Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung nach Aufrechnung
Leitsatz (NV)
1. Die Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldfestsetzung ist unzulässig, wenn das Zwangsgeld durch Aufrechnung getilgt und die Zwangsvollstreckung nach Abgabe der Erklärung einzustellen war.
2. Stellt ein Prozessbevollmächtigter trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Erledigung des Rechtsstreits keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag, stellt die unterlassene Protokollierung des möglicherweise gebotenen Antrags bzw. die Umdeutung des Anfechtungsantrags keinen Verfahrensfehler des FG dar.
Normenkette
AO § 335; FGO §§ 94, 100 Abs. 1 S. 4, § 108 Abs. 1; ZPO § 164
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.2006; Aktenzeichen 9 K 228/06) |
Tatbestand
I. Nachdem der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1998 nicht abgegeben hatte und nach wiederholten Fristverlängerungen eine weitere Fristverlängerung mit Verfügung vom 11. April 2000 abgelehnt worden war, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nach entsprechender Androhung, die sowohl an den Kläger als auch an seinen Bevollmächtigten gerichtet war, mit Bescheid vom 7. August 2000 ein Zwangsgeld in Höhe von 200 DM fest. Während des Einspruchsverfahrens gegen die Zwangsgeldfestsetzung wurde zunächst das Zwangsgeld im Wege der Aufrechnung seitens des FA getilgt, sodann gab der Kläger die Umsatzsteuererklärung ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung beantragte, mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab. In der mündlichen Verhandlung hatte es den durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger darauf hingewiesen, dass sich die Zwangsgeldfestsetzung durch Zahlung erledigt habe und nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht komme.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger einen Verstoß des FG gegen zwingende Beweisregeln, weil es den Zugang der Androhung der Zwangsgeldfestsetzung beim Kläger ohne Durchführung einer Beweisaufnahme unterstellt habe, außerdem habe es den Einwand der Ermessensfehlerhaftigkeit der angegriffenen Zwangsgeldfestsetzung nicht zutreffend gewürdigt und schließlich habe das FG bei der Klageabweisung als unzulässig verkannt, dass es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage gehandelt habe, auch wenn sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln daran, ob der Kläger einen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt hat, jedenfalls unbegründet.
1. Hat das FG eine Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, so stellt das einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, auf dem die Vorentscheidung beruht (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. März 2002 IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042; vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, jeweils m.w.N.). Abgesehen davon, ob der Kläger sich mit seinem Beschwerdevorbringen überhaupt gegen die Abweisung des vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Antrags auf Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung wendet, ist diese jedenfalls rechtsfehlerfrei. Denn die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung ist nicht mehr möglich, da sich dieser Verwaltungsakt erledigt hat: Der Kläger hat die Umsatzsteuererklärung im Einspruchsverfahren beim FA eingereicht, nachdem das Zwangsgeld durch Aufrechnung des FA bereits getilgt war. Nach § 335 der Abgabenordnung (AO) war daraufhin die Vollziehung des Zwangsmittels einzustellen. Da das Zwangsgeld im Zeitpunkt der Einstellung des Zwangsverfahrens aber bereits getilgt war, kommt eine Erstattung des Zwangsgeldes nicht mehr in Betracht. Eine Anfechtungsklage ist daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 335 AO Rz 6).
2. Mit dem Vorbringen, das FG habe die Klage auch ohne ausdrücklichen Antrag als --zulässige-- Fortsetzungsfeststellungsklage behandeln müssen, hat der Kläger einen Verfahrensfehler des FG nicht schlüssig dargelegt. Wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, so muss der Beschwerdeführer ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG dartun, dass die unterlassene Verfahrenshandlung auch aus der Sicht des FG entscheidungserheblich gewesen sei (BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 III B 41/02, BFH/NV 2002, 1337). Nach der Rechtsauffassung des FG muss ein Fortsetzungsfeststellungsantrag von einem rechtskundig vertretenen Kläger ausdrücklich gestellt werden; die Möglichkeit einer Umdeutung der Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage hat das FG ausdrücklich verneint. Der Kläger hat aber --anders als in der Revisionsbegründung-- in der Beschwerdebegründung nicht geltend gemacht, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt zu haben. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG sowie aus der Formulierung des Antrags im Urteilstatbestand ergibt sich außerdem, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers keinen solchen Antrag gestellt hat. Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. § 164 der Zivilprozessordnung oder Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 Abs. 1 FGO ist vom Kläger nicht beantragt worden (vgl. dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 94 Rz 9 und Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 108 Rz 1). Auch kann dem FG nicht vorgehalten werden, es habe im Interesse des Klägers den prozessual gebotenen Antrag protokollieren müssen. Denn ausweislich der Verhandlungsniederschrift hat der Prozessbevollmächtigte trotz ausdrücklichen Hinweises auf den gebotenen Fortsetzungsfeststellungsantrag nur den Anfechtungsantrag gestellt.
3. Mit seinem übrigen Vorbringen kann der Kläger die Zulassung der Revision nicht erreichen, da es sich gegen ergänzende Rechtsausführungen des FG zur Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung richtet, die angesichts der Abweisung der Klage als unzulässig keine Auswirkungen auf den Verfahrensausgang hatten.
Lediglich zur Klarstellung merkt der Senat an, dass es keineswegs einen Verstoß gegen zwingende Beweisregeln darstellt, wenn das FG den Beweis über den Zugang eines schriftlichen Verwaltungsakts aufgrund von Indizien im Wege der freien Beweiswürdigung als geführt ansieht. Schenkt das FG dem gegenteiligen Vorbringen des Adressaten keinen Glauben, so kann allein darin ein Verfahrensmangel nicht liegen (Senatsbeschluss vom 31. Juli 2000 VII B 86/00, BFH/NV 2001, 145, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1718314 |
BFH/NV 2007, 1142 |