Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsanteile an einer GmbH als notwendiges Betriebsvermögen einer selbständigen Tätigkeit; Teilwertabschreibung auf GmbH-Beteiligung, Berücksichtigung des Verlusts einer Beteiligung bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG; Begründungsmangel
Normenkette
EStG §§ 18, 4 Abs. 3; FGO § 119 Nr. 6, § 105 Abs. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
FG Bremen (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen 1 K 410/02 (1)) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die an einer gewerblich tätigen GmbH beteiligt waren. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger (Ehemann) im Streitjahr (1991) seine Anteile an der GmbH auf den Teilwert abschreiben durfte.
Die GmbH war im Wesentlichen auf dem Gebiet der …aufbereitung tätig. Der Ehemann betrieb bis zum 30. Juni 1991 ein Ingenieurbüro. Er hatte ein Verfahren sowie Vorrichtungen zur Reinigung von … entwickelt, die Gegenstand von Schutzrechten waren. Er hatte der GmbH gegen Entgelt Lizenzen überlassen.
Unter dem Datum vom 3. Juli 1991 wurden drei Verträge abgeschlossen, die das weitere Schicksal der GmbH und der ihr überlassenen Lizenzen betrafen.
Mit dem ersten Vertrag wurden die Beteiligungsverhältnisse an der GmbH neu geregelt. Während bisher die Klägerin (Ehefrau) alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin gewesen war, traten nunmehr der Ehemann mit 49 v.H. der Anteile und die Beteiligungsgesellschaft X mit einem Anteil von 25,04 v.H. in die GmbH ein. Der Ehefrau verblieb demnach ein Anteil von 25,96 v.H. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedurften zu ihrer Wirksamkeit einer Mehrheit von 75 v.H. der Stimmen. Alleiniger Geschäftsführer wurde nunmehr der Ehemann. Er verpflichtete sich, den Betrieb des Ingenieurbüros einzustellen.
Die X sollte der GmbH ein Darlehen gewähren. Zugunsten des Ehemannes wurde ein Ankaufsrecht für die Geschäftsanteile der X vereinbart, das gelten sollte, sobald das Darlehen zurückgezahlt war und keine Landesbürgschaften mehr in Anspruch genommen wurden.
Bei dem zweiten Vertrag handelte es sich um einen (erneuten) Lizenzvertrag zwischen der GmbH und dem Ehemann. Die Lizenzgebühr sollte sich auf 5 v.H. der im jeweils vorangegangenen Jahr von der GmbH "für den Verkauf von Lizenzgegenständen" in Rechnung gestellten Nettobeträge belaufen. Lizenzgebühren brauchten nicht gezahlt zu werden, sofern der Jahresabschluss der GmbH im Vorjahr einen Verlust auswies. 50 v.H. der vereinnahmten Lizenzgebühren sollte der Ehemann der GmbH als Darlehen zur Verfügung stellen.
Mit dem dritten Vertrag schlossen sich die klagenden Eheleute zu einer GbR zusammen. Gesellschaftszweck sollte die "gemeinsame Erzielung von Einkünften" aus dem mit der GmbH geschlossenen Lizenzvertrag sein. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages sollten die Gewinne der GbR nach Maßgabe der Beteiligung der Eheleute an der GmbH verteilt werden. Die Ehefrau erteilte ihrem Ehemann eine widerrufliche Vollmacht zur Ausübung ihrer Stimmrechte in der GmbH.
Nachdem der Ehemann gemäß einer Rechnung vom 15. März 1991 von der GmbH noch Lizenzgebühren in Höhe von … DM erhalten hatte, zahlte die GmbH einem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 16. Mai 1997 zufolge fernerhin keine Lizenzgebühren mehr, da ihre Jahresabschlüsse nur noch Verluste auswiesen.
Im Herbst des Jahres 1995 wurde beantragt, das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH zu eröffnen, was im Januar des Jahres 1996 auch geschah. Beide Eheleute hatten bereits in der Zeit vor dem Streitjahr gegenüber der Z-Bank Bürgschaften zugunsten der GmbH übernommen. Außerdem hatte sich die Bank eine Sicherungsgrundschuld an dem dem Ehemann gehörenden gemeinsam genutzten Einfamilienhaus eintragen lassen. Aus diesen Bürgschaften nahm die Bank die Eheleute in Anspruch, wobei sie sich anstelle der ursprünglich geltend gemachten Forderung in Höhe von … DM mit einer Zahlung der Ehefrau von … DM begnügte.
