Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug für Einfuhrumsatzsteuer
Leitsatz (NV)
Auf die Frage, ob § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG dahingehend auszulegen ist, dass nur diejenigen Gegenstände für das Unternehmen des den Vorsteuerabzug begehrenden Steuerpflichtigen eingeführt worden sind, an denen er im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht besitzt, kommt es nicht an, wenn ein Dritter und nicht der Steuerpflichtige der Lieferempfänger war, die Einfuhrumsatzsteuer von der Spedition für Rechnung des Dritten verauslagt worden war, der zollamtliche Beleg auf den Dritten lautete und der Steuerpflichtige nur im Weg des Rückgriffs in Anspruch genommen wurde.
Normenkette
FGO § 115; UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 17.02.2004; Aktenzeichen 15 K 6304/00 U) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Steuerberater. Er war zusammen mit seinem Schwiegersohn (S) an einer Steuerberatungsgesellschaft und als Kommanditist an einer KG beteiligt, die mit Bekleidung handelte. Diese stand in Geschäftsverbindungen zu einer italienischen Firma (T), die ihr Strickwaren lieferte. Der Kläger hatte der Hausbank der notleidenden KG ein Termingeldkonto in Höhe von 500 000 DM verpfändet.
Im Januar 1991, nach Konkurseröffnung am … Dezember 1990, stellte T der KG noch die Lieferung von 4 000 Pullover in Rechnung. Der Konkursverwalter über das Vermögen der KG lehnte die Annahme der Pullover zunächst ab. Nachdem das Landgericht aber die Rechtmäßigkeit der Zahlungsansprüche von T festgestellt hatte, befriedigte die Hausbank der KG T und nahm auf das vom Kläger verpfändete Konto Rückgriff. Im September 1991 stellte die Spedition einen Speditionsübergabeschein auf die KG aus. Dieser wurde am selben Tage auf S umgeschrieben, der als Treuhänder des Klägers gehandelt haben soll. Der Kläger zahlte die Speditionsrechnung und ersetzte der Spedition die verauslagte Einfuhrumsatzsteuer (45 259,20 DM und 352,80 DM). Die Zollbelege weisen als Anmelder der Ware die KG aus.
Im September 1991 übernahm der Kläger die Ware, die er zunächst als verkäuflich beurteilte. In den Jahren 1992 und 1993 versuchte er vergeblich, die Ware zu veräußern. Im Jahre 1994 entschloss er sich, die Ware an karitative Organisationen verbilligt abzugeben. Im Jahre 1995 wurde die Ware zu einem Preis von insgesamt 28 391 DM netto veräußert.
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1995 erklärte der Kläger neben Umsätzen aus seiner Steuerberatertätigkeit auch Umsätze aus Textilhandel in Höhe von 28 391 DM und machte u.a. die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 45 259,20 DM als Vorsteuer geltend.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ab und änderte den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 entsprechend (Umsatzsteueränderungsbescheid vom 19. April 1999). Gleichzeitig lehnte das FA auch einen Billigkeitsantrag auf abweichende Steuerfestsetzung ab.
Einspruch und Klage gegen die Steuerfestsetzung und die Ablehnung des Billigkeitsantrags hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen zuzulassen.
a) Soweit der Kläger rügt, das FG habe ein Schreiben des Sachgebietsleiters vom 11. Dezember 2002 nicht berücksichtigt, in dem dieser bestätige, einem Abzug der im Jahre 1991 gezahlten Einfuhrumsatzsteuer im Jahre 1995 zugestimmt zu haben, könnte hierin die Rüge gesehen werden, das FG habe mit der Nichtberücksichtigung dieses Schreibens die Vorschriften der §§ 76 und 96 FGO verletzt. Die schlüssige Rüge eines derartigen Verfahrensmangels erfordert jedoch, unter genauer Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten sich ergebende wesentliche Tatumstände zu benennen, die das FG nicht berücksichtigt hat und darzulegen, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann (BFH-Beschluss vom 21. September 2000 XI B 13/99, BFH/NV 2001, 200).
Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
b) Die Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung verstoßen, indem es die schriftsätzlich beantragte Zeugenvernehmung des Sachbearbeiters X unterlassen habe, entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Wird gerügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO durch das Übergehen eines Beweisantrags verletzt, dann muss in der Beschwerdebegründung u.a. auch dargelegt werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde, oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. November 2003 IV B 124/01, BFH/NV 2004, 519). Dies folgt daraus, dass das Übergehen eines Beweisantrags Verfahrensvorschriften verletzt, auf deren Einhaltung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ausdrücklich oder durch das Unterlassen einer Rüge verzichtet werden kann, was einen endgültigen Rügeverlust bewirkt.
Der Kläger hat weder dargelegt noch ist aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich, dass er die unterbliebene Zeugenvernehmung gerügt hat. Auch hat der Kläger nicht ausgeführt, weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich war, obwohl in der mündlichen Verhandlung auch der fachkundige Klägervertreter anwesend war.
3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Es mag zwar klärungsbedürftig sein, ob § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes dahin gehend auszulegen ist, dass nur diejenigen Gegenstände für das Unternehmen des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers eingeführt worden sind, an denen er im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht besitzt (vgl. Abschn. 199 Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien). Hierauf kommt es jedoch nicht an. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt scheitert im Streitfall eine Einfuhr für das Unternehmen des Klägers bereits daran, dass die KG und nicht der Kläger der Lieferempfänger war, die Einfuhrumsatzsteuer von der Spedition für Rechnung der KG verauslagt worden war, der zollamtliche Beleg auf die KG lautete und der Kläger nur im Wege des Rückgriffs in Anspruch genommen worden war. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass nach den maßgeblichen Feststellungen des FG gleichwohl eine Einfuhr "für das Unternehmen" des Klägers in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1277710 |
BFH/NV 2005, 259 |