Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens
Leitsatz (NV)
Wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittelfrist durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person oder Gesellschaft Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag schafft. Insbesondere muss er innerhalb der Rechtsmittelfrist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel - in zumindest laienhafter Weise ‐ darstellen.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 117 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Antragsteller und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehefrau gaben für die Veranlagungszeiträume 1985 und 1987 keine Einkommensteuererklärungen ab. Das Finanzamt (FA) legte daraufhin der Besteuerung die von der Ehefrau des Antragstellers erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu Grunde und schätzte die Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb, wobei es die Erkenntnisse einer beim Antragsteller durchgeführten Außenprüfung auswertete. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 1985 und 1987 vom 23. Dezember 1991 wurden bestandskräftig.
Am 24. Oktober 1994 beantragte der Antragsteller beim FA, die Einkommensteuerschulden für 1985 und 1987 auf ihn und seine Ehefrau aufzuteilen. Am 27. Juni 1995 erließ das FA Aufteilungsbescheide, die der Antragsteller mit dem Einspruch anfocht. Gegen die daraufhin am 5. März 1997 erlassenen Änderungsaufteilungsbescheide legte der Antragsteller erneut Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der anschließend erhobenen Klage, mit welcher der Antragsteller die Aufhebung der Aufteilungsbescheide und der Einspruchsentscheidung begehrte, machte er geltend, im Jahr 1982 sei eine Löschungsbewilligung bezüglich einer auf dem Grundstück seiner Ehefrau für Steuerschulden eingetragenen Sicherungshypothek erteilt worden. Von diesem Zeitpunkt an sei für das FA klar erkennbar gewesen, dass seine Ehefrau für seine Steuern nicht mehr gesamtschuldnerisch hafte. Die Aufteilungsbescheide könnten auch deshalb nicht wirksam sein, weil er die Einkommensteuerfestsetzungen für 1985 bis 1989 angefochten habe. Ferner habe das FA in der Ankündigung der Vollstreckung gegen seine Ehefrau vom 31. Juli 1997 weitere Säumniszuschläge geltend gemacht, ohne dass erkennbar sei, worauf sich diese bezögen.
Die ca. vier Jahre andauernde Untätigkeit des Finanzgerichts (FG) verstoße gegen Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Menschenrechtskonvention ―MRK―).
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass das FA die rückständigen Steuern entsprechend den in den §§ 270 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) vorgesehenen Maßstäben aufgeteilt habe. Weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch aus den Akten seien Gründe ersichtlich, die gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufteilungsbescheide sprächen. Soweit sich der Antragsteller auf die im Jahr 1982 erteilte Löschungsbewilligung berufe, habe diese für die Aufteilung der Einkommensteuerschulden 1985 und 1987 keine Bedeutung. Dies folge bereits aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung.
Soweit der Antragsteller mit den Einkommensteuerfestsetzungen 1985 und 1987 nicht einverstanden gewesen sei, hätte er die betreffenden Einkommensteuerbescheide anfechten müssen. Dies sei entgegen der Behauptung des Antragstellers nicht geschehen.
Die Dauer des gerichtlichen Rechtsstreits von vier Jahren begründe keinen Verstoß gegen Art. 6 MRK. Selbst wenn ein solcher Verstoß vorläge, hätte dies nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Aufteilungsbescheide zur Folge.
Mit Schreiben an das FG vom 11. Januar 2002 beantragte der Antragsteller, das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG vom 22. November 2001 dahin gehend zu ergänzen, dass er zu Beginn der Verhandlung beantragt habe, der Klage wegen Verstoßes gegen die MRK stattzugeben.
Diesen Antrag lehnte das FG mit Beschluss vom 18. Januar 2002 ab.
Gegen das FG-Urteil hat der Antragsteller persönlich Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und gleichzeitig Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Zur Begründung seines Antrages führt er im Wesentlichen aus, die "unterlassene/unterdrückte Protokollierung (seines) in der mündlichen Verhandlung (vor dem FG) vom 22. November 2001 wiederholten Antrages, der Klage stattzugeben wegen Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, dürfte ausreichen, einer anwaltlich einzubringenden Revision stattzugeben".
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Für den beim Bundesfinanzhof (BFH) als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 20, m.w.N.).
Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird ―wie hier― nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittelfrist durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person oder Gesellschaft (vgl. § 62a FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757; im Folgenden: FGO n.F.) Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag schafft. Insbesondere muss er innerhalb der Rechtsmittelfrist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel ―in zumindest laienhafter Weise― darstellen (vgl. § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO; ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2001 III S 15/00, BFH/NV 2001, 1270, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Rz. 12, m.w.N.).
Daran fehlt es im Streitfall. Die Ausführungen des Antragstellers in seinem PKH-Gesuch erschöpfen sich in dem Hinweis, dass die "unterlassene/unterdrückte Protokollierung (seines) in der mündlichen Verhandlung (vor dem FG) vom 22. November 2001 wiederholten Antrages, der Klage stattzugeben wegen Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention … ausreichen (dürfte) einer anwaltlich einzubringenden Revision stattzugeben".
Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers von einer gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verstoßenden Überlänge des FG-Verfahrens ausgeht, könnte die Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden. Der Antragsteller vermochte nämlich nicht darzulegen, dass die Klage abweisende Entscheidung des FG auf dem angenommenen Verfahrensfehler beruhen kann. Dazu hätte es ―was nicht geschehen ist― des schlüssigen Vortrages bedurft, dass die Entscheidung des FG anders und für den Antragsteller günstiger hätte ausfallen können, wenn das FG seine Entscheidung binnen kürzerer Frist ―also ohne den gerügten Verfahrensfehler der überlangen Verfahrensdauer― getroffen hätte (vgl. auch BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter 1. b der Gründe; seither ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Beschluss vom 28. November 2000 IV B 95/00, nicht veröffentlicht ―n.v.―; die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148 ist nicht zur Entscheidung angenommen worden; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1994 2 BvR 74-75/92, n.v.).
Im Hinblick auf den Umstand, dass sich weder aus den Steuergesetzen noch aus Art. 6 Abs. 1 MRK oder aus Vorschriften des Grundgesetzes die Rechtsfolge ableiten lässt, ein Aufteilungsbescheid werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, wenn das FG über die bei ihm erhobene Klage nicht binnen angemessener Frist entschieden habe (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter 2. a der Gründe; ferner Gräber/von Groll, a.a.O., Vor § 76 Rz. 7, m.w.N.), bietet auch eine auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO n.F. gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers augenscheinlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
2. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Rz. 34, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 737843 |
BFH/NV 2002, 949 |