Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Ansparrücklage bei Praxisgründung oder -erweiterung
Leitsatz (NV)
1. Eine Ansparrücklage für Wirtschaftsgüter, die einer Praxisgründung oder ‐erweiterung dienen sollen, setzt deren verbindliche Bestellung voraus.
2. Ohne verbindliche Bestellung kommt es auf nachrangige Fragen zur Konkretisierung der Investitionen (betreffend Umfang, Wert usw.) nicht an; eine Klärung diesbezüglicher Fragen im Revisionsverfahren scheidet deshalb aus.
Normenkette
EStG § 7g; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Dem Rechtsstreit liegt die Frage zugrunde, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zum Ende des Streitjahres 2002 eine Ansparrücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) bilden durften wegen beabsichtigter Investitionen der Klägerin für eine gynäkologische Einzelpraxis. Dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Rücklage nicht anerkannte, führte zugleich zur Versagung der Eigenheimzulage für die Streitjahre (2002 und 2003) wegen Überschreitens der nach § 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) hierfür maßgeblichen Einkunftsgrenze. Im Übrigen sieht der Senat von der Wiedergabe des Tatbestandes ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob ihre Begründung den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
1. Der Streitfall hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Die Kläger messen der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob es bei einer wesentlichen Erweiterung eines bereits bestehenden Betriebs für die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG notwendig ist, dass wesentliche Betriebsgrundlagen bereits verbindlich bestellt sind. Diese Frage ist bereits höchstrichterlich geklärt. In dem Urteil vom 17. November 2004 X R 38/02 (BFH/NV 2005, 846, 848 unter II.4.b aa der Entscheidungsgründe) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die für eine Betriebseröffnung geltenden strengeren Anforderungen an die Konkretisierung der ins Auge gefassten Investitionen, nämlich deren verbindliche Bestellung, ebenso bei einer wesentlichen Erweiterung eines bereits bestehenden Betriebs Anwendung finden (s. auch schon das BFH-Urteil vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Das Finanzgericht (FG) konnte deshalb in seiner Entscheidung offenlassen, ob die geplante Einzelpraxis nur als Erweiterung eines bereits zuvor bestehenden, in fremden Räumen ausgeübten freiberuflichen Betriebs (Praxisvertretung) oder doch als Unternehmensneugründung zu beurteilen sei. Gründe für das Erfordernis einer erneuten Entscheidung des BFH zur Investitionskonkretisierung bei wesentlicher Betriebserweiterung sind mit dem Verweis auf abweichende Rechtsmeinungen in der Literatur nicht hinreichend dargelegt.
b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob zur Bestimmung einer wesentlichen Erweiterung eines bereits bestehenden Betriebs allein auf die Höhe der voraussichtlichen Investitionen abgestellt werden könne, ist im vorliegenden Rechtsstreit weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Die Kläger selbst sind ersichtlich anderer Auffassung, aber auch das FG hat seine Entscheidung nicht auf eine solche Annahme gegründet. Vielmehr hat es in diesem Punkt im Wesentlichen auf die gegenüber der zuvor ausgeübten Tätigkeit erforderliche Umsatzsteigerung (Einnahmenerwirtschaftung) abgestellt unter Berücksichtigung einer auch im Übrigen erweiterten sächlichen und personellen Ausstattung und damit verbundener laufender Kosten. Die Folgerung des FG, dass hierin eine wesentliche Betriebserweiterung --wenn nicht sogar eine Neugründung-- liege, ist schlüssig und sachgerecht. Dass gerade der Streitfall darüber hinaus eine Klärung im Sinne einer weitergehenden Definition der Kriterien für eine wesentliche Betriebserweiterung gebieten würde, ist nicht ersichtlich. Zudem hätten bei Annahme einer Betriebsfortführung die tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles zur schlüssigen Darlegung grundsätzlicher Bedeutung eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten, warum die Eröffnung der Einzelpraxis nicht gleichzeitig die Errichtung einer (neuen) Betriebsstätte sein sollte. Die Kläger selbst haben die Eröffnung einer neuen Betriebsstätte als Beispiel einer wesentlichen Betriebserweiterung angeführt.
