Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an ordnungsgemäße Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Eine Revisionsbegründung ist nicht ordnungsgemäß, wenn nur das Vorbringen des Klägers vor dem FG wiederholt wird, ohne zu den Erwägungen des FG Stellung zu nehmen. Schriftsätze, die der vor dem BFH nicht vertretungsberechtigte Kläger persönlich an den BFH richtet, vermögen eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht zu ersetzen.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1 S. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr (1981) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In einem rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren begehrten sie u.a. die Berücksichtigung von Verlusten aus einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin bei der Einkommensteuer für das Streitjahr und die Nichtbesteuerung von Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dieses Klageverfahren blieb insoweit erfolglos, weil die Kläger die Verluste nicht innerhalb einer vom Finanzgericht (FG) nach dem Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit gesetzten Frist darlegten bzw. nachwiesen und das FG die Besteuerung der Zinsen als richtig ansah. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte jedoch wegen anderer Streitpunkte entsprechend dem rechtskräftigen Urteil des FG die Einkommensteuer für das Streitjahr neu fest.

Gegen diese Neufestsetzung der Einkommensteuer erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren erneut Klage, mit der sie wiederum die Berücksichtigung von Verlusten aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin und die Nichtbesteuerung der Zinsen verlangten. Das FG verschob zunächst zwei für die mündliche Verhandlung angesetzte Termine wegen Zweifeln an der Verhandlungsfähigkeit des Klägers, der im eigenen Namen und als Prozeßbevollmächtigter für die Klägerin auftrat. Es veranlaßte eine eingehende amtsärztliche Untersuchung des Klägers. Der Amtsarzt kam zu dem Ergebnis, daß der Kläger mindestens eine Stunde pro Tag verhandlungsfähig sei und gesundheitlich fähig sei, den Prozeß vorzubereiten. Vor und in der daraufhin anberaumten mündlichen Verhandlung machte der Kläger erneut geltend, er sei verhandlungsunfähig. Zum Beweis berief er sich u.a. auf die Kopie einer ärztlichen Bescheinigung der praktischen Ärztin Dr.A. Das amtsärztliche Zeugnis lehnte der Kläger ab. Er stellte in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag und begründete dies damit, daß er verhandlungsunfähig sei.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, daß es keine Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Klägers habe. Es sei sowohl aufgrund des Gutachtens des Amtsarztes als auch aufgrund des Eindruckes vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gekommen, daß der Kläger verhandlungsfähig sei. Der Kläger sei zwar fähig, aber nicht bereit, sich mit den Sach- und Rechtsfragen des anhängigen Rechtsstreits auseinanderzusetzen. In der Sache sei die Klage unbegründet, weil über die von den Klägern begehrte Verlustanerkennung aus gewerblicher Tätigkeit der Klägerin und über den Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen rechtskräftig entschieden worden sei.

Hiergegen richtet sich die von den Klägern durch ihren Prozeßbevollmächtigten eingelegte Revision. Zur Begründung der Revision führt der Prozeßbevollmächtigte in der Revisionsschrift aus, es bestehe der Verdacht, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht verhandlungsfähig gewesen sei. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, den Prozeß und den Vortrag des Berichterstatters zu verfolgen. Außerdem sei der Kläger wegen einer schweren Erkrankung seit Herbst 1990 auch in der Vorzeit nicht fähig gewesen, die Klage zu begründen. Dies sei dem FG seit langer Zeit bekannt gewesen. Der Kläger habe dies vor und während der Verhandlung außerdem mehrmals erklärt.

Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger kündigte eine weitere Begründung der Revision und die Nachreichung des Attestes von Frau Dr.A an. Eine weitere Revisionsbegründung erfolgte jedoch nicht. Statt dessen übersandte der Kläger unter dem Namen seines Sohnes die Kopie eines Schreibens an seinen Prozeßbevollmächtigten, in dem zu seinem Gesundheitszustand Stellung genommen wurde und dem mehrere ärztliche Bescheinigungen eines ... arztes in Kopie beigefügt waren. Außerdem antwortete der Sohn des Klägers unmitttelbar auf ein Schreiben der Geschäftsstelle des erkennenden Senats an den Prozeßbevollmächtigten. Schließlich übersandte der Kläger noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Regierungspräsidenten in ... wegen der vor der mündlichen Verhandlung des FG erfolgten Untersuchung durch den Amtsarzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, unabhängig davon, ob sie nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch ohne Zulassung durch das FG oder den Bundesfinanzhof (BFH) statthaft ist oder nicht.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision nicht nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Sie muß auch spätestens innerhalb eines weiteren Monats begründet werden. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat in seinem Schriftsatz über die Einlegung der Revision zwar Ausführungen zur Begründung gemacht. Diese Ausführungen werden den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung aber nicht gerecht.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muß die Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat (s. u.a. BFH-Entscheidungen vom 12. Januar 1977 I R 134/76, BFHE 121, 19, BStBl II 1977, 217; vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rdnr. 32 m.w.N.). Dazu bedarf es wenigstens einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (BFH-Urteil in BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814; BFH-Beschluß vom 16. September 1987 IV R 63/85, BFH/NV 1988, 714 m.w.N.). Daran fehlt es in der Revisionsschrift des Prozeßbevollmächtigten der Kläger.

Der Prozeßbevollmächtigte wiederholt nur das Vorbringen des Klägers in und vor der mündlichen Verhandlung des FG und behauptet, daß das FG dieses Vorbringen und die eigene Kenntnis der Verhandlungsunfähigkeit des Klägers ignoriert habe. Das FG hat sich jedoch in seinem Urteil mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt. Es hat aufgrund des von ihm veranlaßten amtsärztlichen Gutachtens und aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks die Verhandlungsfähigkeit des Klägers bejaht. Wie der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils erkennen läßt, hat das FG dabei auch die anders lautende ärztliche Bescheinigung der Ärztin Dr.A in seine Erwägungen einbezogen. Die Revisionsschrift des Prozeßbevollmächtigten der Kläger enthält keinerlei Stellungnahmen zu den Erwägungen des FG. Die Übersendung der Bescheinigung der Ärztin Dr.A hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in der Revisionsschrift im übrigen nur angekündigt, aber nicht ausgeführt.

2. Die Schriftsätze, die der Kläger oder sein Sohn persönlich beim BFH eingereicht haben, vermögen eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung durch den Prozeßbevollmächtigten nicht zu ersetzen. Abgesehen davon, daß sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO beim BFH eingegangen sind, können sie schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sich nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vor dem BFH jeder Beteiligte - ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden - durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen muß. Dieser Vertretungszwang bezieht sich nicht nur auf die Einlegung, sondern auch auf die Begründung der Revision. Der Prozeßbevollmächtigte muß für ihren Inhalt die volle Verantwortung übernehmen (Gäber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 19 m.w.N.). Der Kläger und sein Sohn gehören nicht zum Kreis der vor dem BFH vertretungsberechtigten Personen. Sie konnten daher die Revision nicht begründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419907

BFH/NV 1994, 892

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