Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Umlauf-/Anlagevermögen; Neuheit eines Wirtschaftsgutes im investitionszulagenrechtlichen Sinn
Leitsatz (NV)
1. Ist zum Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes noch ungewiss, ob es künftig dauerhaft im Geschäftsbetrieb eingesetzt oder weiterveräußert werden soll, rechnet es zum Umlaufvermögen.
2. Lassen die äußeren Umstände keinen eindeutigen Schluss zu, ob ein Wirtschaftsgut dauernd dem Betrieb dienen soll oder nicht, kommt es entscheidend darauf an, welche Funktion dem Wirtschaftsgut nach dem Willen des Betriebsinhabers zukommen soll.
3. Für ein ungebrauchtes Wirtschaftsgut, das zum Anlagevermögen des Veräußerers gehört hat, besteht kein Anspruch auf Investitionszulage. Sind die Beteiligten bei der Veräußerung in vertretbarer Rechtsauffassung davon ausgegangen, das Wirtschaftsgut habe zum Umlaufvermögen des Veräußerers gehört, ist dem für Zwecke der Investitionszulage zu folgen.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3, Abs. 6; GG Art. 103 Abs. 1; HGB § 247 Abs. 2; InvZulG 1993 § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 5 K 2662/01) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten in Gaststätten. Für die Kalenderjahre 1995 und 1996 beantragte sie für Spielgeräte Investitionszulage. Diese hatte sie von Herrn K, der einen Automatenaufstellungsbetrieb unterhält und Gesellschafter der Klägerin ist, erworben. In dem Investitionszulagenantrag für 1996 gab sie die Gerätenummern der Spielautomaten nicht an. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Geräte Pos. 3 bis 6, 9 bis 11, 13 bis 16 des Investitionszulagenantrages 1995 seien nicht neu, da sie von einem Automatenaufsteller erworben worden seien und zudem das Zulassungsdatum vor dem Rechnungsdatum liege. Die Geräte Pos. 2, 5, 8, 12, 13 und 20 bis 22 des Investitionszulagenantrages 1996 seien im Investitionszulagenantrag nicht hinreichend genau bezeichnet worden. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Spielautomaten hätten vor dem Erwerb durch die Klägerin zum Anlagevermögen der Firma K gehört. Ein Wirtschaftsgut sei ohne Rücksicht auf eine fehlende Ingebrauchnahme auch dann nicht neu i.S. des § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993/1996 anzusehen, wenn es vor dem Erwerb durch den Investor zum Anlagevermögen eines anderen Betriebs gehört habe und von diesem angeschafft oder hergestellt worden sei (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 1999 III R 85/97, BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613). Die Klage gegen den Investitionszulagenbescheid für 1996 habe im Übrigen auch deswegen keinen Erfolg, weil die Klägerin in ihrem Antrag die Wirtschaftsgüter nicht hinreichend genau bezeichnet habe.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, das FG habe erstmals in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Spielautomaten hätten vor dem Erwerb durch die Klägerin zum Anlagevermögen der Firma K gehört. Dies habe das FG damit begründet, diese Firma habe nicht als Händler am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, und es habe bei Einkauf der Spielautomaten nicht festgestanden, ob diese weiterveräußert würden. Der Klägerin sei keine Gelegenheit gegeben worden, sich zu dieser Ansicht zu äußern. Dies stelle einen Verfahrensmangel dar, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen müsse.
Hätte das FG die Klägerin unter ordnungsgemäßer Anwendung der Rechtsvorschriften darauf hingewiesen, dass es davon ausgehe, die Geldspielautomaten gehörten zum Anlagevermögen der Firma K, hätte sie, die Klägerin, dies widerlegen können. Gemäß § 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien Gegenstände als Anlagevermögen auszuweisen, die bestimmt seien, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Die Entscheidung hierüber treffe der Unternehmer. Einen Automatismus, wie ihn offensichtlich das FG sehe, gebe es in der Literatur nicht. Im vorliegenden Fall hätten die Geräte zu keinem Zeitpunkt bei der Firma K dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienen sollen. Somit sei nach herrschender Meinung eindeutig Umlaufvermögen gegeben und die Klägerin habe neue Wirtschaftsgüter erworben.