c) Im Übrigen wird die grundsätzliche Bedeutung nicht dadurch schlüssig dargetan, dass die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG in Frage gestellt wird. Falsche materielle Rechtsanwendung im Einzelfall führt grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2007 VIII B 161/05, BFH/NV 2007, 889; vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289). Auch die Frage, wie der Kreis der notwendigen Betriebsgrundlagen im Einzelfall zu ziehen ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, sondern Gegenstand der durch die jeweiligen Gesamtumstände des Einzelfalls bestimmten konkreten Sachverhaltsfeststellung und Tatsachenwürdigung des FG, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
d) Ob die Konkretisierung des Investitionsvorhabens in Fällen der Betriebseröffnung oder der wesentlichen Betriebserweiterung die Bestellung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen erfordert und welche Gegenstände ggf. hierbei zu berücksichtigen sind, ist im Streitfall nicht klärungsfähig, weil es auf diese Frage nicht ankommt. Ergebnis der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG war, dass die Klägerin in den Streitjahren lediglich einen Behandlungsstuhl verbindlich bestellt hatte, dass sich jedoch die dieser Bestellung zugrunde liegende Planung einer Praxisgemeinschaft noch im Jahre 2002 zerschlagen hatte, während der Plan einer Einzelpraxis in demselben Jahr keine Konkretisierung erfahren hat. Damit geht das FG davon aus, dass es in Bezug auf die Einzelpraxis überhaupt keine verbindliche Bestellung gab. Dies wird durch die nicht ausdrücklich in die Entscheidungsgründe aufgenommene, aber protokollkundige Aussage der Klägerin bestätigt, wonach sie den Stuhl wieder abbestellt hat, "weil aus der Praxisgemeinschaft nichts geworden ist".
2. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO (zur Fortbildung des Rechts) greift nicht durch, da die Kläger insoweit keine anderen Gründe anführen als die, aus denen sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache herleiten wollen (s. dazu unter II.1. der Gründe dieses Beschlusses).
3. Auch der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) ist nicht zu bejahen.
a) Die Kläger rügen eine Divergenz der Vorentscheidung zu dem Senatsbeschluss vom 26. Juli 2005 VIII B 134/04 (BFH/NV 2005, 2186), der zur wesentlichen Betriebsgrundlage im Anwendungsbereich des § 7g EStG ergangen ist. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist die Bestimmung der wesentlichen Betriebsgrundlagen aber nicht entscheidungserheblich, da wesentliche Betriebsgrundlagen jedenfalls nicht verbindlich bestellt waren (s. unter II.1.d der Gründe).
b) Der ebenfalls unter § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zu fassende und von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund der objektiven Willkürlichkeit der Vorentscheidung ist nicht festzustellen. Dazu wäre vielmehr eine krasse Verkennung der objektiven Rechtslage erforderlich, wenn also der Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wäre (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 68, m.w.N.). Die von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten Gesichtspunkte betreffen entweder die Auslegung von Rechtsbegriffen durch das FG bzw. die Tatsachenwürdigung und lassen sämtlich keine objektiv willkürliche Rechtsanwendung erkennen.
4. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem FG ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, auf dem seine Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Die Kläger machen geltend, das FG habe entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend gewürdigt, indem es ohne Begründung alle Wirtschaftsgüter, für die die Klägerin eine Rücklage gebildet habe, als wesentliche Betriebsgrundlage ansehe, ohne dazu tatsächliche Feststellungen getroffen zu haben. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bezeichnet (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 81). Weder hat das FG insoweit einen Beweisantrag übergangen noch ist dargelegt, welche weiteren Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen sich dem Gericht hätten aufdrängen müssen. Die Kläger haben auch nicht dargelegt und es ist auch nicht anderweitig offensichtlich, dass --angesichts mangelnder Konkretisierung der in Aussicht genommenen Investitionen-- weitere Sachverhaltsaufklärung zur betrieblichen Notwendigkeit der Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter eine andere Entscheidung hätte herbeiführen können.
Dass insofern das rechtliche Gehör der Kläger verletzt worden sein soll, haben diese nicht konkretisiert. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das FG das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen hat (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N.).
b) Die Ausführungen der Kläger zur mangelnden Sachverhaltsfeststellung einer Haushaltszugehörigkeit der Kinder der Kläger können einen Verfahrensmangel nicht schlüssig begründen. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 79, m.w.N.). Ausgehend von diesem Standpunkt, wonach die Bildung einer Ansparrücklage gänzlich zu versagen war, kam es für die Eigenheimzulage nicht auf die Haushaltszugehörigkeit der Kinder an, wie unter II.3. der Gründe der Vorentscheidung im Einzelnen begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 1965304 |
BFH/NV 2008, 945 |