Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung gegen Konkursantrag des Finanzamtes
Leitsatz (NV)
1. Gegen einen Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung des Konkursverfahrens ist der Finanzrechtsweg gegeben.
2. Zu der für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Darlegung eines Anordnungsanspruchs auf Rücknahme des vom FA gestellten Konkursantrags gehört, daß der Antragsteller glaubhaft macht, daß dem Konkursantrag ein Ermessensfehler anhaftet, sei es, daß das FA die gesetzlichen Voraussetzungen eines Konkursantrags verkannt hat, oder daß der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter mißbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde.
3. Ein Ermessensfehler liegt nicht vor, wenn das FA das Konkursverfahren auf Grund noch nicht bestandskräftiger, aber vollstreckbarer Steuerforderungen betreibt. Der Schutz des Steuerpflichtigen vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme wird dadurch gewährleistet, daß dieser bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit oder bei unbilliger Härte durch Antrag nach § 361 Abs. 2 AO beim FA bzw. nach § 69 Abs. 2 FGO beim FG die Aussetzung der Vollziehung herbeiführen kann.
4. Auch eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO kann geeignete Grundlage für einen Konkursantrag sein.
5. Zur Ermessensausübung beim Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens trotz schwebenden Erlaß- und Stundungsantrags und vor Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, §§ 114, 102; AO 1977 §§ 249, 251; ZPO § 920 Abs. 1-2; KO § 102
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Geschäftsführer und - zusammen mit seiner Ehefrau - Gesellschafter einer . . .gesellschaft mbH. Am 12. Dezember 1988 beantragte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Antragstellers, nachdem er zuvor die Einzelzwangsvollstreckung im wesentlichen wegen Umsatz- und Einkommensteuern 1983 bis 1988 in Höhe von insgesamt . . . DM (Stand zum 31. Januar 1990: . . . DM) vergeblich betrieben hatte. Dagegen beziffert der Antragsteller seine Steuerschulden, derentwegen zahlreiche Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, insgesamt auf nur etwa . . . DM.
Der Antragsteller begehrte vom Finanzgericht (FG) erfolglos den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, durch die das FA zur Rücknahme seines Konkursantrags verpflichtet werden sollte. Zur Begründung führte das FG im einzelnen aus, der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ermessensfehlerhafte Beantragung der Konkurseröffnung) nicht dargetan habe.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, der Antrag sei ermessensfehlerhaft, weil Zahlungsunfähigkeit nicht vorliege. Sie setze das Bestehen der Steuerforderungen voraus; die Vollziehbarkeit der Forderungen - worauf das FG abgestellt habe - reiche dazu nicht aus. Vielmehr müsse das FA vor Beantragung der Konkurseröffnung zunächst die Bestandskraft der Forderungen herbeiführen, die wegen der zahlreichen Klageverfahren nicht absehbar sei. Bei einer Einordnung des auf dem Grundstück der Ehefrau erbauten Hauses als Zweifamilienhaus (das FA geht von der Grundstücksart Einfamilienhaus aus) würden sich die Steuerschulden halbieren. Der Antragsteller sei in der Lage, die nach seiner Auffassung bestehenden Steuerschulden in der Größenordnung von . . . DM zu begleichen, nicht aber eine Steuerforderung in Höhe von rund . . . DM.
Ebenso stelle es eine unbillige Härte (§ 258 der Abgabenordnung - AO 1977 -) bzw. einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, den Konkursantrag aufrechtzuerhalten, obwohl über den gestellten Erlaß- und Stundungsantrag sowie über die Einwendungen des Antragstellers gegen die Abgabe des Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung (§ 284 AO 1977) noch nicht letztinstanzlich entschieden worden sei.
