Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz
Leitsatz (NV)
Rügt der Beschwerdeführer, das FG habe die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsprechung des BFH sachlich nicht richtig auf den zu entscheidenden Einzelfall übertragen, so wird damit keine Abweichung im Grundsätzlichen dargetan, die eine Revisionszulassung rechtfertigen könnte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert.
Rz. 3
a) Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (Senatsbeschluss vom 17. März 2010 X B 51/09, BFH/NV 2010, 1291). Keine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 X B 113/09, BFH/NV 2010, 600). Denn nicht schon die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen rechtfertigt prinzipiell die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Bloße Subsumtionsfehler sind hingegen im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 600).
Rz. 4
b) Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht in Betracht, weil keine der (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen zu einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist.
Rz. 5
aa) Mit Urteil vom 15. Dezember 1992 IX R 323/87 (BFHE 169, 386, BStBl II 1993, 488) hat der BFH entschieden, dass nach Erwerb eines Grundstücks geleistete Zahlungen zur Ablösung eines dinglichen Wohnungsrechts nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers darstellen. Im Streitfall hat die Klägerin hingegen, worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zutreffend hinweist, vom Konkursverwalter zwei unbelastete Grundstücke zu dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis erworben.
Rz. 6
bb) Auch eine Abweichung des FG-Urteils vom BFH-Urteil vom 17. April 2007 IX R 56/06 (BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956) scheidet wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte aus. Anders als in dem Urteil in BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956 hat die Klägerin keine Zahlung geleistet, um einen den Grundstückskaufvertrag anfechtenden Gläubiger zu befriedigen.
Rz. 7
cc) Der Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 6. September 2006 IX R 25/06 (BFHE 215, 465, BStBl II 2007, 265) zugrunde liegt, ist ebenfalls nicht mit dem Streitfall vergleichbar. Im Urteil in BFHE 215, 465, BStBl II 2007, 265 hatte der BFH darüber zu befinden, ob die Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zu Anschaffungskosten der Wohnung führt, wenn die im Privatvermögen gehaltene Wohnung zu einem Hof im Sinne der Höfeordnung gehört. Während in diesem Streitfall die Verbindlichkeiten im Übergabevertrag übernommen worden sind, hat die Klägerin ―worauf das FG in den Entscheidungsgründen zutreffend abstellt― zeitlich vor Abschluss der Kaufverträge unter Einschaltung eines Treuhänders mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Mann und dessen Gläubigern Abgeltungs- und Ablösevereinbarungen getroffen. Allein der Umstand, dass ihre Bank die Finanzierung des späteren Grundstückserwerbs durch die Klägerin von der Lastenfreiheit der Objekte abhängig gemacht hat, stellt keinen steuerrechtlich anzuerkennenden Zusammenhang zur Anschaffung der Grundstücke her.
Rz. 8
dd) Zudem liegt auch keine Abweichung des FG-Urteils vom Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) vor. Der Große Senat kam in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts nicht nur solche Kosten gehören, die unmittelbar der Herstellung dienen, sondern auch solche, die zwangsläufig mit der Herstellung des Wirtschaftsguts anfallen. Daraus hat er gefolgert, auch Abbruchkosten eines Gebäudes seien dann Herstellungskosten, wenn ein bebautes Grundstück in Abbruchabsicht angeschafft werde. Die Abbruchkosten als Betriebsausgaben (Werbungskosten) abziehen und eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung vornehmen könne der Steuerpflichtige hingegen dann, wenn das Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben worden sei. Bei diesem Sachverhalt war somit nur zu klären, ob Betriebsausgaben (Werbungskosten) oder Anschaffungskosten des Grundstücks bzw. des Gebäudes anzunehmen sind. Im Streitfall hatte hingegen das FG darüber zu befinden, ob die Zahlungen überhaupt mit dem neu errichteten Gewerbebetrieb der Klägerin zusammenhängen oder sie nicht vielmehr auf die Verbindlichkeiten der KG geleistet worden sind, deren alleiniger Kommanditist der verstorbene Ehemann der Klägerin war. Sachverhaltsbezogen hat das FG dann entschieden, aufgrund der getroffenen Vereinbarungen liege weder eine Übernahme der KG im Ganzen im Sinne einer Gesamtrechtsnachfolge noch eine Übernahme einzelner Verbindlichkeiten der KG durch die Klägerin vor.
Rz. 9
ee) Auch dem Vortrag der Klägerin, das FG weiche von der Entscheidung des BFH vom 6. September 2000 IV R 18/99 (BFHE 193, 116, BStBl II 2001, 229) ab, kann nicht gefolgt werden. In dieser Streitsache hatte der BFH zu beurteilen, ob die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils tarifbegünstigt ist. Einschlägig war demnach nicht der Begriff der Anschaffungskosten nach § 255 des Handelsgesetzbuchs, sondern die Anwendung der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes. Da der Zweck der Tarifvergünstigung darin bestehe, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu versteuern, sei die Tarifbegünstigung dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden seien.
Rz. 10
ff) Schließlich weicht das FG-Urteil auch nicht vom BFH-Urteil vom 25. Juli 1979 II R 105/77 (BFHE 128, 544, BStBl II 1980, 11) ab, wonach ein "Kaufvertrag" über Wohnungseigentum und ein "Werkvertrag", in dem sich der Verkäufer verpflichtet, für den Erwerber die für diesen bestimmte Eigentumswohnung zu errichten, ein rechtlich einheitlicher Vertrag sind, wenn beide Teilverträge in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängig sind. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei daher auch das Entgelt für die Schaffung der Wohnung. Dieser Sachverhalt ist nicht vergleichbar mit dem des Streitfalls, in dem die Klägerin Zahlungen an Gläubiger der KG geleistet hat, damit diese auf ihre Grundpfandrechte verzichten.
Rz. 11
2. Im Kern hält die Klägerin die Auffassung des FG für falsch, der Umstand, dass ihre Bank nur lastenfreie Grundstücke finanzieren wollte und sie deshalb gezwungen war, sich mit den Grundpfandgläubigern zu einigen, reiche nicht aus, einen steuerrechtlichen Zusammenhang zu der Anschaffung der Grundstücke herzustellen. Sie wendet sich damit gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen FG-Entscheidung. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (Senatsbeschluss vom 24. September 2008 X B 86/07, BFH/NV 2009, 18).
Fundstellen
Haufe-Index 2602119 |
BFH/NV 2011, 446 |