Die Eheleute vertraten zunächst die Auffassung, zwischen der GbR und der GmbH habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. Sie beantragten daher, die Einkünfte der GbR in der Weise gesondert und einheitlich festzustellen, dass eine Teilwertabschreibung auf die GmbH-Anteile berücksichtigt würde. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab, indem er einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid erließ. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in dem damaligen Rechtsstreit die Auffassung, es sei nicht die GbR, sondern der Ehemann gewesen, der der GmbH die Lizenzen zur Nutzung überlassen habe.
Daraufhin beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid 1991 in der Weise zu ändern, dass die zuvor bei der GbR geltend gemachte Teilwertabschreibung bei den Einkünften des Ehemannes berücksichtigt würde. Sie machten nunmehr geltend, eine Betriebsaufspaltung bestehe zwischen der GmbH und dem Ehemann als Einzelbesitzunternehmen. Das FA folgte diesem Antrag nicht. Einspruch und Klage blieben ebenfalls erfolglos. Allerdings berücksichtigte das FA die Wertminderung der Anteile der Ehefrau nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Einkommensteuerveranlagung 1996.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf Verfahrensmängel und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützt ist.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
Die Kläger rügen mit Recht, dass das Urteil des FG in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht mit Gründen versehen ist.
a) Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO muss das Urteil eines FG Entscheidungsgründe enthalten. Durch die Entscheidungsgründe sollen die Verfahrensbeteiligten erfahren, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen die Entscheidung beruht (vgl. etwa Senatsurteil vom 31. Mai 2001 IV R 93/99, BFH/NV 2001, 1570). Fehlt es daran, so liegt ein Verfahrensmangel vor, der nach neuem Recht (FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 2002 VI B 98/01, BFH/NV 2002, 810, m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Begründungsmangel nicht nur dann gegeben, wenn eine Begründung für den Urteilsausspruch überhaupt fehlt oder die Entscheidungsgründe insgesamt nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind; Begründungsmängel können sich vielmehr auch auf einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel beziehen. Danach muss es sich um einen selbständigen Klagegrund oder um ein solches Angriffs- oder Verteidigungsmittel handeln, das den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet (vgl. z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1570, m.w.N.). Dementsprechend hat die Rechtsprechung des BFH einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO auch dann bejaht, wenn das Urteil hinsichtlich eines "wesentlichen Streitpunkts" nicht mit Gründen versehen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46; BFH-Beschlüsse vom 30. September 2003 IV B 23/02, BFH/NV 2004, 457, und vom 21. April 2004 IX B 155/03, juris).
b) Im Streitfall ist das FG auf einen selbständigen prozessualen Anspruch nicht eingegangen. Es hat die Frage, ob die Geschäftsanteile an der GmbH zum notwendigen Betriebsvermögen einer selbständigen Tätigkeit i.S. des § 18 EStG gehörten, nicht in nachvollziehbarer Weise geprüft und beantwortet. Auf diese Frage kam es --nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG-- entscheidungserheblich an. Das FG ist nämlich davon ausgegangen, dass der Kläger mit der Lizenzüberlassung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielte. Auch die Kläger hatten in ihrer Einspruchsbegründung vom 27. Januar 1997 diese Auffassung für den Fall vertreten, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht vorlägen. Verhielt es sich so, lag es aber nahe, dass die Geschäftsanteile der GmbH notwendiges Betriebsvermögen der selbständigen Tätigkeit waren. Denn die GmbH diente dazu, die vom Ehemann entwickelten Verfahren und Vorrichtungen wirtschaftlich zu verwerten und ihnen zum Markterfolg zu verhelfen (Präambel des Lizenzvertrages vom 3. Juli 1991). Zudem hätten die Lizenzen --wären sie denn geflossen-- die einzigen Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit dargestellt. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 26. April 2001 IV R 14/00 (BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798, m.w.N.; vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 24. Aufl., § 18 Rz. 64 und 164). In Anbetracht dessen reichte es nicht aus, wenn das FG sich zur Begründung seiner Entscheidung in diesem Punkt auf den Satz beschränkte, die Beteiligung an der GmbH sei deswegen kein notwendiges Betriebsvermögen einer selbständigen Tätigkeit des Klägers als freier Erfinder gewesen, weil sie dieser Tätigkeit nicht in dem Sinne unmittelbar gedient habe, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb des Klägers selbst bestimmt gewesen sei. Das FG hätte ausführen müssen, warum das so gewesen sein soll. Auch der Hinweis auf das BFH-Urteil vom 30. April 1975 I R 111/73 (BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582) lässt nicht erkennen, welche Erwägungen für das vom FG für richtig gehaltene Ergebnis maßgeblich gewesen sein könnten, da der BFH in diesem Urteil gewillkürtes Betriebsvermögen angenommen hat und daher auf die Frage, ob notwendiges Betriebsvermögen vorlag, nicht näher eingehen musste.
