschäftsstelle des FG einzusehen. Eine Rechtsmittelbelehrung war dem Schreiben nicht beigegeben. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers behauptet, dieses Schreiben des FG erst am 28. September 1991 erhalten zu haben.
Die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung lehnte der Vorsitzende des FG ab. Die mündliche Verhandlung fand daher am 2. Oktober 1991 statt, ohne daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Akten eingesehen hatte. Aufgrund der mündlichen Verhandlung wies das FG die Untätigkeitsklage als unzulässig ab. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Hiergegen legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein, die unter dem Az. . . . beim Senat anhängig ist. In der Beschwerdeschrift beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, ihm im Beschwerdeverfahren Einsicht in die Gerichts- und Steuerakten beim Amtsgericht . . . zu gewähren.
Daraufhin gewährte der Vorsitzende des erkennenden Senats mit Verfügung vom 23. Januar 1992, abgesandt am selben Tage, die Möglichkeit der Akteneinsicht beim Amtsgericht in . . . bis spätestens zum 15. Februar 1992. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nahm die Akteneinsicht nicht wahr. Er teilte dem Vorsitzenden des erkennenden Senats mit Schreiben vom 10. Februar 1992 vielmehr mit, daß er von der ihm gewährten Akteneinsicht keinen Gebrauch mache. Er befürchte, andernfalls das Rechtsschutzinteresse für eine Beschwerde gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch das FG zu verlieren (Hinweis auf Beschluß des erkennenden Senats vom 12. Juli 1991 III B 152/87, BFH/NV 1992, 49).
Mit Schriftsatz vom 1. März 1992 legte der Kläger dann die vorliegende Beschwerde wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht durch das FG ein. Er macht geltend, das FG habe durch das Schreiben seines Vorsitzenden vom 24. September 1991 die Akteneinsicht in einer Art und Weise gewährt, die einer Nichtgewährung der Akteneinsicht gleich komme. Im übrigen hätte das FG die Akteneinsicht beim Amtsgericht . . . gewähren müssen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist statthaft.
Entscheidungen des FG oder des Senatsvorsitzenden des FG über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht sind keine prozeßleitenden Verfügungen i.S. des § 128 Abs. 2 FGO und daher mit der Beschwerde anfechtbar (vgl. u.a. Beschlüsse des BFH vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; vom 28. Juni 1990 X B 163/88, BFH/NV 1991, 325, und des erkennenden Senats in BFH/NV 1992, 49).
2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig.
Wie jede Rechtsverfolgung vor Gericht setzt auch das Beschwerdeverfahren vor dem BFH ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Beschluß in BFH/NV 1991, 325). Daran fehlt es bei der vom Kläger eingelegten Beschwerde.
a) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen die Verweigerung oder die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht durch das FG kann nicht auf die Klärung der Frage gerichtet sein, ob ein Verfahrensfehler im Hinblick auf eine ergangene Sachentscheidung des FG begangen worden ist. Inwieweit durch die Weigerung des Vorsitzenden des FG, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben und die Akten zur Einsichtnahme an das Amtsgericht . . . zu versenden, das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt wurde, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und bei Zulassung der Revision im Revisionsverfahren zu entscheiden (so auch BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 325).
b) Ziel der Beschwerde gegen die Nichtgewährung der beantragten Akteneinsicht kann es daher nur sein, das FG durch eine Beschwerdeentscheidung anzuweisen, die Akteneinsicht in der beantragten Art und Weise zu gewähren. Diese beantragte Anweisung des FG durch den BFH wird jedoch ab dem Zeitpunkt sinnlos, ab dem das FG die Instanz durch eine Entscheidung in der Sache abgeschlossen hat und wegen eines dagegen eingelegten Rechtsmittels die Akten, deren Einsicht begehrt wird, dem BFH vorliegen. In diesem Fall läßt sich die begehrte Akteneinsicht wesentlich einfacher dadurch erreichen, daß sie unmittelbar beim BFH beantragt wird. Im Fall des Klägers ist kein Grund ersichtlich, warum der BFH, statt die Akten selbst an das Amtsgericht . . . zur Einsichtnahme zu schicken, dem FG eine entsprechende Anweisung geben sollte. Eine solche Anweisung würde bedeuten, daß die Akten unnötigerweise erst zum FG und von dort aus weitergeschickt werden müßten. Deshalb scheidet auch eine Rücksendung der Akten an das FG aus, um diesem zunächst eine Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht zu ermöglichen.
c) Selbst wenn man bei Vorliegen der Akten beim BFH die Beschwerde gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch das FG weiterhin für zulässig hielte, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde jedenfalls dann, wenn der Kläger auf eine Gewährung der Akteneinsicht durch den BFH hin die Akten einsieht (Beschluß des erkennenden Senats in BFH/NV 1992, 49). Das gleiche muß gelten, wenn der BFH die Akteneinsicht gewährt, der Kläger bzw. sein Prozeßbevollmächtigter sie aber aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht wahrnimmt.
So war es im Fall des Klägers. Sein Prozeßbevollmächtigter hat von der ihm durch den BFH gewährten Möglichkeit der Akteneinsicht nur deshalb keinen Gebrauch gemacht, weil er sich die Beschwerdemöglichkeit gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch das FG erhalten wollte. Dies zeigt, daß es dem Kläger nicht wirklich um die Gewährung der Akteneinsicht, sondern um Angriffspunkte gegen die Abweisung seiner Untätigkeitsklage durch das FG ging. Diese Angriffspunkte sind jedoch, wie oben ausgeführt worden ist, nicht im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht, sondern im Verfahren der vom Kläger eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 418452 |
BFH/NV 1993, 175 |
BB 1992, 1549 |