Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Bindungswirkung bei Zurückverweisung; Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
1. Die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO entfällt in den Fällen, in denen sich nachträglich die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände geändert haben. Ein solcher Fall kann jedoch nur dort eintreten, wo die zurückverweisende Entscheidung des BFH dem FG für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts und eine erneute Entscheidung Raum lässt, nicht aber da, wo der BFH über einen Teil des Streites bereits abschließend entschieden hat.
2. Das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht sich in der Urteilsbegründung nicht mit einem für die Entscheidung unerheblichen Vorbringen des Klägers auseinandersetzt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 126 Abs. 5, § 96 Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
1. Die Kläger rügen als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, das Finanzgericht (FG) haben den Umfang der Bindung i.S. des § 126 Abs. 5 FGO durch das im ersten Rechtszug ergangene zurückverweisende Urteil des Senats vom 23. Juni 2005 VI R 10/03 (BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770) verkannt. Durch den unstreitig gebliebenen klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 24. Mai 2006 sei eine Änderung des Sachverhalts eingetreten, die für die Frage der Handelbarkeit der Ansprüche aus einem mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Wandeldarlehensvertrag zu einer anderen Beurteilung und damit zu einem anderen Gesamtergebnis des Verfahrens --Anfangsbesteuerung statt Endbesteuerung-- hätte führen können.
Gemäß § 126 Abs. 5 FGO hat das FG, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) zugrunde zu legen. Dabei erstreckt sich die Bindungswirkung nicht nur auf die der Aufhebung zugrunde liegende, sondern auch auf die anlässlich der Zurückverweisung vertretene rechtliche Beurteilung (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 126 FGO Rz 76; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 126 Rz 22, jeweils m.w.N.).
Die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO entfällt in den Fällen, in denen sich nachträglich die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände geändert haben. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Umstand bei der Urteilsfindung schon vorgelegen hat, im zweiten Rechtsgang vom FG aber weiter aufgeklärt worden ist (Gräber/Ruban, a.a.O., Rz 27, m.w.N.). Ein solcher Fall kann jedoch nur dort eintreten, wo die zurückverweisende Entscheidung des BFH dem FG für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts und eine erneute Entscheidung Raum lässt, nicht aber da, wo der BFH über einen Teil des Streites bereits abschließend entschieden hat und daher nur für den übrigen Teil der Sache eine weitere Sachaufklärung durch das FG in Betracht kommen kann (BFH-Beschluss vom 25. November 1981 VII B 34/81, juris, m.w.N.; BFH-Urteil vom 17. September 1992 IV R 78/90, BFH/NV 1993, 398; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Rz 87; Bergkemper in HHSp, a.a.O.; Gräber/ Ruban, a.a.O., Rz 27). Eine abschließende Entscheidung des BFH liegt hierbei jedenfalls dann vor, wenn der BFH über die Beurteilung logisch vorausgehender Fragen entschieden hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 1975 I R 78/73, BFHE 117, 4, BStBl II 1976, 42; vom 26. April 1983 VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618, unter 3. der Gründe).
Nach diesen Grundsätzen hat das FG den Umfang seiner Bindung an das zurückverweisende Urteil des Senats nicht verkannt. Der Senat hat die Frage, ob die Rechte aus dem Wandeldarlehensvertrag handelbar waren, im zurückverweisenden Urteil in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770 abschließend beurteilt. In diesem Urteil hat er entschieden, dass dem Kläger der geldwerte Vorteil aus der Ausübung des Wandelungsrechts bei nicht handelbaren Ansprüchen aus dem Wandeldarlehen erst mit der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien zufließt. Die Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils des FG im ersten Rechtszug erfolgte allein zur Bestimmung der Höhe des geldwerten Vorteils aus der verbilligten Verschaffung der Aktien, die dem Senat mangels ausreichender Feststellungen des FG nicht möglich war. Das FG durfte den neuen Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung damit bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtszug unberücksichtigt lassen, da sich dieser auf eine der Bewertung des geldwerten Vorteils logisch vorausgehende Frage bezog, über deren Beurteilung der Senat im zurückverweisenden Urteil bereits entschieden hatte. Entgegen der Auffassung der Kläger entfällt die Bindung des FG infolge der abschließenden Entscheidung dieser Frage durch den Senat auch nicht dadurch, dass im Urteil in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770 die Rechtsfrage der Besteuerung handelbarer Wandelschuldverschreibungen offen geblieben ist.
2. Die Kläger rügen ferner einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, da das FG den unstreitigen Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht sachlich geprüft habe.
Das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Das Gericht braucht sich nicht mit jedem Vorbringen in der Urteilsbegründung ausdrücklich zu befassen; es muss sich nur mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinander- setzen (BFH-Beschluss vom 28. November 2006 VI B 32/06, BFH/NV 2007, 439, m.w.N.). Im Streitfall kam es aufgrund der Bindung des FG an das zurückverweisende Urteil des Senats auf den Vortrag des Klägers nicht an, so dass das FG nicht verpflichtet war, auf diesen weiter einzugehen.
Fundstellen