Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablehnung eines Sachverständigen wegen mangelnder Sachkunde
Leitsatz (NV)
1. Mangelnde Sachkunde ist kein Grund, den vom FG ausgewählten Sachverständigen von vornherein abzulehnen (Anschluß an BFH-Beschluß vom 13. August 1987, VIII B 67/86, BFH / NV 1988, 167).
2. Eine Besorgnis der Befangenheit läßt sich auch nicht aus der Befürchtung rechtfertigen, ein zu wenig sachkundiger Sachverständiger könne bei zu beurteilenden schwierigen betriebswirtschaftlichen Verhältnissen eher den Auffassungen der Finanzverwaltung als denen der Kläger zuneigen.
3. Es stellt keinen Ermessensfehler des FG dar, wenn es bei der Auswahl des Sachverständigen auch Kostengesichtspunkte berücksichtigt.
Normenkette
FGO § 82; ZPO §§ 42, 404, 406 Abs. 1, § 412 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute. Die Klägerin unterhielt in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb. Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) schätzte nach einer Betriebsprüfung die Gewinne für die Streitjahre 1974 bis 1979 und die Umsätze für die Streitjahre 1974 bis 1978. Im Klageverfahren beschloß das Finanzgericht (FG), über die Höhe der Gewinne und Umsätze durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben.
Zum Sachverständigen bestellte das FG nach Einholung von Vorschlägen der Steuerberaterkammer und der Handelskammer B den Steuerberater H. Die Kläger beantragten, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sie begründeten den Antrag mit unzulänglicher Sachkunde des Sachverständigen und schlugen als einen ihrer Meinung nach geeigneten Sachverständigen den Diplom-Ingenieur J in K vor.
Auf eine Anfrage des FG erklärte sich Diplom-Ingenieur J zwar bereit, als Sachverständiger im anhängigen Klageverfahren tätig zu werden. Er wies aber gleichzeitig auf die hohen Kosten infolge seiner weiten Entfernung vom Gerichtsort hin.
Das FG wies daraufhin den Antrag auf Ablehnung des von ihm ausgewählten Sachverständigen zurück. Es führte zur Begründung aus, daß es von den von der Steuerberaterkammer und der Handelskammer für die Art des Betriebs der Klägerin vorgeschlagenen Personen den ausgewählten Sachverständigen für besonders geeignet halte, weil er vorwiegend nur noch als Sachverständiger für Gerichte und Kammern tätig sei und sich hierbei als ein objektiver unparteiischer Sachverständiger bewährt habe. Die Bestellung dieses Sachverständigen sei auch kostengünstiger als die Bestellung der von den Klägern vorgeschlagenen Person. Die von den Klägern behauptete unzulängliche Sachkunde des ausgewählten Sachverständigen reiche für eine Ablehnung nicht aus.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde. Sie machen weiterhin geltend, daß der vom FG ausgewählte Sachverständige nur eine unzureichende Kenntnis über die Branche des Betriebs der Klägerin habe. Es gehe um eine betriebswirtschaftlich besonders strukturierte Gruppe von Unternehmen. Bei mangelnder Kenntnis dieser Zusammenhänge im einzelnen bestehe die Besorgnis, daß ein Sachverständiger mit seinem Gutachten eher den Vorstellungen der Finanzbehörde folge als denjenigen der Kläger. Der von ihnen - den Klägern - statt dessen vorgeschlagene Sachverständige sei nach einem Schreiben des zuständigen Berufsverbandes der allein qualifizierte Sachverständige im Bundesgebiet.
Die Kläger beantragen, der Beschwerde stattzugeben.
Das FA beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 406 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Danach kommt im Streitfall nur eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit in Betracht (§ 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 1, § 42 ZPO).
2. Die Kläger haben keine Gründe vorgetragen, die geeignet wären, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und damit dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Die von den Klägern lediglich behauptete unzulängliche Sachkunde des vom FG ausgewählten Sachverständigen kann zwar zu Fehlern und unrichtigen Schlußfolgerungen bei der Erstellung des Gutachtens führen, nicht aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Den Klägern bleibt es unbenommen, nach Erstellung des Gutachtens dessen nach ihrer Auffassung bestehende Mängel aufzuzeigen und mit überzeugenden Gründen zu rügen. Das FG hat sogar unabhängig von Einwendungen der Kläger darüber zu befinden, ob das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus einem anderen Grunde ungenügend ist und ob demgemäß weitere Gutachten desselben Sachverständigen oder ein Obergutachten eingeholt werden müssen (§ 82 FGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO). Mangelnde Sachkunde ist kein Grund, den vom FG ausgewählten Sachverständigen von vornherein abzulehnen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. August 1987 VIII B 67/86, BFH / NV 1988, 167; unveröffentlichter Beschluß des erkennenden Senats vom 19. Januar 1988 III B 63/86; Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27. Februar 1980 1 WF 234/79, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1980, 931; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 406 Anm. A III c, und Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 406 Tz. 15, jeweils unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts).
3. Eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen läßt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht aus ihrer Befürchtung rechtfertigen, ein zu wenig sachkundiger Sachverständiger könne eher den Auffassungen der Finanzverwaltung als denen der Kläger zuneigen. Eine Besorgnis der Befangenheit besteht nur dann zu Recht, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der die Partei von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unparteiisch sachlich abgeben (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 47. Aufl., § 42 Anm. 2 A b, aa, m. w. N.). Es besteht aber kein objektiv vernünftiger Grund für die allgemeine Besorgnis, eine unzulängliche Sachkunde eines Gutachters wirke sich bei zu begutachtenden schwierigen betriebswirtschaftlichen Verhältnissen eher zugunsten der Finanzverwaltung als des Steuerpflichtigen aus. Im Streitfall ist eine solche Befürchtung um so weniger berechtigt, als dem vom FG ausgewählten Sachverständigen als Steuerberater die kritische Auseinandersetzung mit Auffassungen der Finanzverwaltung nicht ungewohnt sein dürfte.
4. Die Kläger haben auch keine Gründe vorgetragen, die die Auswahl des Sachverständigen durch das FG aus anderen Gesichtspunkten als Gründen der Besorgnis der Befangenheit als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen könnten. Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen steht im Ermessen des FG (§ 82 FGO i. V. m. § 404 ZPO). Es stellt keinen Ermessensfehler des FG dar, wenn es bei der Auswahl des Sachverständigen auch Kostengesichtspunkte berücksichtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 416587 |
BFH/NV 1990, 304 |