Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (NV)
1. Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen hat.
2. Die Durchführung eines Erörterungstermins (§ 79 Satz 2 FGO) ist eine Verhandlung im Sinne des § 43 ZPO.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 43
Tatbestand
In dem Verfahren der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Gewinnfeststellung 1976 bis 1982 fand am 7. Mai 1990 ein Erörterungstermin vor dem seinerzeit zuständigen Berichterstatter, Richter am Finanzgericht (FG) X (RiFG X), statt, zu dem die Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) geladen waren. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten regte der Berichterstatter einen Vorschlag des FA zur außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits an, den die Klägerin jedoch innerhalb der ihr eingeräumten Frist zur Stellungnahme schriftlich ablehnte.
Nachdem die Klägerin ihre Rechtsauffassung mit einem weiteren Schriftsatz vom 24. Juli 1990 bekräftigt hatte, lehnte sie mit Schriftsatz vom 2. August 1990 den RiFG X wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung stützte sie sich auf das Verhalten des Berichterstatters im Erörterungstermin. Dieser hat in seiner dienstlichen Äußerung erklärt, er fühle sich nicht befangen.
Das FG lehnte das Ablehnungsgesuch als unzulässig ab. Der abgelehnte Richter X hat an diesem Beschluß nicht mitgewirkt.
Während des dagegen gerichteten Beschwerdeverfahrens erklärten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt, weil der abgelehnte Richter X seit 1. März 1991 dem Senat wegen einer Abordnung als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Bundesfinanzhof (BFH) nicht mehr angehört.
Entscheidungsgründe
Der von der Klägerin angefochtene Beschluß des FG ist durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen gegenstandslos geworden. Es ist nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auferlegt.
Einem Beteiligten sind danach in der Regel die Kosten aufzuerlegen, wenn er nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei Fortsetzung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen wäre, da er nach dem Gesetz die Kosten zu tragen gehabt hätte (vgl. BFH-Beschluß vom 31. August 1976 VII R 20/74, BFHE 119, 407, BStBl II 1976 686). Zur Entscheidung darüber braucht die Rechtslage indes nicht eingehend geprüft und die Sachlage nicht abschließend geklärt zu werden (vgl. BFH-Beschluß vom 10. November 1971 I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222).
Die Beschwerde hätte keinen Erfolg haben können. Das FG hat das Ablehnungsgesuch wegen Verlusts des Rügerechts zu Recht zurückgewiesen.
Nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen hat. Die Klägerin hat daher ihr Ablehnungsrecht verloren, soweit es um das gerügte Verhalten des Richters X in dem Erörterungstermin vom 7. Mai 1990 geht.
Die Durchführung eines Erörterungstermins gemäß § 79 Satz 2 FGO ist eine Verhandlung i. S. des § 43 ZPO (vgl. Beschlüsse des BFH vom 15. April 1987 IX B 99/85, BFHE 149, 424, BStBl II 1987, 577 und vom 28. September 1989 X B 19/89, BFH/NV 1990, 515). Deshalb müssen Ablehnungsgründe, die während des Erörterungstermins entstehen, bis zum Schluß dieser Verhandlung geltend gemacht werden. Darüber hinaus muß sich die Partei weigern, den Erörterungstermin weiter wahrzunehmen, wenn sie ihr Ablehnungsrecht nicht verlieren will (Beschluß in BFH/NV 1990, 515).
Die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigter haben in dem Erörterungstermin vom 7. Mai 1990 die Befangenheit des Richters X nicht gerügt. Sie haben vielmehr am Erörterungstermin bis zu dessen Ende teilgenommen. Das Ablehnungsgesuch vom 2. August 1990 ist fast drei Monate nach dem Erörterungstermin beim FG eingereicht worden.
Wegen dieser Verspätung kann sich die Klägerin aber auch nicht darauf berufen, daß ihr der Ablehnungsgrund erst später bekanntgeworden sei (§ 44 Abs. 4 ZPO). Insoweit hat die Klägerin zwar vorgetragen, ihr sei erst später bewußt geworden, daß eine Reihe verschiedener Bemerkungen des Richters X, zwar nicht einzeln, aber doch in ihrer Gesamtheit, die Besorgnis der Befangenheit begründet hätten. Die Klägerin widerspricht sich jedoch, wenn sie einerseits behauptet, die Voreingenommenheit des Richters X sei ihr erst nach dem Erörterungstermin klargeworden, andererseits aber vorträgt, die Schlußbemerkung des Richters X, ,,das sei ein großzügiges Angebot", habe ,,das Faß zum Überlaufen gebracht". In solchem Fall aber hätte ausreichend Gelegenheit bestanden, etwaige Ablehnungsgründe während oder nach dem Diktat des Protokolls vorzubringen. Statt dessen aber hat sich die Klägerin zur Sache selbst eine Äußerungsfrist vorbehalten.
Nach alledem hätte die Beschwerde nach Auffassung des erkennenden Senats keinen Erfolg haben können. Als Folge davon hat die Klägerin die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 418342 |
BFH/NV 1992, 679 |