Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist bei Schenkungsteuer; rechtliches Gehör; Aufklärungsrüge; Rügeverlust; Einwendungen gegen materielle Richtigkeit des FG-Urteils
Leitsatz (NV)
1. Solange der Anlauf der Frist für die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt ist, kann § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht dazu führen, dass die Festsetzungsfrist zu einem früheren Zeitpunkt beginnt, etwa bereits mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker verstorben ist.
2. Ein Beschwerdeführer bezeichnet den Verfahrensmangel einer Verletzung rechtlichen Gehörs, der damit begründet wird, dass seinem Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des festgesetzten Termins für die mündliche Verhandlung nicht stattgegeben worden sei, nicht schlüssig, wenn er in der mündlichen Verhandlung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war und in der Beschwerdebegründung nicht vorträgt, dass dieser die Verletzung des Rechts auf Gehör in der Verhandlung gerügt habe.
3. Das FG muss einem nicht hinreichend substantiierten Beweisantrag nicht nachkommen.
4. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des FG-Urteils einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung werden bloße Rechtsanwendungsfehler geltend gemacht, die die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2; ErbStG § 30; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1, § 295 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 14.11.2007; Aktenzeichen 4 K 185/05) |
Tatbestand
I. Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Schenkungsteuer für den Erwerb von Gemälden, Briefmarken und Goldmünzen sowie eines PKW von ihrem zwischenzeitlich im April 1988 verstorbenen Lebensgefährten B fest und ging dabei vom 1. April 1988 als Schenkungszeitpunkt aus. Mit dem durch ihre nunmehrige Prozessbevollmächtigte, eine Rechtsanwaltskanzlei, eingelegten Einspruch vom 27. Oktober 2004 führte die Klägerin u.a. aus, die Schenkung sei am 1. April 1988 erfolgt. Später gab sie andere, frühere Schenkungszeitpunkte an. Der Einspruch blieb erfolglos. Während des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Schenkungsteuerbescheid, mit dem es die Goldmünzen und den PKW nicht mehr bei der Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer berücksichtigte.
Das Finanzgericht (FG) bestimmte durch Beschluss vom 25. Oktober 2007 Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme durch Vernehmung von zwei Zeugen auf den 14. November 2007 und ordnete das persönliche Erscheinen der Klägerin an, da es der Sachaufklärung dienlich sei. Das FG wies zugleich darauf hin, dass dies jedoch eine Entscheidung in Abwesenheit der Klägerin nicht ausschließe.
Der Seniorpartner der prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei, ein Rechtsanwalt und Steuerberater (im Folgenden: Prozessbevollmächtigter), beantragte mit Schriftsatz vom 7. November 2007, den Termin zur mündlichen Verhandlung sowie Beweisaufnahme auf Dezember 2007 zu verlegen, da sich die Klägerin in Argentinien aufhalte und eine telefonische Kontaktaufnahme nicht möglich sei. Es bestehe nur die Möglichkeit, mit der Klägerin auf dem Postweg zu korrespondieren. Mit einer Rückantwort auf schriftliche Anfragen sei in ca. drei bis vier Wochen zu rechnen. Die Klägerin könne deshalb in dem Termin nicht persönlich anwesend sein. Zur Vorbereitung des Termins seien noch verschiedene Informationen der Klägerin hinsichtlich der Umstände der Schenkung erforderlich, damit eine sachdienliche Aufklärung im Termin stattfinden könne.
Der Senatsvorsitzende des FG lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der nicht weiter substantiierte Hinweis auf noch fehlende "verschiedene Informationen" der im Ausland lebenden und nur auf dem Postweg erreichbaren Klägerin reiche zur Begründung nicht aus.
Die Klägerin wurde in dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme durch den Prozessbevollmächtigten vertreten. Dieser stellte den Antrag, zwei weitere Zeugen zu vernehmen. Das FG wies die Klage ab. Dem Erlass des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids habe Festsetzungsverjährung nicht entgegengestanden. Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge seien nicht hinreichend substantiiert und daher abzulehnen.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf Verfahrensmängel, Divergenz und Unrichtigkeit der Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht, rechtfertigen die vorgebrachten Gründe nicht die Zulassung der Revision.
1. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass das FG durch die Ablehnung der Terminsverlegung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt habe.
a) Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann aus erheblichen Gründen ein Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben oder verlegt werden. In einer sachlich unzutreffenden Behandlung eines entsprechenden Antrags kann eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Januar 2008 V B 72/06, BFH/NV 2008, 812, und vom 14. Februar 2008 VII B 53/07, BFH/NV 2008, 817, je m.w.N.).
Bei dem Anspruch auf Gehör handelt es sich indes um ein gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbares Verfahrensrecht, wenn nicht der Gesamtinhalt des Verfahrens betroffen ist (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2007 XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595). War der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten, kann eine Verletzung dieses Anspruchs daher mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nur geltend gemacht werden, wenn dieser Verfahrensverstoß bis zum Ende der mündlichen Verhandlung gerügt wurde (BFH-Beschluss vom 23. Juli 2003 V B 260/02, BFH/NV 2003, 1595).
