Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Leitsatz (NV)
Enthält das FG-Urteil bindende Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die unabhängig von der Beantwortung einer aufgeworfenen Rechtsfrage zu dem vom FG vertretenen Ergebnis führen, so ist die Rechtsfrage mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig.
Normenkette
FGO §§ 76, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen 1 K 2927/00) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die mit Kfz und Anhängern aller Art sowie mit Ersatz- und Zubehörteilen handelt. Sie war in den Jahren 1993 bis 1996 (Streitjahre) an der W-GmbH beteiligt, die ebenfalls auf dem Gebiete des Kfz-Handels sowie der Kfz-Reparatur tätig war. Mit dieser Gesellschaft bestand seit dem 1. Januar 1994 ein Organschaftsverhältnis.
In einer bei beiden Unternehmen durchgeführten Betriebsprüfung blieb die Bewertung der Ersatzteile streitig. In der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1993 hatte die Klägerin auf diese Bestände einen Abschlag in Höhe von 243 768 DM vorgenommen, diesen allerdings im Rahmen der Betriebsprüfung neu ermittelt und auf 177 970 DM korrigiert. Die W-GmbH hatte bei der Bewertung ihres Vorratsvermögens zum 31. Dezember 1994 Abschläge in Höhe von 190 394 DM sowie zum 31. Dezember 1995 von 104 024 DM vorgenommen. Auch diese Abschläge ermittelte die Klägerin auf den 31. Dezember 1995 neu, und zwar in Höhe von 197 709 DM. Die Neuermittlung der Klägerin basierte auf der Einteilung der Teile in sog. Gängigkeitsgruppen (Gängigkeit = Jahresverbrauch / Bestand), die dann ―zu Faktorgruppen zusammengefasst― als Ansatz für die Lagerzeiten dienten.
Die Prüfungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) ergaben, dass Abschläge wegen Verschrottungen nur in Höhe von 16 020 DM für 1993 (Klägerin) und je 5 000 DM für 1994 und 1995 (W-GmbH) angesetzt werden konnten und Ersatzteile der Marke … nicht verschrottet, sondern an das Werk zurückgegeben wurden. Das FA erkannte Teilwertabschreibungen nur auf dieser Grundlage an und erließ geänderte Steuerbescheide.
Dagegen hat die Klägerin ―nach erfolglosem Einspruchsverfahren― Klage vor dem Finanzgericht (FG) erhoben, welche dieses als unbegründet abwies. Bei Vorratsvermögen spreche nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung dafür, dass der anzusetzende Teilwert den Anschaffungs- bzw. Wiederbeschaffungskosten entspreche. Begehre der Steuerpflichtige einen niedrigeren Ansatz, so müsse er diese Vermutung entkräften. Das sei der Klägerin, die ihre Bewertungsansätze auf die unterschiedliche Umschlagshäufigkeit einzelner Ersatzteilgruppen gestützt habe, nicht gelungen, weil sie zur Lagerdauer keine eigenen Aufzeichnungen vorgenommen habe, sondern sich nur auf Branchenüblichkeit und Schätzungen bezogen habe. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision gegen das Urteil der Vorinstanz beantragt.
Dem ist das FA entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Teilwertermittlung bei Ersatzteilbeständen seien zu präzisieren, grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Sie ist jedenfalls nicht klärungsfähig, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre (vgl. zu diesem Maßstab BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1992 X B 42/91, BFH/NV 1993, 549). Das FG hat seine Entscheidung auf die Überlegung gestützt, dass die Klägerin die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellte Teilwertvermutung für Ersatzteilbestände (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1994 IV R 18/92, BFHE 174, 149, BStBl II 1994, 514) bereits deshalb nicht habe entkräften können, weil ausreichende schriftliche Unterlagen im Hinblick auf die Lagerdauer der vorgehaltenen Ersatzteilbestände fehlten. Diese Feststellung wäre für den Senat in einem Revisionsverfahren bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), weshalb er ―unabhängig von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage― zu dem vom FG vertretenen Ergebnis kommen müsste.
2. Das FG ist auch nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von den Rechtsgrundsätzen im BFH-Urteil in BFHE 174, 149, BStBl II 1994, 514 abgewichen, sondern von ihnen vielmehr ―in weiten Teilen wörtlich― ausgegangen. Danach rechtfertigt eine lange Lagerdauer für sich allein regelmäßig keine Teilwertabschreibung, solange die Waren zu den ursprünglichen oder erhöhten Preisen angeboten und verkauft werden, es sei denn, dass nach den betrieblichen Gegebenheiten auch ohne bereits erfolgte Preisherabsetzungen auf eine geminderte oder ganz entfallende Absatzmöglichkeit geschlossen werden kann. Letzteres hat der BFH allerdings beim Handel mit Kfz-Ersatzteilen eingeschränkt und ausgeführt, dass bei der Einteilung der Waren nach der Umschlagshäufigkeit auch für die Waren der Gruppe mit geringerer Gängigkeit, die höhere Selbstkosten als die Waren mit besserer Gängigkeit verursachen, eine Teilwertabschreibung nur insoweit in Betracht kommt, als dargelegt oder sonst erkennbar wird, dass in den einzelnen Gruppen die Selbstkosten einschließlich der noch zu erwartenden Lagerkosten zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns durch den zu erwartenden Erlös nicht mehr gedeckt sind. Keine andere Aussage enthält das FG-Urteil, welches allein darauf abstellt, dass der erforderliche Nachweis unzureichend sei.
3. Die von der Klägerin mit ihrer Verfahrensrüge behaupteten Verstöße gegen die §§ 76 bzw. 96 Abs. 2 FGO sind nicht ordnungsgemäß gerügt worden. Da in vielen Fällen auf die Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften wirksam verzichtet werden kann (§§ 155 FGO i.V.m. 295 Zivilprozessordnung), gehört nach ständiger Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Rüge eines Verfahrensfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auch der Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden (verzichtbaren) Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz ordnungsgemäß gerügt wurde, es sei denn, dass sich dies schon aus dem Urteil selbst oder den in Bezug genommenen Unterlagen (wie der Sitzungsniederschrift) ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, sowie BFH-Beschlüsse vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; vom 10. Februar 2000 VIII B 14/99, BFH/NV 2000 ,971; vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125; vom 26. Juni 2002 I B 96/01, BFH/NV 2002, 1469). Die Verletzung der §§ 76 bzw. 96 FGO durch das FG ist ausweislich der FG-Akten (dort insbesondere der Protokollniederschrift zur mündlichen Verhandlung) nicht gerügt worden.
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1126286 |
BFH/NV 2004, 648 |