Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung der betrieblichen Versorgungsrente von der betrieblichen Veräußerungsrente
Leitsatz (NV)
Kennzeichnend für die betriebliche Versorgungsrente ist, daß der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund steht (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26). Ihr Rechtsgrund wird überwiegend durch das betrieblich veranlaßte Bestreben bestimmt, den Bezieher zu versorgen, ihn insbesondere vor materieller Not zu schützen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Gründe
1. Die gerügte Abweichung von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83 (BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585), vom 26. März 1991 VIII R 315/84 (BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472) und vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83 (BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563) besteht nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt eine betriebliche Veräußerungsrente vor, wenn ein Betrieb gegen Zahlung einer Rente übertragen wird und die Beteiligten sich überwiegend vom Gedanken der Gegenleistung für die erworbenen Wirtschaftsgüter leiten lassen. Kennzeichnend für die betriebliche Versorgungsrente ist, daß der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26 m. w. N. der Rechtsprechung); ihr Rechtsgrund wird überwiegend durch das betrieblich veranlaßte Bestreben (z. B. Fürsorgeleistungen an einen früher im Unternehmen tätigen Gesellschafter oder Rücksichtnahme auf das geschäftliche Ansehen des Betriebsübernehmers) bestimmt, den Rentenberechtigten zu versorgen, ihn insbesondere vor materieller Not zu schützen. Eine betriebliche Versorgungsrente kann mithin auch dann vorliegen, wenn das übertragene Betriebsvermögen und der versicherungsmathematische Barwert der Rente zwar objektiv gleichwertig sind, die Parteien aber bewußt und gewollt die Rentenzahlungen danach bemessen haben, was dem Rentenberechtigten zum Zwecke der Versorgung zur Verfügung stehen muß. Bei dieser Abgrenzung ist allerdings zu beachten, daß Renten, die im Zusammenhang mit der Übertragung eines gewerblichen (Einzel-)Unternehmens vereinbart werden, sich nur ausnahmsweise als betriebliche Versorgungsrenten qualifizieren lassen, weil der Gesichtspunkt eines nachträglichen Entgelts für geleistete Dienste in diesem Falle ausscheidet und eine aus der Lebenserfahrung gewonnene tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß sich der Erwerber nur insoweit zu Leistungen bereitfindet, als er einen Gegenwert erlangt. Im Zweifel ist von einer betrieblichen Veräußerungsrente auszugehen (BFH-Urteil in BFHE 156, 339, 346, BStBl II 1989, 585).
Eine etwaige Divergenz von den in der Beschwerdeschrift bezeichneten Entscheidungen konnte sich auf die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) am Maßstab der vorstehend dargestellten Grundsätze nicht auswirken. Das FG hat für die Antwort auf die Frage, ob die KG eine Gegenleistung für übertragene Wirtschaftsgüter gezahlt hat, den Wert des mit Vertrag vom 31. Juli 1981 übertragenen Grundstücks und des Inventars der Klinik dem Wert der übernommenen Leistungen (einschließlich der Schulden und Rentenverpflichtungen) gegenübergestellt. Hätte das FG, wie es die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beanspruchen, "die mit dem Betrieb erworbenen -- aktiven und passiven -- Wirtschaftsgüter als Sachgesamtheit dem Barwert der Rentenverpflichtung gegenübergestellt", wäre seine rechtliche Aussage zu der von den Vertragsparteien angestrebten Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistungen dieselbe geblieben. Die zur Annahme eines Veräußerungsgewinns führende "Leistungsbilanz" hätte sich dadurch nicht zugunsten des Klägers verändert. Es hätte sich nichts an der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens des FG gewonnenen Überzeugung ändern können, daß sich die Vertragspartner "überwiegend von dem Gedanken des Leistungsaustausches" leiten ließen und daß es darum ging, einen angemessenen, auch an der finanziellen Leistungsfähigkeit der KG orientierten Kaufpreis zu finden. Die Versorgung des Klägers ist nach der den Senat bindenden Feststellung des FG nicht überwiegender Vertragszweck und Zweck der wiederkehrenden Leistungen gewesen. Damit fehlte es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Versorgungsrente. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, inwiefern bei einer anderen rechnerischen Ermittlung der "Leistungsbilanz" der Rechtscharakter der wiederkehrenden Leistungen als betriebliche Versorgungsrente hätte begründet werden können. Darauf, daß bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs die Übernahme von betrieblichen Schulden durch den Erwerber bei diesem nicht zu Anschaffungskosten führt, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.
2. Auf die Rechtsfrage, "ob für die Bejahung der Entgeltlichkeit einer Betriebsübertragung eine nachvollziehbare Berechnung erforderlich ist", kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Es kann daher unentschieden bleiben, ob diese Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Das FG hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß die Vertragsparteien sich "überwiegend vom Gedanken des Leistungsaustausches" haben leiten lassen und daß es im übrigen auch darum ging, der Erwerberin durch angemessene Vertragsbedingungen die Übernahme der Klinik zu ermöglichen. Welche Leistungen die Vertragsparteien austauschen wollen, bestimmen sie selbst; sie sind hierüber nicht "auf Heller und Pfennig" Rechenschaft schuldig. Selbst wenn der Veräußerer eines Betriebes vom Erwerber nur das verlangt, was letzterer zu leisten imstande ist, und wenn er in dieser Hinsicht weniger als den Verkehrswert erlöst, ändert dies nichts an der Rechtsnatur eines gegenseitigen Austauschvertrages.
3. Der Vortrag der Kläger, "eine ,Atomisierung' des Übergabevertrages in einzelne Wirtschaftsgüter und deren Subsumtion unter die Kategorien ,Leistung' und ,Gegenleistung' " sei nicht zulässig, war nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht erheblich. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, inwiefern und mit welchem Ergebnis eine Berücksichtigung dieses Vorbringens die Anwendung der vorstehend unter 1. dargelegten Rechtsgrundsätze hätte beeinflussen können. Aus diesem Grunde sind auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der von den Klägern behauptete Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht schlüssig dargelegt.
4. Auch der gerügte Verfahrensmangel der mangelnden Sachaufklärung kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Wird mangelnde Sachaufklärung mit der Begründung gerügt, das FG habe einen Beweis von Amts wegen erheben müssen, muß auch dargelegt werden, warum der Kläger, sofern er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Antrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG -- auch ohne besonderen Antrag -- hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228, m. w. N.). Ein selbst indirekter Zusammenhang zwischen der Aussage des Zeugen X und einem "eindeutigen Versorgungscharakter der Leibrente" ist nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich dem FG eine Vernehmung hätte aufdrängen müssen. Die im Verfahren vor dem FG anwaltlich vertretenen Kläger haben ihrerseits keinen weiteren Beweisantrag gestellt.
Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.
Fundstellen
Haufe-Index 65177 |
BFH/NV 1995, 105 |