Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, fehlender Abhilfebeschluß
Leitsatz (NV)
1. Ein Antrag auf Richterablehnung hindert nicht die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde.
2. Hat das FG über die Abhilfe einer Beschwerde nicht entschieden, so muß die Sache dann nicht an das FG abgegeben werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unzulässig ist.
Normenkette
FGO §§ 56, 130 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt worden ist.
1) Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Diese Frist war bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 25. Oktober 1993 verstrichen, da das Urteil dem Kläger bereits am 27. Februar 1993 zugestellt wurde.
2) Dem Kläger ist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren. Der Kläger war nicht verhindert, rechtzeitig Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Insbesondere hätte er durch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht sein Recht verloren, im Beschwerdeverfahren seinen Antrag betreffend Richterablehnung gemäß § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) weiter zu verfolgen.
Gemäß § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein mußte. Zwar ist das Ablehnungsrecht, das nach § 42 Abs. 3 ZPO den Beteiligten zusteht, ein verzichtbares Recht i. S. des § 295 Abs. 1 ZPO. Durch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf dieses Recht aber nicht verzichtet. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 3 FGO ist das Begehren auf Zulassung der Revision gegen das Urteil der abgelehnten Richter. Ihrer Einlegung kann in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) daher inhaltlich weder ein ausdrücklicher noch konkludenter Verzicht auf das Ablehnungsrecht entnommen werden. Hinzu kommt, daß mit der Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensrügen i. S. des § 116 FGO, wozu die unrichtige Besetzung des Gerichts gehört, gar nicht gerügt werden kann, weil hierfür ausschließlich die zulassungsfreie Revision vorgesehen ist (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 24). Wenn daher in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde das Ablehnungsgesuch überhaupt nicht angesprochen wird, so folgt dies aus dieser prozeßrechtlichen Situation, indiziert aber keinen Rügeverzicht. Da somit eine verfahrensrechtlich beachtliche Möglichkeit, eine Verletzung der in § 116 FGO genannten Verfahrensvorschriften in einer Nichtzulassungsbeschwerde zu rügen, nicht besteht, scheidet gleichermaßen ein fingierter Verzicht nach § 295 Abs. 1, 2. Alternative ZPO aus.
3) Die Sache ist nicht an das FG abzugeben, obgleich dieses bislang nicht über eine Abhilfe beschlossen hat. Zwar sieht § 130 Abs. 1 FGO vor, daß zunächst das FG, der Vorsitzende oder der Berichterstatter des FG über die Abhilfe entscheidet. Ist eine Beschwerde aber, wie im Streitfall, wegen Fristversäumnis offensichtlich unzulässig, so darf ihr das FG nicht abhelfen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 130 Rdnr. 2; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 130 FGO Tz. 9; vgl. zu einer nicht statthaften Beschwerde auch den Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 3. Mai 1984 VII B 84/83, BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562). Eine Abgabe der Sache an das FG und einer nochmaligen Vorlage an den BFH steht der Grundsatz der Prozeßökonomie entgegen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1989 VIII B 63/89, BFH/NV 1990, 582). Abweichendes kann nur dann gelten, wenn ein Gericht unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren seine Entscheidung selbst abändern kann (vgl. z. B. § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO; BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1991 XI B 18/90, BFHE 165, 565, BStBl II 1992, 301).
Fundstellen
Haufe-Index 420094 |
BFH/NV 1995, 138 |