Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer vor dem 31. Dezember 2004 erhobenen Gegenvorstellung
Leitsatz (NV)
Die formellen Voraussetzungen einer Gegenvorstellung gegen eine Entscheidung des BFH, die vor dem 31. Dezember 2004 bei Gericht eingegangen ist, richten sich noch nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des § 133a FGO. Danach war eine Gegenvorstellung gegen gerichtliche, mit förmlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbare Entscheidungen in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO i.V. mit § 155 FGO zur Beseitigung schweren Verfahrensunrechts statthaft.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 S. 2; FGO § 133a; ZPO § 321a
Tatbestand
I. Auf die Revision des Klägers, Revisionsklägers und Antragstellers (Kläger) hob der Senat die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) durch Urteil vom 22. September 2004 III R 9/03 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
In dem Rechtsstreit ging es darum, ob der Kläger im Streitjahr 1992 die Aufgabe seines Gewerbebetriebs erklärt hatte und ob Kalkulationsdifferenzen in den Streitjahren 1992 und 1993 bei der vom Kläger und seinem Sohn gegründeten GmbH den Gesellschaftern als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zuzurechnen waren.
Der Senat bestätigte die Entscheidung des FG, soweit es das Schreiben des Steuerberaters des Klägers vom 23. Oktober 1992 an den Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegner (Finanzamt --FA--) als Betriebsaufgabeerklärung gewertet hatte. Hinsichtlich der Annahme von vGA wies der Senat die Sache an das FG zurück zur Prüfung, worauf die bei der Betriebsprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen zurückzuführen seien und ob diese den Schluss zulassen, die GmbH habe zusätzliche, bislang nicht erklärte Betriebseinnahmen erzielt. Sei der Verbleib nicht gebuchter Betriebseinnahmen nicht aufklärbar, gehe dies zu Lasten der Gesellschafter.
Mit seiner am 13. Dezember 2004 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Gegenvorstellung wendet sich der Kläger gegen die Wertung des Schreibens des Steuerberaters vom 23. Oktober 1992 als Betriebsaufgabeerklärung und gegen die Aussage, die Unaufklärbarkeit des Verbleibs nicht gebuchter Betriebseinnahmen der GmbH gehe zu Lasten der Gesellschafter. Insoweit sei das Urteil des Senats greifbar gesetzwidrig, unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und deshalb objektiv willkürlich. Es verletze ihn, den Kläger, in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 14 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Gegenvorstellung ist statthaft.
Da die Gegenvorstellung des Klägers am 13. Dezember 2004 beim BFH eingegangen ist, sind ihre formellen Voraussetzungen noch nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) am 1. Januar 2005 (Art. 10 und 22 Satz 2 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220, BStBl I 2005, 370) zu beurteilen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 2003 1 BvR 10/99, BGBl I 2004, 124).
Nach der Rechtslage vor dem 1. Januar 2005 war im finanzgerichtlichen Verfahren zur Beseitigung schweren Verfahrensunrechts eine Gegenvorstellung gegen gerichtliche, mit förmlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen in entsprechender Anwendung des § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO statthaft (z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vom 6. Mai 2004 I S 13/03, BFH/NV 2004, 1533).
2. Es ist zweifelhaft, ob eine Gegenvorstellung gegen ein Urteil des BFH überhaupt zulässig ist, soweit das FG-Urteil wie im Streitfall aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen wird. Jedenfalls ist die Gegenvorstellung unbegründet.
Als außerordentlicher, nicht förmlicher Rechtsbehelf ist eine Gegenvorstellung nur in Ausnahmefällen eröffnet, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen wie der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder bei einer Entscheidung ohne jegliche gesetzliche Grundlage (z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. März 2003 IX S 1/03, BFH/NV 2003, 937, und vom 27. Januar 2004 VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 660, jew. m.w.N.).
Die Einwände des Klägers gegen die Senatsentscheidung tragen den Vorwurf der Grundrechtsverletzungen nicht. Vielmehr wird deutlich, dass der Kläger lediglich seine Rechtsauffassung der --für unzutreffend erachteten-- des Senats entgegensetzt.
Er trägt vor, der Senat habe inzidenter festgestellt, die Mitteilung in dem Schreiben des Steuerberaters vom 23. Oktober 1992 enthalte isoliert betrachtet noch keine Erklärung der Betriebsaufgabe. Der Senat habe nicht durch Rückschlüsse aus tatsächlichen Handlungen oder sonstigen Umständen oder Ereignissen in einem späteren Veranlagungszeitraum rückwirkend die Erklärung des Steuerberaters als Betriebsaufgabeerklärung auslegen dürfen.
Dabei übersieht der Kläger, dass Willenserklärungen auszulegen sind. Unter II.1.c) der Entscheidungsgründe hat der Senat eingehend dargelegt, dass das Schreiben des Steuerberaters an das FA unter Berücksichtigung aller für die Auslegung des wirklichen Erklärungsinhaltes maßgeblichen Begleitumstände die Erklärung der Betriebsaufgabe enthält. Die Berücksichtigung von Umständen aus der Zeit nach Abfassung dieses Schreibens dient lediglich der Ermittlung des wirklichen Erklärungsinhalts dieses Schreibens. Im Wege der Auslegung stellt der Senat fest, dass der Kläger (eindeutig) die Betriebsaufgabe mitgeteilt hat.
Ungenau ist auch der Vortrag des Klägers zur objektiven Feststellungslast. Er trägt vor, der Senat habe den Rechtssatz aufgestellt, obwohl das FA die objektive Feststellungslast für die Voraussetzungen einer vGA trage, gehe die Unaufklärbarkeit des Verbleibs nicht gebuchter Betriebseinnahmen auch dann zu Lasten des Steuerpflichtigen, wenn er seine Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Dagegen hat der Senat ausgeführt, wenn der Schluss auf zusätzliche Betriebseinnahmen der GmbH gerechtfertigt sei, sei es Sache des Klägers und seines Sohnes darzulegen, wie dieser Teil des Betriebsvermögens der GmbH verwendet worden sei (S. 14 des BFH-Urteils unter II.3. Abs. 4). Diese Ausführungen rechtfertigen nicht den Vorwurf einer generellen Umkehr der Beweislast, sondern dienen einer sachgerechten Verteilung des Beweisrisikos, wenn es um Umstände geht, die nur die Gesellschafter (im Streitfall der Kläger und sein Sohn) nachweisen können.
3. Gerichtsgebühren entstehen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1450574 |
BFH/NV 2006, 76 |