Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme des durch Konkurs unterbrochenen Verfahrens durch das FA; Ersatzzustellung an getrennt lebenden Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Zur Wiederaufnahme des durch Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde durch das FA.
2. Die Frage, ob eine (Ersatz-)Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde an den Ehegatten auch dann wirksam ist, wenn die Eheleute für Außenstehende nicht erkennbar innerhalb der gemeinsamen ehelichen Wohnung getrennt leben, ist von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1, §§ 115, 155; ZPO § 118 Abs. 1, § 240; KO § 146; VwZG § 3
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
1. Die von dem Gemeinschuldner erhobene Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem die Klage gegen einen gegen den Gemeinschuldner ergangenen Umsatzsteuer-Haftungsbescheid abgewiesen worden ist. Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners wurde das Beschwerdeverfahren unterbrochen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 240 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das beklagte Finanzamt (FA) hat das infolge Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde rechtswirksam aufgenommen. Es war als Gläubiger der titulierten Umsatzsteuer-Haftungsforderung zur Aufnahme des Verfahrens berechtigt.
Ist im Zeitpunkt der Konkurseröffnung eine Anfechtungsklage gegen einen vor Konkurseröffnung erlassenen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftigen Abgabenbescheid anhängig, richtet sich die Aufnahme des Verfahrens nach § 146 der Konkursordnung (KO). Gemäß § 146 Abs. 5 KO finden, wenn für die Feststellung einer streitig gebliebenen Forderung ein Verwaltungsgericht (hier FG) zuständig ist, die Vorschriften des § 146 Abs. 1, 3 und 4 KO entsprechende Anwendung. Vorliegend richtet sich die Aufnahme indessen nach § 146 Abs. 6 KO, weil Gegenstand des Verfahrens eine titulierte Forderung ist. Nach dieser Vorschrift ist, wenn für die Forderung ein mit der Vollstreckungsklausel versehener Schuldtitel vorliegt, der Widerspruch - und damit die Aufnahme des Rechtsstreits - von dem Widersprechenden, d.h. vom bestreitenden Konkursverwalter oder von einem bestreitenden anderen Konkursgläubiger, zu verfolgen. Zu den titulierten Forderungen im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein Steuer- oder Haftungsbescheid zu rechnen, weil die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dieser Bescheide durch die Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich nicht gehemmt wird (vgl. § 361 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 69 Abs. 1 FGO) und es für die Vollstreckung einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf (§§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1, 254 Abs. 1 AO 1977; vgl. auch § 3 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes). Obwohl in § 146 Abs. 6 KO nur von der Verfolgung des Widerspruchs durch den Widersprechenden die Rede ist, darf auch der Gläubiger und Inhaber des Schuldtitels - hier das FA - den Rechtsstreit aufnehmen. § 146 Abs. 6 KO nimmt dem titulierten Gläubiger nur die Beitreibungslast ab, entzieht ihm aber nicht auch die Beitreibungsbefugnis (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1988 8 C 73/85, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 314 m.w.N.; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 251 AO 1977 Tz. 18; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., § 146 Rdnr. 36).
Die Voraussetzungen für die Aufnahme des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision liegen vor. Das FA hat die Forderung im Konkursverfahren angemeldet. Der Konkursverwalter hat die Forderung im Prüfungstermin bestritten.
2. Die Revision war zuzulassen, weil die für die Einhaltung der Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) im Streitfall maßgebliche Rechtsfrage, ob eine (Ersatz-)Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde an den Ehegatten gemäß § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes i.V.m. § 181 Abs. 1 1. Alternative ZPO auch dann wirksam ist, wenn die Ehegatten für Außenstehende nicht erkennbar innerhalb der gemeinsamen ehelichen Wohnung getrennt leben, offenkundig von über den vorliegenden Einzelfall hinausgehender, grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 FGO). Wegen der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage wird auf die Schrifttumsnachweise Bezug genommen, die das FG auf Seite 9 der Urteilsgründe als Gegenmeinung zu seiner Auffassung, daß die im Streitfall erfolgte Ersatzzustellung der Einspruchsentscheidung an die Ehefrau des Gemeinschuldners wirksam sei, zitiert hat. Da auch die Beteiligten übereinstimmend die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage bejahen, wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer weiteren Begründung abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 419378 |
BFH/NV 1994, 293 |