Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung eines Aufhebungsbescheides als negativer Feststellungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 kommt in Betracht, wenn ein Sachverhalt zunächst Gegenstand eines Feststellungsverfahrens war, dieser aber ersatzlos aufgehoben wird, oder wenn ein negativer Feststellungsbescheid erlassen wird, in dem die verfahrensrechtliche Frage der Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 180 AO 1977 "selbständig und abschließend" entschieden wird.
2. Zur Klärung der Frage, ob ein materiell- rechtliche Rechtsfolgen regelnder negativer Feststellungsbescheid vorliegt, ist nicht nur auf den Tenor dieses Bescheides abzustellen, sondern auf dessen materiellen Regelungsgehalt einschließlich seiner Begründung.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 180, 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
1. Die gerügte Abweichung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1991 IX R 57/88 (BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821) und vom 11. Mai 1993 IX R 27/90 (BFHE 171, 486, BStBl II 1993, 820) besteht nicht. Nach diesen Entscheidungen kommt eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht, wenn ein Sachverhalt zunächst Gegenstand eines Feststellungsverfahrens war, dieser aber ersatzlos aufgehoben wird, oder wenn ein negativer Feststellungsbescheid erlassen wird, in dem die verfahrensrechtliche Frage der Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 180 AO 1977 "selbständig und abschließend entschieden wird" (Urteil in BFHE 171, 486, 489, BStBl II 1993, 820). In einem solchen Falle sind die fraglichen Besteuerungsgrundlagen sodann bei der Einkommensteuerveranlagung unmittelbar zu berücksichtigen (vgl. auch BFH-Urteile vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; vom 7. Dezember 1993 IX R 134/92, BFH/NV 1994, 547). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Rechtsgedanken, daß in den Fällen, in denen ein Sachverhaltskomplex, der zunächst in einem Grundlagenbescheid geregelt war, durch dessen Aufhebung oder Änderung aus dessen Regelungsbereich ausgegliedert und damit aus der Bindungswirkung entlassen wird (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1993 X R 34/90, BFHE 172, 290, 296 f., BStBl II 1994, 77). Hierum geht es indes im Streitfall nicht.
Gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 sind Feststellungsbescheide für Folgebescheide (insbesondere Steuerbescheide) bindend, soweit die in ihnen getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheids) reicht so weit wie sein notwendiger oder möglicher (zulässiger) Inhalt. Bindend sind dabei sowohl die positiven wie die negativen Feststellungen (z. B. BFH-Urteile vom 18. September 1975 III R 96/74, BFHE 116, 560, BStBl II 1975, 874; vom 7. April 1993 II R 107/89, BFH/NV 1994, 453). Zur Klärung der Frage, ob ein materiell-rechtliche Rechtsfolgen regelnder negativer Feststellungsbescheid vorliegt, ist entgegen der Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nicht nur auf den Tenor des Bescheides abzustellen, sondern auf den materiellen Regelungsgehalt des Bescheides einschließlich seiner Begründung. Das FG hat in seiner hiernach erforderlichen Beurteilung zutreffenderweise nicht allein auf den Tenor des Aufhebungsbescheides abgehoben, sondern auch darauf, daß dieser auf die Feststellungen in Tz. 12 des zugleich übersandten Berichts über die Steuerfahndungsprüfung Bezug genommen hat. In diesem Bericht war die Auffassung vertreten worden, eine Zurechnung von negativen Einkünften auf die Klägerin komme nicht in Betracht (vgl. BFH- Urteil vom 8. November 1988 IX R 26/86, BFH/NV 1989, 438; zur Deutung eines sog. Nullbescheides als negativer Feststellungsbescheid BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293). Die hieraus gezogene Schlußfolgerung des FG, das Betriebsfinanzamt habe in einem negativen Feststellungsbescheid gewerbliche Einkünfte der Klägerin verneint, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Aufhebungsbescheid lasse ihr -- soweit dies verfahrensrechtlich noch möglich ist -- die Möglichkeit, negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb geltend zu machen. Demgegenüber hat das FG angenommen, durch diesen Bescheid als negativen Feststellungsbescheid, der aus sachlichen Gründen die Feststellung negativer Einkünfte ablehne, werde bindend festgestellt, daß in den Einkommensteuerbescheiden der Klägerin keine Einkünfte aus dem fraglichen Rechtsverhältnis angesetzt werden dürfen. Diese rechtliche Beurteilung weicht nicht von der Rechtsprechung des BFH ab.
2. Unabhängig davon, ob die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß dargelegt hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung), wirft der Rechtsstreit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
3. Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 420627 |
BFH/NV 1995, 858 |