Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigungsmöglichkeit und Verfahren bei zu Unrecht gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer: keine grundsätzliche Bedeutung; keine Beschwerde gegen Ablehnung der Protokollberichtigung
Leitsatz (NV)
1. Geklärt ist, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf Erlass der zu Unrecht gesondert berechneten Umsatzsteuer hat, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens nachweislich beseitigt worden ist und dass der Steueranspruch nicht rückwirkend, sondern erst in dem Besteuerungszeitraum entfällt, in dem die Gefährdung beseitigt wird.
2. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, durch den ein Antrag auf Protokollberichtigung abgelehnt wird, ist unzulässig.
3. Ein erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Protokollberichtigung ist unzulässig, so dass der Vorsitzende keinen Gerichtsbeschluss herbeiführen muss, sondern den Antrag selbst ablehnen kann.
Normenkette
UStG 1993 § 14 Abs. 3; FGO § 94; ZPO § 160 Abs. 4
Verfahrensgang
FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 25.09.2003; Aktenzeichen 2 K 407/00) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nicht vorhanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind --im Sinne einer weitgehenden Berichtigungsmöglichkeit-- geklärt. Der Steuerpflichtige hat einen Rechtsanspruch auf Erlass der Umsatzsteuer, die er zu Unrecht gesondert berechnet hat, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens nachweislich beseitigt worden ist (vgl. Urteile des BFH vom 22. Februar 2001 V R 5/99, BFHE 194, 506, BFH/NV 2001, 997; vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BFH/NV 2001, 998; vom 22. März 2001 V R 11/98, BFH/NV 2001, 1088). Wenn diese Gefährdung erst in einem späteren Besteuerungszeitraum beseitigt wird, entfällt der Steueranspruch nicht rückwirkend, sondern erst in diesem Besteuerungszeitraum.
Wegen dieser gesicherten Erkenntnisse besteht kein weiterer Klärungsbedarf (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juni 2002 V B 41/02, BFH/NV 2002, 1505).
2. Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG rügt, fehlt es schon an der schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels; denn hierfür wäre u.a. erforderlich gewesen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Finanzgerichts (FG) zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 370/02, BFH/NV 2004, 843). Das FG ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass über die Voraussetzungen eines sachlichen Billigkeitserlasses wegen Wegfalls der Gefährdung des Steueraufkommens nicht im Verfahren der Steuerfestsetzung zu entscheiden sei. Inwiefern auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung eine weitere Aufklärung hinsichtlich der Rückgängigmachung des Vorsteuerabzuges beim Rechnungsempfänger zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist im Übrigen nicht ersichtlich.
3. Auch soweit die Klägerin als Verfahrensfehler geltend macht, das FG habe zu Unrecht eine Ergänzung des Protokolls abgelehnt, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Nach § 160 Abs. 4 Satz 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 94 FGO ist ein Beschluss, durch den die beantragte Aufnahme bestimmter Vorgänge in das Protokoll abgelehnt wurde, unanfechtbar. Daraus folgt, dass auch ein Beschluss, mit dem das Gericht es ablehnt, im Wege der Protokollberichtigung von ihm für unbeachtlich gehaltene Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll einzufügen, nicht anfechtbar und eine gleichwohl eingelegte Beschwerde unzulässig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. März 2000 VIII B 24/00, BFH/NV 2000, 1124; vom 29. Juni 1992 V B 86/91, BFH/NV 1993, 181).
Ob es von der Unanfechtbarkeit solcher Beschlüsse bei evidenten Verfahrensverstößen Ausnahmen geben kann, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn es ist kein Verfahrensverstoß des FG ersichtlich. Ein solcher ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Antrag auf Protokollberichtigung nicht durch Gerichtsbeschluss, sondern durch eine Entscheidung des Vorsitzenden abgelehnt wurde. Zwar ist --wie sich aus dem Wortlaut des § 160 Abs. 4 Satz 2 ZPO ergibt-- grundsätzlich das Gericht für die Ablehnung von Anträgen i.S. des § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuständig. Der Vorsitzende braucht jedoch dann nicht einen Gerichtsbeschluss herbeizuführen, wenn der Antrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 30. September 1986 VIII B 59/85, BFH/NV 1989, 24). Dies trifft im Streitfall zu. Denn die Klägerin hat den Antrag nach § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt. Ein solcher Antrag ist unzulässig (BFH in BFH/NV 2000, 1124, m.w.N.).
Fundstellen