Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge gegen Entscheidung über Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit, Besetzung des Spruchkörpers
Leitsatz (NV)
1. Über eine Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO, die sich gegen die Entscheidung über die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit richtet, ist mangels einer speziellen Regelung in der regulären Besetzung des Senats, also ggf. unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden.
2. Mit der Ablehnung des Befangenheitsantrags durch unanfechtbaren Beschluss eines letztinstanzlichen Gerichts ist das Verfahren über das Ablehnungsgesuch abgeschlossen. Damit endet für den betroffenen Richter das sog. Enthaltungsgebot des § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO.
3. Mit der Anhörungsrüge kann nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht jedoch eine fehlerhafte Besetzung der Richterbank oder eine fehlerhafte Sachentscheidung gerügt werden.
Normenkette
FGO §§ 133a, 51 Abs. 1, § 96 Abs. 2; ZPO § 47 Abs. 1; GG Art. 97, 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1
Gründe
1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie erscheint zweckmäßig, da mit den Anhörungsrügen dieselben Gründe vorgebracht worden sind und deshalb über dieselben Fragen zu entscheiden ist.
2. Der Senat entscheidet über die vom Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) jeweils eingelegte "sofortige Beschwerde in Form einer Gehörsrüge" in der geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Dezember 2008 XI ER-S 5/08, Tz. II.3. i.V.m. I.2.b dd, nicht veröffentlicht --n.v.--).
a) Die Rügen richten sich gegen die Entscheidungen des Senats, mit denen verschiedene Ablehnungsgesuche gegen mehrere Richter des Senats für unzulässig erklärt bzw. als unbegründet zurückgewiesen wurden. Dagegen ist im Gesetz eine Beschwerde nicht vorgesehen. Eine außerordentliche Beschwerde neben den gesetzlich normierten Rechtsmitteln kommt nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH―- vom 8. November 2004 II ZB 24/03, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2005, 294). Die eingelegten Rechtsbehelfe sind daher ausschließlich als Anhörungsrügen i.S. des § 133a FGO zu verstehen.
b) Über die Anhörungsrügen ist mangels einer speziellen Regelung in der regulären Besetzung laut Geschäftsverteilungsplan des Senats zu entscheiden (vgl. BGH-Beschluss vom 28. Juli 2005 III ZR 443/04, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 206, zur vergleichbaren Regelung in § 321a der Zivilprozessordnung --ZPO--; Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2008 3 AZN 584/08 (F), Neue Juristische Wochenschrift 2009, 541, zu § 78a des Arbeitsgerichtsgesetzes; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2007 8 C 17/07, n.v., zu § 152a der Verwaltungsgerichtsordnung).
Die Vorschrift des § 133a FGO trifft keine Regelung dahingehend, dass über eine Anhörungsrüge nur die Richter entscheiden, die bei der gerügten Entscheidung mitgewirkt haben. Das hat zur Folge, dass bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge, die sich gegen die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen richtet, auch Richter mitwirken können, die von den Ablehnungsgesuchen betroffen waren. Die Mitwirkung dieser Richter ist nicht nach anderen Verfahrensvorschriften ausgeschlossen. Denn mit der Ablehnung der Befangenheitsanträge durch unanfechtbaren Beschluss eines letztinstanzlichen Gerichts ist das Verfahren über das Ablehnungsgesuch abgeschlossen. Damit endet für die betroffenen Richter das sog. Enthaltungsgebot des § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2007 1 BvR 1273/07, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report 2008, 289, unter III.4. der Gründe; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juli 2008 I B 22/08, n.v.).
3. Die Anhörungsrügen sind jedenfalls unbegründet.
a) Nach § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss das Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- und § 96 Abs. 2 FGO) verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom 27. Dezember 2006 V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667).
b) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist durch die Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche nicht verletzt worden. Der Senat hat bei seinen Entscheidungen keine Tatsachen berücksichtigt, zu denen der Kläger nicht gehört worden ist.
aa) Der Einwand, die Beschlüsse vom 13. November 2008 seien wegen fehlerhafter Besetzung der Richterbank und damit wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig, weil die Geschäftsverteilungspläne des BFH keine Regelungen für den Fall von Richterablehnungen wegen Besorgnis der Befangenheit vorsähen, ist im Rahmen der Anhörungsrüge ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007, 653; vom 10. September 2008 I S 14/08, n.v.).
bb) Soweit der Kläger rügt, die Richter am BFH X und Y hätten unzulässig in eigener Sache und dann auch noch zu ihren Gunsten durch eine gezielt falsche Rechtsanwendung entschieden, macht er zum einen geltend, der Senat habe das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt. Er hat hierzu vorgetragen, die Befangenheitsanträge seien ausführlich begründet worden. Die Richter könnten aufgrund ihrer kommerziellen Nebentätigkeit und ihrer Einbindung in Netzwerke nicht die Gewähr dafür bieten, gemäß Art. 97 GG unabhängig und unparteiisch den Verfahrensbeteiligten gegenüberzustehen. Deshalb müsse die Ablehnung der Anträge unter Mitwirkung der Richter als willkürlich bezeichnet werden. Damit kann der Kläger im Anhörungsrügeverfahren nicht gehört werden.
Zum anderen beruft er sich vor allem darauf, dass seine Einkünfte als filmschaffender Künstler und Grundrechtsträger i.S. von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in den Schutzbereich dieser Norm fielen, § 18 des Einkommensteuergesetzes nicht angewendet werden dürfe, das Umsatzsteuergesetz (UStG) seit 1. Januar 2002 aufgrund des eingefügten § 27b UStG (Umsatzsteuer-Nachschau) nichtig und eine Besteuerung seiner Einkünfte bzw. seiner Tätigkeit ausgeschlossen sei. Soweit der Kläger daraus ableiten sollte, dass die Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche materiell-rechtlich fehlerhaft seien, kann dies mit den Anhörungsrügen nicht geltend gemacht werden. Eine Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache zu überprüfen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 2006 VI S 5/06, BFH/NV 2006, 1337; vom 6. Mai 2008 IX S 12/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R752), selbst wenn eine Verletzung von Grundrechten behauptet wird (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2008 IX B 54/08, n.v.). Gerügt werden kann nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
cc) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei deshalb verletzt worden, weil der Spruchkörper in den Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche die tatsächlich angeführten Gründe für die Ablehnung der Richter nicht unverändert auf ihre Tauglichkeit geprüft, sondern der eigenen Auffassung entsprechend modifiziert und mit den Entscheidungen angeblich den Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 des Strafgesetzbuchs erfüllt habe. Soweit sich der Kläger damit gegen die Auffassung des Gerichts wendet, dass Ablehnungsgründe hinsichtlich der Richter am BFH X und Y wegen eines fehlenden Bezugs zum vorliegenden Rechtsstreit nicht schlüssig dargelegt worden seien und hinsichtlich des Richters am BFH Z nicht vorgelegen hätten, ist die Rüge im vorliegenden Verfahren nicht statthaft. Eine andere Rechtsauffassung des Senats führt nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.
4. Eine Berichtigung des in den gerügten Beschlüssen vom 13. November 2008 jeweils dargestellten Sachverhalts (unter I. der Gründe) ist nicht veranlasst.
Fundstellen