Die Revision sei weiterhin zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 2. Alternative FGO). Die Klägerin habe im Investitionszulagenantrag 1996 die Wirtschaftsgüter, für die eine Investitionszulage beantragt worden sei, mit der handelsüblichen Bezeichnung benannt, ohne eine Gerätenummer anzugeben. Dies sei vom FA bei der Festsetzung der Investitionszulage nicht beanstandet worden. Die Überprüfung der einzelnen Geldspielgeräte habe keine Schwierigkeiten bereitet. Nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 7. November 2000 III R 7/97, BFHE 193, 219, BStBl II 2001, 200) komme es für die Frage, welche Anforderungen an die Bezeichnung eines Wirtschaftsgutes konkret zu stellen seien, auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles an. Das FG entscheide jedoch pauschal, dass die fehlende Angabe der Gerätenummern diesen Grundsätzen nicht genüge.
Im vorliegenden Fall sei festzuhalten, dass für die Geldspielgeräte eine behördliche Zulassung notwendig sei, woraus im Zusammenhang mit dem Anschaffungsdatum und der in der Zulassung genannten Gerätenummer das Gerät identifiziert werden könne.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist hinsichtlich des Jahres 1995 begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Verfahrensmangel liegt vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat das rechtliche Gehör der Klägerin (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt.
Eine Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 9. Januar 2004 III B 33/03, BFH/NV 2004, 534) vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die angeschafften Spielgeräte neu, also ungebraucht waren. Hierzu hat das FG eine Beweisaufnahme durchgeführt und den Zeugen B, einen früheren Angestellten der Firma K, vernommen. Nach dessen Aussage hatte bereits der Lieferant die Zulassung der Spielgeräte beantragt und schon zugelassene Spielgeräte mit verkürzter Laufzeit verkauft. Die Firma K habe wegen damaliger Lieferengpässe Geräte auch auf Vorrat angekauft. Zu den einzelnen Kaufgeschäften mit der Klägerin könne er heute keine Auskunft mehr geben.
Aus der Zeugenaussage ergab sich, dass die Geräte, obwohl sie bereits vor der Veräußerung an die Firma K zum Teil zugelassen waren, dennoch ungebraucht waren. Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass das FG trotz dieser Aussage davon ausgehen würde, die Spielgeräte gehörten zum Anlagevermögen der Firma K.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar ein Wirtschaftsgut ohne Rücksicht auf eine fehlende Ingebrauchnahme auch dann nicht als neu i.S. des § 2 Abs. 1 InvZulG 1993/1996 anzusehen, wenn es vor dem Erwerb durch den Investor zum Anlagevermögen eines anderen Betriebs gehört hat und von diesem angeschafft oder hergestellt worden ist (Senatsurteil in BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613).
Die Frage, ob die Spielgeräte auch dann zum Anlagevermögen der Firma K zu rechnen seien, wenn sie neu waren, war jedoch zuvor weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erörtert worden. Aus der Zeugenaussage ergaben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die an die Klägerin weiterveräußerten Geräte zuvor zum Anlagevermögen der Firma K gehört hätten. Vielmehr hatte der Zeuge in der mündlichen Verhandlung erklärt, er könne zu den Veräußerungsgeschäften mit der Klägerin nach diesem zeitlichen Abstand nichts mehr mitteilen. Auch sonst lagen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Spielgeräte hätten entgegen dem bekundeten Willen von K zum Anlagevermögen seines Betriebes gehört.
Als Anlagevermögen auszuweisen sind nur die Gegenstände, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB; vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 2001 IV R 47, 48/00, BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289). Zum Umlaufvermögen gehören demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Die Zuordnung orientiert sich maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes im Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss, wie etwa der Art des Wirtschaftsgutes oder der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb (BFH-Urteil in BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289, m.w.N.). Ist zum Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes noch ungewiss, ob es künftig dauerhaft im Geschäftsbetrieb eingesetzt, oder aber weiterveräußert werden soll, rechnet es zum Umlaufvermögen.