Das FG habe auch seinem Erlaß- und Stundungsantrag zu Unrecht die überwiegende Aussicht auf Erfolg wegen fehlender Erlaßwürdigkeit abgesprochen. Daß der Antragsteller die Steuererklärungen seit 1982 verspätet und seit 1985 überhaupt nicht mehr abgegeben habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gereichen, denn er habe die Erklärungen nur deshalb nicht mehr eingereicht, weil sich das FA geweigert habe, wegen der zwischen den Beteiligten streitigen Frage der Grundstücksart die Vollziehung der Steuerbescheide auszusetzen.
Soweit das FG das Fehlen der Erlaßwürdigkeit damit begründet habe, der Fiskus sei bewußt im Verhältnis zu den Privatgläubigern benachteiligt worden, weil der Antragsteller seinen gegenüber den übrigen Gläubigern bestehenden Verbindlichkeiten stets in vollem Umfang, den gegenüber dem Fiskus bestehenden Verbindlichkeiten aber überhaupt nicht nachgekommen sei, werde verkannt, daß die gegenüber den Privatgläubigern bestehenden Verbindlichkeiten dinglich gesichert gewesen seien und deshalb Vorrang genießen würden. Zudem ergebe sich der Vorrang der Privatgläubiger vor den Forderungen des Fiskus aus dem Grundsatz der Priorität. Auch gebühre den Gläubigern, die dem Antragsteller und seiner Ehefrau geholfen hätten, das Bauvorhaben fertigzustellen und im Vertrauen auf Bezahlung Leistungen erbrachten, der moralische Vorrang.
Weiterhin verstoße der Antrag des FA auf Eröffnung des Konkursverfahrens gegen das Vollstreckungsverbot des § 277 AO 1977, da über die gestellten Aufteilungsanträge noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.
Im übrigen verfolge das FA konkursfremde Zwecke, weil es ihm lediglich um die wirtschaftliche Vernichtung des Antragstellers gehe, nicht aber um die Befriedigung der Steuerforderungen. Für den Antragsteller stehe zur Gewißheit fest, daß kein Vermögen vorhanden sei, das dem Zugriff des FA ausgesetzt werden könnte. Das FA sei nicht berechtigt, einen Konkursantrag ausschließlich zu dem Zweck zu stellen, einen die Konkurseröffnung mangels Masse abweisenden Beschluß zu erlangen, der zur Untersagung der Berufsausübung des Antragstellers führen könnte. Rechtsschutz könne er auch nicht einfacher und leichter durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erlangen, da eine gerichtlich verfügte Aussetzung der Vollziehung lediglich die Einzelzwangsvollstreckung verhindere, nicht aber die Stellung oder Aufrechterhaltung eines Konkursantrages.
Schließlich bezieht sich der Antragsteller auf den Beschluß des Konkursgerichts vom 23. Juli 1990, mit dem dieses den Konkursantrag wegen fehlender Zahlungsunfähigkeit zurückgewiesen hat, sowie auf das vom Amtsgericht eingeholte Gutachten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit Recht zurückgewiesen.
1. Das FG hat den Finanzrechtsweg für den vorliegenden Rechtsstreit zutreffend bejaht.
Der Antragsteller wendet sich gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Konkursverfahren über sein Vermögen zu eröffnen. Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710), ist insoweit der Finanzrechtsweg gegeben. Unabhängig davon, daß gegen den Eröffnungsbeschluß und gegen die Abweisung des Konkursantrags Rechtsmittel zu den ordentlichen Gerichten gegeben sind (§ 109 der Konkursordnung - KO -), gehört die Rechtsfrage, ob das FA im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen hat, in die Zuständigkeit der FG.
