Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Versagung der PKH
Leitsatz (NV)
1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch das FG ist nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil der Antragsteller nicht erneut eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat (Änderung der Rechtsprechung).
2. Zu den Erfolgsaussichten einer Klage wegen der Umsatzbesteuerung einer Geschäftsübertragung durch den Ehemann an die Ehefrau, die das Geschäft des Ehemanns bereits seit der Trennung der Eheleute weitergeführt hatte.
Normenkette
FGO § 11 Abs. 3, § 129 Abs. 1, § 142; ZPO §§ 114, 117; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, § 10
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG).
1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) durch das FG ist nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) nicht erneut eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V. m. § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegt hat. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Beschlüssen vom 18. Mai 1993 V B 34/93, vom 9. Juni 1993 V B 56/93, vom 10. März 1994 IX B 24/94 (BFH/NV 1994, 823, nur Leitsatz), vom 1. März 1995 X B 341/94 (BFH/NV 1995, 1008, nur Leitsatz) und vom 3. Juli 1995 X B 81/95 eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, hält er an ihr nicht fest. Der IX. und X. Senat haben auf Anfrage gemäß § 11 Abs. 3 FGO mitgeteilt, daß sie der Rechtsprechungsänderung zustimmen.
Nach § 129 Abs. 1 FGO muß die Beschwerde gegen einen ablehnenden Beschluß des FG schriftlich eingelegt werden; im Gegensatz zur Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist die Beschwerde indes auch dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer sie nicht begründet. Aus der Beschwerdeschrift muß lediglich das Begehren des Beschwerdeführers erkennbar werden. Der BFH muß auf die Beschwerde hin die Vorentscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem Vorbringen des Antragstellers umfassend würdigen. Der Antragsteller braucht danach im Beschwerdeverfahren weder sein Vorbringen zu den Erfolgsaussichten zu wiederholen, noch muß er erneut eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeben. Die Rechtslage ist insofern anders als im Verfahren der Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren, in welchem sich die Pflicht zur erneuten Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus § 119 Satz 1 ZPO i. V. m. § 142 Abs. 1 FGO ergibt.
Wie zu verfahren ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach der Abgabe der Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO geändert haben könnten -- insbesondere weil zwischen dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung beim FG und dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde durch den BFH längere Zeit verstrichen ist --, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
2. Der Antrag auf PKH durfte nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt werden.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter diesen Voraussetzungen kann dem Beteiligten auch ein Rechtsanwalt oder Steuerberater beigeordnet werden (§ 142 Abs. 2 FGO; § 121 ZPO). Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Mai 1994 VII B 265/93, BFH/NV 1994, 762). Das Gericht muß den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar halten und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sein. Aus der Regelung in § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO, nach der der Antragsteller in dem Antrag auf PKH das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen hat, ist zu entnehmen, daß der Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer PKH zumindest schlüssig -- ggf. mit Beweisantritten -- darlegen muß (BFH-Beschluß vom 25. August 1989 VI B 173/88, BFH/NV 1990, 187).
Aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstands ist davon auszugehen, daß die Beigeladene das ... -Geschäft ihres Ehemanns nach der Trennung der Eheleute weitergeführt hat, daß sich die Eheleute über die Übertragung des Betriebs zunächst nicht einigen konnten und der Antragsteller den Betrieb erst Ende März 1988 abgemeldet hat. Es kann ferner angenommen werden, daß der Antragsteller bis zur Abmeldung des Gewerbes am Ladenlokal seinen Namen in deutlich lesbarer Schrift angebracht hatte (vgl. § 15 a der Gewerbeordnung). Dies rechtfertigt es bei summarischer Prüfung, die in dem Laden während der Monate Januar bis März 1988 getätigten ... -Verkäufe dem Antragsteller zuzurechnen.
Bislang erscheint jedoch noch nicht hinreichend geklärt, ob der Antragsteller anläßlich der Aufgabe seines Betriebs der Beigeladenen tatsächlich den Warenbestand und die Gegenstände des Anlagevermögens gegen ein Entgelt von ... DM geliefert hat. Wie vom FG ausgeführt worden ist, hat die Beigeladene den Betrieb ohne schriftlichen Übergabevertrag übernommen und Darlehensschulden des Antragstellers in Höhe von ... DM getilgt. Es scheint fraglich, ob hieraus ohne weiteres auf eine entgeltliche Lieferung der Gegenstände des Anlagevermögens und des Warenbestands oder jedenfalls auf eine Entnahme geschlossen werden kann. Die beabsichtigte Klage erscheint in diesem Punkt deshalb nicht aussichtslos, weil es nach dem Sachvortrag des Antragstellers -- insbesondere nach dem vorgelegten Urteil des Amtsgerichts X -- nicht ausgeschlossen ist, daß die Beigeladene ohne ausreichende Vollmacht des Antragstellers im eigenen Namen Wareneinkäufe getätigt hat. Demzufolge erscheint es fraglich, ob der Antragsteller der Beigeladenen wirklich den gesamten im März 1988 vorhandenen Warenbestand geliefert oder seinem Unternehmen entnommen hat.
Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung prüfen müssen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers die Gewährung von PKH rechtfertigen. Der Senat sieht davon ab, diese Prüfung selbst vorzunehmen, damit den Beteiligten nicht eine Instanz genommen wird (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).
Fundstellen
Haufe-Index 421484 |
BFH/NV 1996, 941 |