Die Klägerin brauchte danach ohne Hinweis des FG nicht damit zu rechnen, dass das FG die Geräte als Anlagevermögen beurteilen würde. Zwar handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach typischerweise im Betrieb des K auf Dauer eingesetzt werden; andererseits sind die Geräte, was wesentlich für ihre Eigenschaft als Umlaufvermögen spricht, aber alsbald nach ihrer Anschaffung weiterveräußert worden, ohne dass sie zuvor in Gebrauch genommen wurden. Ferner war K Gesellschafter der Klägerin, was es als plausibel erscheinen lässt, dass die Geräte angesichts der Lieferengpässe auch zur Weiterveräußerung an die Klägerin bestimmt waren. Lassen die äußeren Umstände keinen eindeutigen Schluss zu, ob ein Wirtschaftsgut dauerhaft dem Betrieb dienen soll oder nicht, kommt es entscheidend darauf an, welche Funktion dem Wirtschaftsgut nach dem Willen des Betriebsinhabers zukommen soll. Dieser Wille ist aber offen geblieben, denn ausweislich der Sitzungsniederschrift konnte der Zeuge B zu den Geschäften der Firma K nichts mehr mitteilen.
Das Urteil des Senats in BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613 ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar, denn dort war die Zugehörigkeit des LKW zum Anlagevermögen des Veräußerers durch die Zulassung des LKW dokumentiert. Daraus konnte der Schluss abgeleitet werden, das Fahrzeug solle dauerhaft dem Betrieb des Veräußerers dienen. Im Streitfall liegen jedoch derartige objektive Anhaltspunkte nicht vor. Die Entscheidung in BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613 bezweckt, eine Doppelförderung zu vermeiden. Ist nach Lage der Dinge eine Doppelförderung aber ausgeschlossen und sind die Beteiligten bei der Veräußerung in vertretbarer Rechtsauffassung davon ausgegangen, die Wirtschaftsgüter gehörten zum Umlaufvermögen des Veräußerers, ist dem für Zwecke der Investitionszulage zu folgen, weil andernfalls wegen der Ausschlussfrist des § 6 Abs. 1 InvZulG 1993/1996 der Anspruch auf Investitionszulage verloren geht, ohne dass dies den Beteiligten angelastet werden könnte und obwohl materiell begünstigte Investitionen getätigt wurden.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des FG anders ausgefallen wäre, wenn es der Klägerin einen rechtlichen Hinweis gegeben hätte. Die Klägerin hätte dann vortragen können, dass die äußeren Umstände gerade nicht für Anlagevermögen, sondern Umlaufvermögen sprächen und hätte ggf. noch Beweisanträge stellen können.
2. Hinsichtlich des Jahres 1996 ist die Beschwerde unzulässig. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die einschlägige Rechtsprechung des Senats verlangt für eine hinreichend genaue Bezeichnung der Investition im Investitionszulagenantrag, dass für die mit der Prüfung des Antrags befassten Beamten bei Fristablauf klar und einwandfrei erkennbar sein müsse, für welche Wirtschaftsgüter die Zulage in Anspruch genommen werde (z.B. Senatsurteile in BFHE 193, 219, BStBl II 2001, 200, und vom 21. März 2002 III R 30/99, BStBl II 2002, 547).
Die Klägerin hat keinen hiervon abweichenden tragenden Rechtssatz des FG herausgearbeitet, der diesen Grundsätzen widerspricht (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Juli 2003 X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603). Sie rügt vielmehr, das FG habe die vom BFH entwickelten Grundsätze im Streitfall unzutreffend angewandt. Die Klägerin macht damit eine unrichtige Subsumtion, d.h. einen materiell-rechtlichen Fehler des FG und keine Abweichung geltend. Denn eine Abweichung liegt nicht vor, wenn dem FG bei der Anwendung von Rechtssätzen des BFH auf den Streitfall Fehler unterlaufen (BFH-Beschluss vom 17. Februar 1999 IV B 44/98, BFH/NV 1999, 1110).
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Sie erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf jenen Teil der Beschwerde, der als unzulässig verworfen worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1332197 |
BFH/NV 2005, 915 |
DB 2007, 9 |