Leitsatz (amtlich)
Ein anhängiges Revisionsverfahren wird nicht durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Revisionsklägers durch das ausländische Konkursgericht unterbrochen.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 240; KO § 237 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG liechtensteinischen Rechts mit dem Sitz in Vaduz.
Im Laufe des Revisionsverfahrens eröffnete das Fürstlich Liechtensteinische Landgericht durch Beschluß vom 27. Juni 1977 über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren. Die Verfahrensbeteiligten haben unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 30. Mai 1962 VIII ZR 39/61 (NJW 1962, 1511) Gelegenheit erhalten, sich zu der Frage zu äußern, ob die Eröffnung des Konkursverfahrens durch das Fürstlich Liechtensteinische Landgericht zur Unterbrechung des Revisionsverfahrens geführt habe. Sie haben diese Frage verneint.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin hindert den Fortgang des Revisionsverfahrens nicht; das Verfahren ist nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Die Geltung des Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Juli 1973 über das Konkursverfahren (Konkursordnung - KO -) - Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 1973 Nr. 45 - erstreckt sich nicht auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.
1. § 240 ZPO beruht auf der Erwägung, daß der Gemeinschuldner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Als Folge der Konkursbeschlagnahme zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger des Gemeinschuldners schließt § 14 KO auf die Dauer des Konkursverfahrens die Einzelzwangsvollstreckung in das zur Konkursmasse gehörige und in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners aus. Gemäß § 237 Abs. 1 KO ist jedoch die Zwangsvollstreckung in das im Inland belegene Vermögen eines Schuldners zulässig, über dessen Vermögen im Ausland das Konkursverfahren eröffnet worden ist; von der gemäß Abs. 2 der Vorschrift möglichen Durchbrechung dieser Regel ist kein Gebrauch gemacht worden (Jaeger-Jahr, Konkursordnung, 8. Aufl., §§ 237, 238 Anm. 66). Das im Ausland eröffnete Konkursverfahren erfaßt demgemäß nicht das im Inland belegene Vermögen des Gemeinschuldners (vgl. BGH-Urteile VIII ZR 39/61 und vom 2. April 1970 VII ZR 128/68, BGHZ 53, 383, NJW 1970, 1187). Mangels Beschlagswirkung des ausländischen Konkurses auf das im Inland belegene Vermögen des Gemeinschuldners kommt auch eine Unterbrechung der durch die Klägerin betriebenen finanzgerichtlichen Verfahren gegen Maßnahmen oder Unterlassungen des beklagten FA nicht in Betracht (vgl. BGH-Urteil VIII ZR 39/61). Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 19 und 20 der Liechtensteinischen KO sind somit für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich.
2. Für die Entscheidung über die Revision ist es nicht erheblich, ob infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens eine Änderung in der Person des gesetzlichen Vertreters der Klägerin eingetreten ist (vgl. einerseits Art. 4 der Liechtensteinischen KO, andererseits Art. 133 Abs. 3 des Gesetzes über das Personen- und Gesellschaftsrecht vom 20. Januar 1926 - PGR -, Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 1926 Nr. 4). Nach dem BGH-Urteil vom 7. Dezember 1961 II ZR 11/60 (Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1962 S. 81, mit Anm. Hoffstätter; Wertpapier-Mitteilungen 1962 S. 263 [266]) folgt aus § 237 KO nicht, daß die gesetzliche Vertretung der in Konkurs gefallenen ausländischen juristischen Person durch den Konkursverwalter nicht anerkannt werde.
a) Die Klägerin ist als Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts nicht erst durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst worden (Art. 123 Abs. 1 Nr. 4 PGR). Zur Zeit der Konkurseröffnung war sie bereits aufgelöst, bestand sie als juristische Person im Stadium der Liquidation (Art. 130, 131 PGR), und wurde als bereits aufgelöste Gesellschaft in das Konkursverfahren übergeführt. Für den Streitfall kommt es nicht darauf an, ob durch die Eröffnung des Konkursverfahrens dem Liquidator der für Zwecke der Liquidation fortbestehenden Aktiengesellschaft (Art. 131 PGR) durch Art. 133 Abs. 3 PGR die Stellung als gesetzlicher Vertreter im Hinblick auf die vorliegenden Rechtsstreitigkeiten entzogen worden und der Konkursverwalter an seine Stelle getreten ist, oder ob der Liquidator für den vorliegenden Prozeß die gleiche Stellung hat wie vor der Konkurseröffnung. Wenn dem Liquidator die Vertretungsmacht kraft liechtensteinischen Rechts entzogen und an seine Stelle der Konkursverwalter getreten sein sollte, so wäre das Verfahren gleichwohl nicht unterbrochen, weil die Klägerin durch einen vom Liquidator schon vor Konkurseröffnung ordnungsmäßig bestellten Prozeßbevollmächtigten vertreten ist (§§ 241, 246 ZPO, § 155 FGO). Es kann dahingestellt bleiben, ob die dem Prozeßbevollmächtigten erteilte Vollmacht nach liechtensteinischem Recht aufgrund des dem § 23 Abs. 1 Satz 1 KO (§ 168 BGB) entsprechenden Art. 40 Abs. 1 der Liechtensteinischen KO erloschen ist. Für Bestand und Umfang der Vollmacht ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die Vollmacht ihre Wirkungen entfalten soll (BGH-Urteil vom 5. Februar 1958 IV ZR 204/57, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 10 zu § 325 ZPO). Die Wirkung einer erteilten Prozeßvollmacht wird überdies nicht durch eine Veränderung in der gesetzlichen Vertretung des Vollmachtgebers aufgehoben (§ 155 FGO, § 86 ZPO).
Fundstellen
BStBl II 1978, 56 |
BFHE 1978, 406 |
IPRspr. 1977, 193 |