Ein Beschwerdeführer bezeichnet demgemäß den Verfahrensmangel einer Verletzung rechtlichen Gehörs, der damit begründet wird, dass seinem Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des festgesetzten Termins für die mündliche Verhandlung nicht stattgegeben worden sei, nicht schlüssig, wenn er in der mündlichen Verhandlung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war und in der Beschwerdebegründung nicht vorträgt, dass dieser die Verletzung des Rechts auf Gehör in der Verhandlung gerügt habe (BFH-Beschluss vom 15. Februar 1995 VII B 156/94, BFH/NV 1995, 903; vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 595).
b) Ein solcher Vortrag fehlt in der Beschwerdebegründung. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung die Ablehnung der Terminsverlegung gerügt habe.
2. Die Rüge, das FG hätte den Sachverhalt durch Vernehmung der in der mündlichen Verhandlung benannten Zeugen weiter aufklären müssen, ist unbegründet. Das FG brauchte den von der Klägerin gestellten Beweisanträgen nicht zu entsprechen.
a) Auf die Erhebung eines von einem Beteiligten beantragten Beweises darf das FG im Regelfall nur dann verzichten, wenn es die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen, oder die zu beweisende Tatsache nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht rechtserheblich ist (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2002 VII B 268/01, BFH/NV 2002, 1595; vom 3. Januar 2006 IX B 56/05, BFH/NV 2006, 954; vom 10. Oktober 2007 X B 45/07, BFH/NV 2008, 96, und vom 19. Dezember 2007 X B 34/07, BFH/NV 2008, 597).
Das FG muss darüber hinaus einem Beweisantrag nur dann nachkommen, wenn dieser hinreichend substantiiert ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63; vom 17. März 2003 VII B 269/02, BFH/NV 2003, 825, und vom 2. März 2006 XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132). Das setzt voraus, dass das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen genau angegeben werden (BFH-Beschlüsse vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, und vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736).
b) Das FG hat danach die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen genau angegeben. Sie hat vielmehr lediglich beantragt, den in einem Vermerk der Steuerfahndungsstelle genannten Hausmeister "zu dem Verbleib der Bilder in X bzw. der Verbringung zur Klägerin" und den Versicherungsmakler M "für den Fall, dass dies entscheidungserheblich sein sollte", als Zeugen zu vernehmen. Die vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angeführte Tatsache, dass dieser Versicherungsmakler hauptsächlich für B tätig gewesen sei und auch die Hausratsversicherung der Klägerin abgeschlossen habe, bedurfte keines Beweises. Dieser Umstand ergab sich bereits aus den Steuerfahndungsakten und war nicht streitig. Das FG sah ihn zudem in der Vorentscheidung nicht als entscheidungserheblich an.
3. Die Revision ist nicht wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von den in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich dem BFH-Urteil vom 5. Februar 2003 II R 22/01 (BFHE 201, 403, BStBl II 2003, 502) nicht entnehmen, dass die in § 170 Abs. 5 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) getroffene Sonderregelung für die Anlaufhemmung bei der Schenkungsteuer die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO wegen pflichtwidriger Nichtanzeige einer freigebigen Zuwendung (§ 30 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --ErbStG--) verdränge. Der BFH hat in der Entscheidung vielmehr die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ausdrücklich angewandt und ausgeführt, dass § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO eine "weitere Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer" vorsehe. Solange der Anlauf der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt ist, kann § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht dazu führen, dass die Festsetzungsfrist zu einem früheren Zeitpunkt beginnt, etwa bereits mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852). § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO kann vielmehr lediglich zur Folge haben, dass die Anlaufhemmung über den in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bestimmten Zeitraum von höchstens drei Kalenderjahren hinaus fortbesteht (BFH-Urteile vom 6. Juni 2007 II R 54/05, BFHE 217, 393, BStBl II 2007, 954; vom 6. Juni 2007 II R 21/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2008, 113, und vom 6. Juni 2007 II R 20/06, BFH/NV 2008, 4).
4. Mit den Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG macht die Klägerin bloße Rechtsanwendungsfehler geltend, die die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. August 2007 VII B 345/06, BFH/NV 2008, 23; vom 20. September 2007 IX B 54/07, BFH/NV 2008, 30; vom 25. September 2007 IX B 199/06, BFH/NV 2008, 26, und vom 28. Februar 2008 XI B 214/06, BFH/NV 2008, 1173). Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25, und vom 20. Februar 2008 VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980).
Hinsichtlich des von der Klägerin in Anspruch genommenen Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2928) wird aus der Beschwerdebegründung im Übrigen auch nicht ersichtlich, warum die von der Klägerin nach ihrem Vorbringen am 20. Dezember 2004 für Einkünfte aus Gewerbebetrieb abgegebene strafbefreiende Erklärung auf die bereits zuvor festgesetzte Schenkungsteuer Einfluss haben soll. Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte § 11 StraBEG betrifft die strafrechtliche Verfolgungsverjährung (Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 StraBEG Rz 1). Mit der vom FG herangezogenen Vorschrift des § 12 Satz 1 StraBEG, wonach die in § 11 des Gesetzes genannten Ansprüche als erloschen gelten, soweit sie der zuständigen Finanzbehörde bei Eingang einer wirksamen strafbefreienden Erklärung noch nicht bekannt waren (vgl. Rüping, a.a.O., § 12 StraBEG Rz 2), hat sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt.
5. Die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) eingereichten Schriftsätze können nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2007 VII B 142/06, BFH/NV 2007, 873, und vom 24. April 2007 X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504).
Fundstellen
Haufe-Index 2036619 |
BFH/NV 2008, 1815 |