2. Ob der Antrag der Finanzbehörde auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht als Verwaltungsakt anzusehen und für den vorläufigen Rechtsschutz insoweit die einstweilige Anordung (§ 114 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und nicht die Aussetzung der Vollziehung gegeben ist, braucht nicht entschieden zu werden (ebenso Senatsbeschluß vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob die Darlegung und Glaubhaftmachung des für eine Regelungsanordnung grundsätzlich erforderlichen Anordnungsgrundes wegen der einschneidenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Folgen eines Konkurses ausnahmsweise entbehrlich ist (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 1988, 762, 764, und vom 5. Juli 1988 VII B 19/88, BFH/NV 1989, 236) und ob das Begehren des Antragstellers auf Rücknahme des Konkursantrags auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41, und BFH/NV 1988, 762). Die Beschwerde kann jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil der Antragsteller schon einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung) nicht glaubhaft gemacht hat.
Dazu hätte dargelegt werden müssen, daß der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme - Konkursantrag - (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO 1977) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, daß für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder daß der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter mißbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (Senatsbeschluß in BFH/NV 1989, 236; vgl. auch - zur Frage der Amtspflichtverletzung durch behördlichen Konkursantrag - Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Februar 1990 III ZR 293/88, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 2675). Aus einer späteren (hier womöglich noch nicht rechtskräftigen) Ablehnung des Antrags durch das Konkursgericht folgt noch nicht, daß die Antragstellung ermessensfehlerhaft gewesen ist.
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kann im Streitfall ein Ermessensfehler nicht festgestellt werden.
a) Das FA hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Konkursantrags nicht verkannt. Es konnte im Streitfall von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen. Zahlungsunfähigkeit ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden zu berichtigen (Beschluß des Senats in BFH/NV 1986, 41, 43 m. w. N.). Das FA betreibt das Konkursverfahren wegen vollziehbarer Steuerforderungen in Höhe von zuletzt über . . . DM. Vollstreckungsversuche blieben nahezu ohne Erfolg. Zudem hat der Antragsteller seine Einwendungen im Verfahren wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung damit begründet, dem FA seien sämtliche Vollstreckungsmöglichkeiten bekannt. Auch die im Gutachten für das Konkursgericht angesprochene Möglichkeit einer Beschaffung von . . . DM (Zusage der von dem Antragsteller beherrschten Gesellschaft) würde an der Unfähigkeit des Antragstellers, den wesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten zu tilgen, nichts ändern.
b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellt es auch keinen Ermessensfehler dar, daß das FA das Konkursverfahren aufgrund zum Teil noch nicht bestandskräftiger, aber vollstreckbarer Steuerforderungen betreibt.
Unter welchen Voraussetzungen das FA aufgrund von Steuerforderungen im Rahmen der Vollstreckung einen Konkursantrag stellen darf, richtet sich zunächst - grundsätzlich - nach den Vorschriften der AO 1977 (§ 251 Abs. 1 AO 1977), unberührt bleiben nur die Vorschriften der KO für die Entscheidung über die Konkurseröffnung sowie im Rahmen eines eröffneten Konkurses (§ 251 Abs. 2 AO 1977). Soweit es sich bei der Stellung eines Konkursantrages um eine Maßnahme der Verwaltung im Rahmen der Vollstreckung eines Verwaltungsakts handelt, setzt auch diese Art der Vollstreckung grundsätzlich nur voraus, daß vollziehbare Bescheide vorliegen, d. h., daß die Vollziehung dieser Steuerverwaltungsakte nicht ausgesetzt ist (§ 361 AO 1977, § 69 FGO). Der Schutz des Steuerpflichtigen vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme im Wege der Vollstreckung wird nach dem in § 256 AO 1977 zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Trennung zwischen Festsetzungs- und Vollstreckungsverfahren dadurch erreicht, daß der Steuerpflichtige bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerforderungen oder bei unbilliger Härte die Aussetzung der Vollziehung herbeiführen kann, entweder durch Antrag beim FA gemäß § 361 Abs. 2 AO 1977 bzw. § 69 Abs. 2 FGO oder gemäß § 69 Abs. 3 FGO aufgrund einer Eilentscheidung des FG. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage kann die Beantragung eines Konkursverfahrens aufgrund vollziehbarer, aber noch nicht bestandskräftiger Steuerforderungen nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden (ebenso Senatsbeschluß vom 20. November 1984 VII B 39/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 266). Erst wenn die Vollziehung ausgesetzt worden ist - möglicherweise auch schon, wenn ein Aussetzungsantrag mit überwiegender Erfolgsaussicht gestellt, aber noch nicht beschieden ist -, könnte sich ergeben, daß ein gleichwohl gestellter Konkursantrag unter Ermessensgesichtspunkten zu beanstanden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht gegeben.
