Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 139 Abs. 3 FGO, daß gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten stets erstattungsfähig sind, entbindet im Kostenfestsetzungsverfahren nicht von der Prüfung, ob die in Frage stehende einzelne Maßnahme des Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich war (§ 139 Abs. 1 FGO).
2. Eine Besprechungsgebühr i. S. des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGebO kann auch für ein im Einverständnis mit dem Auftraggeber geführtes Gespräch mit einer als Zeugen in Betracht kommenden Person entstehen.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1, 3; BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kostengläubiger und Beschwerdeführer (Kostengläubiger) führte beim Hessichen Finanzgericht Rechtsstreite gegen den Kostenschuldner und Beschwerdegegner (FA) wegen Einkommensteuer 1963 und Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1964. Durch Urteile vom 16. Oktober 1973 wurde den Klagen stattgegeben. Das FA hatte die Kosten zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wurde für notwendig erklärt.
Auf Grund dieser rechtskräftigen Kostenentscheidungen setzte der Urkundsbeamte des FG die dem Kostengläubiger zu erstattenden Aufwendungen auf 2 900,15 DM fest. Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluß vom 28. August 1974 legte der Kostengläubiger Erinnerung ein, mit der die zusätzliche Erstattung einer Besprechungsgebühr im Vorverfahren beantragt wurde.
Das Hessische FG wies die Erinnerung mit Beschluß vom 22. Januar 1975 B II 50/74 (EFG 1975, 217) zurück. Es führte aus, nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGebO stehe dem Prozeßbevollmächtigten eine Besprechungsgebühr zu, wenn er bei Gesprächen mitgewirkt habe, die im Einverständnis mit dem Auftraggeber mit einem Dritten geführt worden seien. Der Bevollmächtigte habe mit Zustimmung seines Mandanten nach Einlegen des Einspruchs den Geschäftsführer der Firma M aufgesucht. Diese Besprechungsgebühr sei nach § 139 Abs. 1 und 3 FGO jedoch nicht. erstattungsfähig, da es verfahrensrechtlich genügt hätte, wenn der Prozeßbevollmächtigte, ohne die Auskunftsperson aufzusuchen, zum Beweis auf deren Aussage verwiesen hätte. Verfahrensrechtlich könne dem Kostengläubiger dieses Gespräch nicht verwehrt werden. Es sei kostenrechtlich aber nicht notwendig gewesen, weil dem Kostengläubiger auch ohne diese Besprechung der steuerlich erhebliche Sachverhalt bekannt gewesen sei. Die Sachumstände habe er aus eigenem Wissen selbst genau gekannt.
Das FG hat die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen.
Gegen diesen Beschluß legte der Kostengläubiger Beschwerde ein mit dem Antrag, den Kostenfestsetzungsbeschluß dahingehend abzuändern, daß die Besprechungsgebühr für das Vorverfahren hinzugesetzt werde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 erster Halbsatz BRAGebO erhält der Rechtsanwalt 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr für das Mitwirken bei Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen, die im Einverständnis mit dem Auftraggeber mit einem Dritten geführt werden (Besprechungsgebühr). Die Vorinstanz hat richtig erkannt, daß nach dieser Bestimmung dem Prozeßbevollmächtigten eine Besprechungsgebühr zusteht. Er hat mit dem Geschäftsführer der Firma M nach Einlegen des Einspruchs eine Besprechung über tatsächliche Fragen geführt. Dieser ist auch Dritter im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGebO; denn Dritter in diesem Sinne ist jeder, der nicht Auftraggeber oder sein Bevollmächtigter ist (vgl. Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 5. Aufl., § 118 Anm. 6).
Nach § 139 Abs. 3 FGO sind "gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten ... stets erstattungsfähig". Damit bringt das Gesetz (wie in den gleichlautenden Bestimmungen des § 91 Abs. 2 ZPO und des § 162 Abs. 2 VwGO) zum Ausdruck, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts immer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehört. Darin erschöpft sich aber auch die Bedeutung dieser Bestimmung. Insbesondere hindert sie nicht, entsprechend dem in § 139 Abs. 1 FGO (vgl. auch § 91 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 1 VwGO) aufgestellten Grundsatz, daß Kosten nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens sind, die Zweckmäßigkeit der einzelnen Prozeßhandlungen des Rechtsanwalts im Kostenfestsetzungsverfahren nachzuprüfen. Nur in dem Umfang, in dem der Rechtsanwalt zweckentsprechende Maßnahmen vorgenommen hat und dafür notwendige Kosten entstanden sind, ist der Kostenschuldner zur Erstattung verpflichtet; Kosten, die durch eine überflüssige oder zwecklose Maßnahme verursacht sind, sind vom unterlegenen Gegner nicht zu erstatten (vgl. Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 29. September 1971 10 W 125/71, und des OLG München vom 10. August 1972 11 W 896/72 in Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung, ZPO, § 91, B-Vertretungskosten, Nr. 9 und 51; ähnlich für die Verwaltungsgerichtsordnung Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Mai 1962 B V 4/62, ESVGH 13, 85; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 91 Anm. E IV b; a. A. FG Düsseldorf, Beschluß vom 26. Januar 1967 VI 203/66 EK, EFG 1967, 247).
Zu Unrecht hat jedoch das FG die Besprechung des Prozeßbevollmächtigten mit dem Zeugen für nicht notwendig gehalten. Als zweckentsprechende Rechtsverfolgung muß jede Maßnahme angesehen werden, die sich im Rahmen dessen hält, was ein am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligter für gewöhnlich bei objektiver und vorausschauender Betrachtung des zu führenden Rechtsstreits aufzuwenden für erforderlich hält (vgl. Beschluß des BFH vom 28. September 1972 VII E 1/72, BFHE 107, 97, BStBl II 1973, 23). Dabei ist eine gewisse Zurückhaltung bei der Beurteilung im nachhinein, ob die Prozeßführung eines Rechtsanwalts zweckmäßig gewesen ist, am Platze (vgl. Anmerkung von v. Eicken zum zitierten Urteil des OLG Düsseldorf 10 W 125/71).
In den beiden Rechtsstreiten ging es um die Frage, ob die wesentlichen Verpflichtungen des Kostengläubigers aus dem Kaufvertrag vom 9. Juli 1963 zwischen ihm und der Firma M am Bilanzstichtag 31. Dezember 1963 bereits erfüllt waren. Davon hing ab, ob der Kaufpreisrest in Höhe von 100 000 DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1963 gewinnerhöhend zu aktivieren war und ob im Rahmen der Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1964 der Restforderung des Kostengläubigers keine ausgleichende Verpflichtung gegenüberstand. Zu diesen Fragen ist daher im finanzgerichtlichen Verfahren auch der Geschäftsführer der Firma M als Zeuge gehört worden. Unter diesen Umständen, und da es sich um einen relativ komplizierten Tatbestand handelte, der überdies vom FA bestritten worden war, konnten es der Kostengläubiger und sein Bevollmächtigter bei objektiver Betrachtung für erforderlich halten, daß sich der Prozeßbevollmächtigte im Vorverfahren mit dem als Zeugen in Betracht Kommenden in Verbindung setzte (vgl. auch Gerold-Schmidt, a. a. O., § 118 Anm. 6).
Fundstellen
Haufe-Index 71620 |
BStBl II 1976, 504 |
BFHE 1976, 549 |