Der Senat hat auch geprüft, ob der Entscheidung des FG möglicherweise die --unausgesprochene-- Erwägung zugrunde liegt, der Ehemann habe seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und habe aus diesem Grund keine Teilwertabschreibung vornehmen dürfen (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 24. November 1955 IV 231/53 U, BFHE 62, 97, BStBl III 1956, 38).
Der Ehemann hatte offenbar erst nachträglich eine Bilanz aufgestellt. Die Berichterstatterin des FG hatte zwar noch in ihrer Hinweisverfügung vom 29. Januar 2004 Zweifel daran geäußert, ob dies zulässig sei. Im Urteil finden sich derartige Zweifel jedoch nicht mehr.
Nach alledem genügt das angefochtene Urteil dem Erfordernis einer hinreichenden Begründung schon deshalb nicht, weil nicht erkennbar ist, ob die Vorinstanz nicht von einem BFH-Urteil (z.B. dem in BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798) abgewichen ist.
c) Da die Revision bereits aufgrund des absoluten Revisionsgrundes der mangelnden Begründung (§ 119 Nr. 6 FGO) zuzulassen war, musste über die weiteren von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe nicht mehr entschieden werden.
d) Nach § 116 Abs. 6 FGO kann, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich ein Verfahrensmangel gerügt wird, der BFH das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit an das FG zurückverweisen. Der Senat hält es für sachgerecht, im Streitfall in dieser Weise zu verfahren. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist er auf Folgendes hin:
aa) Die Ausführungen, mit denen das FG eine Beherrschung der Betriebs-GmbH durch den Ehemann verneint hat, entsprechen der Rechtsprechung des BFH. Wenn in der Beschwerdebegründung die Auffassung vertreten wird, der Ehemann habe seine Vorstellungen in der Betriebs-GmbH trotz seiner Minderheitsbeteiligung von 49 v.H. aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer verbunden mit der notwendigen "Sperrminorität" durchsetzen können, so wird das vom FG zitierte BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 XI R 25/88 (BFH/NV 1991, 454) übersehen. In diesem Urteil hat der BFH hervorgehoben, dass die Möglichkeit des lediglich zu 50 v.H. an der Betriebs-GmbH beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers, unerwünschte Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern, ihm nicht die Durchsetzung seiner Vorstellungen in der GmbH gestattet (ebenso BFH-Urteil vom 22. Februar 1985 III R 174/80, BFH/NV 1985, 49). Versteht man die Durchsetzung des Beherrschungswillens in diesem Sinne, weicht das Urteil der Vorinstanz --entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung-- auch nicht von den BFH-Urteilen vom 28. Januar 1982 IV R 100/78 (BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479) und vom 21. August 1996 X R 25/93 (BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44) ab.
bb) Soweit das FG es abgelehnt hat, die Stimmrechte der Ehefrau dem Ehemann zuzurechnen, handelt es sich um eine Wertung des Sachverhalts, die weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Dem FG kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, es habe bei seiner Wertung die Bedeutung der gemeinsamen finanziellen und wirtschaftlichen Beiträge der Eheleute (Bürgschaften, Beleihung des Wohnhauses) übersehen. Das FG hat diese Umstände vielmehr im Tatbestand seines Urteils aufgeführt, sie dann aber in den insoweit sehr ausführlichen Gründen nicht mehr erwähnt, weil es sie offenbar nicht für entscheidungserheblich hielt. Diese Einschätzung des FG war vor dem Hintergrund, dass eine solche Zusammenrechnung in Anbetracht der Vorgaben im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u.a. (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) die Ausnahme bleiben muss, zumindest nahe liegend.
cc) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung gelangen, dass die GmbH-Anteile notwendiges Betriebsvermögen der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes waren, stellt sich die bereits erwähnte Frage, ob die hier vorliegende Art der Gewinnermittlung eine Teilwertabschreibung zuließ (vgl. z.B. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Anm. 536, m.w.N.). Für den Fall, dass der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wurde, wäre dies nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu verneinen.
Der BFH hat jedoch anerkannt, dass auch bei einem Freiberufler, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, der Verlust einer Beteiligung in dem Zeitpunkt berücksichtigt werden kann, in dem die Beteiligung endgültig verloren ist (Senatsurteil vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109). Sollte danach eine Berücksichtigung im Streitjahr nicht in Betracht kommen, könnte der Rechtsstreit in der Weise außergerichtlich zu erledigen sein, dass der Verlust in einem späteren Jahr berücksichtigt wird.
Fundstellen