Die Beantragung der Konkurseröffnung ist auch nicht im Hinblick darauf ermessensfehlerhaft, daß nach einer in der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht für die Beantragung des Konkursverfahrens anstelle der regelmäßig ausreichenden Glaubhaftmachung der Konkursforderung ihr voller Beweis verlangt wird, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners allein vom Bestehen der Forderung des antragstellenden Konkursgläubigers abhängig ist (Oberlandesgericht Köln, Beschlüsse vom 18. Mai 1989 2 W 41/89 und vom 29. Februar 1988 2 W 9/88, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 1988, 664 und 1989, 789; Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl. 1987, § 105 Anm. 1 a, jeweils m. w. N.). Es ist nicht zu entscheiden, ob dieser Grundsatz auch gilt, wenn der Einzelgläubiger mehrere Forderungen geltend macht oder wenn der Schuldner durch Befriedigung aller anderen Gläubiger bewirkt hat, daß nur noch ein einzelner Gläubiger gegen ihn vorgeht. Unter den maßgebenden abgabenrechtlichen Gesichtspunkten ist es jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde als einziger Gläubiger, dazu gestützt auf mehrere vollziehbare Steuerforderungen, die Vollstreckung durch Stellen eines Konkursantrags betreibt. Da das Konkursgericht in der Regel nicht in der Lage ist, sich im Rahmen des Konkursverfahrens eine eigene Überzeugung von der Berechtigung der Steuerforderungen zu verschaffen und inzident das Ergebnis eines finanzgerichtlichen Verfahrens oder mehrerer Verfahren vorwegzunehmen, würde sich bei gegenteiliger Beurteilung ergeben, daß ein Konkursantrag des FA ausgeschlossen wäre, wenn die zugrunde liegenden Steuerforderungen bestritten werden. Das aber stünde nicht im Einklang mit der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, daß durch die Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollziehung von Steuerbescheiden grundsätzlich nicht gehemmt wird, der angefochtene, aber vollziehbare Steuerbescheid auch vollstreckt werden kann (§ 251 Abs. 1 AO 1977) und daß Einwendungen gegen zu vollstreckende Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen sind (§ 256 AO 1977).
c) Ein Ermessensfehler ist auch nicht darin zu sehen, daß die Steuerfestsetzungen teilweise unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Insbesondere vermag der Senat die Auffassung von Kuhn / Uhlenbruck (Konkursordnung, 10. Aufl., § 103 Anm. 28 a), wonach eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO 1977 keine geeignete Grundlage eines Konkursantrages bilde, nicht zu teilen. Eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt regelmäßig bei den Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder freiberufliche Einkünfte erzielen und bei denen das FA die von diesen selbst erklärten Einkünfte zunächst ohne abschließende Prüfung - die erst bei einer möglichen späteren Betriebsprüfung vorgenommen wird - übernimmt. Die Vorschrift des § 164 AO 1977 bezweckt eine Beschleunigung der ersten Steuerfestsetzung, indem sie ermöglicht, die Steuer ohne besondere Prüfung allein aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen festzusetzen, wobei eine spätere Überprüfung vorbehalten bleibt (BTDrucks. VI/1982, S. 148; v. Wallis in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 164 AO 1977 Anm. 5). Bei derartigen Vorbehaltsfestsetzungen gegenüber in aller Regel steuerlich beratenen Steuerpflichtigen kann daher davon ausgegangen werden, daß die Steuerfestsetzungen nur in Ausnahmefällen über die tatsächlich geschuldete Steuer hinausgehen. Eine Vorbehaltsfestsetzung ist damit nicht von vornherein als geeignete Grundlage für einen Konkursantrag ausgeschlossen.
d) Ein Ermessensfehler kann auch nicht darin gefunden werden, daß der Konkursantrag gestellt worden ist, obwohl über das Erlaß- und Stundungsbegehren des Antragstellers noch nicht abschließend entschieden worden ist. Der Senat teilt die mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmende Auffassung des FG, daß keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg dieses Begehrens spricht. Gegen die Erlaßwürdigkeit des Antragstellers spricht schon, daß dieser seine Steuererklärungen nicht bzw. nicht rechtzeitig eingereicht hat. Daß er mit der Veranlagungspraxis des Antragsgegners nicht einverstanden war, entband ihn nicht von seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen. Weitere Zweifel an der Erlaßwürdigkeit ergeben sich daraus, daß der Antragsteller den Fiskus bewußt gegenüber den Privatgläubigern benachteiligt hat. Die hierfür gegebene Begründung ist nicht stichhaltig. Gerade dem Antragsteller als . . . mußte der Umfang seiner steuerlichen Pflichten bekannt sein. Verpflichtungen beim Bau des Hauses auf dem Grundstück der Ehefrau, die die Tilgung der Steuerschulden gefährden konnten, durfte der Antragsteller nicht eingehen.
e) Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht daraus, daß das FA den Konkursantrag gestellt hat, bevor die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erreicht werden konnte. Allerdings ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß ein Konkursantrag als für den Schuldner einschneidendste und gefährlichste Maßnahme der Zwangsvollstreckung erst dann in Betracht kommt, wenn weniger belastende Maßnahmen der Einzelvollstreckung ausgeschöpft sind oder keine Aussicht auf Erfolg versprechen (Uhlenbruck, Betriebs-Berater 1972, 1266, 1267). Ob andere Möglichkeiten der Einzelvollstreckung ausgeschöpft sind, kann regelmäßig erst nach Einsicht in das Vermögensverzeichnis beantwortet werden. Wie der Senat jedoch bereits entschieden hat (BFH/NV 1986, 41 unter 3 b), ist der Übergang von der Einzelvollstreckung zum Konkursantrag auch vor Einsichtnahme in das Vermögensverzeichnis ermessensgerecht, wenn sich bei Würdigung der Einwendungen des Vollstreckungsschuldners ergibt, daß die Einwendungen lediglich der Verzögerung des weiteren Vollstreckungsverfahrens dienen und es dem Vollstreckungsschuldner nicht um die sachlich-rechtliche Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit der Steuerforderungen geht. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß ein solcher Fall hier vorliegt.
f) Für die Verfolgung konkursfremder Zwecke sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Auch insoweit macht sich der Senat die ausführlichen Gründe des FG zu eigen.
3. Auch auf das Vollstreckungsverbot des § 277 AO 1977 kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Wie schon das FG ausgeführt hat, war die Vollstreckung schon allein aufgrund der nicht aufteilungsbefangenen vollziehbaren Forderungen in Höhe von . . . DM gerechtfertigt. Auf die Bestandskraft der nicht aufteilungsbefangenen Forderungen kommt es - wie ausgeführt - nicht an.
4. Nicht durchgreifen kann schließlich der Einwand des Antragstellers, die Stellung eines Konkursantrags vor Bestandskraft der Steuerforderungen stelle eine unbillige Härte i. S. des § 258 AO 1977 dar. Dem Antragsteller ist zuzumuten, seine gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen vorgebrachten Einwände auf dem hierfür vorgesehenen Weg vorzubringen (vgl. im übrigen § 256 AO 1977).
Fundstellen
Haufe-Index 417505 |
BFH/NV 1991, 787 |