Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung trotz negativer Einkünfte
Leitsatz (NV)
Ein Rechtsanwalt unterliegt mit seinen Leistungen der Umsatzbesteuerung auch dann, wenn seine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit einen Verlust ergeben.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 4 Nr. 3, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 Abs. 1; BRAGO § 25 Abs. 2
Tatbestand
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt. Weil er keine Umsatzsteuererklärung für 1995 abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer für 1995 auf ... DM fest. Das FA hatte dafür die vom Kläger eingereichte Gewinn- und Verlustrechnung ausgewertet.
Den Einspruch des Klägers, der zur Begründung vorgetragen hatte, Umsatzsteuer könne nicht entstanden sein, weil er einkommensteuerlich mit Verlust abgeschlossen habe, wies das FA zurück.
Die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies zur Begründung der Klageabweisung den Einwand des Klägers zurück, die Umsatzbesteuerung eines Rechtsanwalts, der Verluste erziele, verletze das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die übrigen Anträge auf Aufhebung einer Vollstreckungsankündigung und auf Feststellung, daß er nicht zur Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet sei, wies es als unzulässig ab.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat innerhalb der dafür bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§115 Abs. 3 Satz 1 FGO) Zulassungsgründe in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Form (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht dargelegt.
Gründe, die nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden, dürfen bei der Prüfung der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §115 FGO Tz. 87). Eine am Fristende fehlende ausreichende Darlegung kann später nicht mehr mit der Wirkung nachgeholt werden, daß die Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt.
Somit sind die Ausführungen des Klägers in seinen nachgereichten Schriftsätzen vom 9. Juni 1998, 24. Juni 1998, 7. Juli 1998 und 10. August 1998 nicht zu berücksichtigen, weil die Begründungsfrist am 16. März 1998 abgelaufen war. Das gilt auch für die in den Schriftsätzen mit dem Datum vom 17. August 1998, vom 26. August 1998 und vom 2. September 1998 enthaltenen Ausführungen. Die darin u. a. begehrte Verurteilung des Landes X zur Zahlung einer Geldsumme (als "Antragserweiterung" im Schriftsatz vom 17. August 1998 bezeichnet) und die Änderung des Betrages der Forderung (als "sachdienliche Klageänderung" im Schriftsatz vom 26. August 1998 erwähnt) kommen im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht.
a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat der Kläger in den rechtzeitig eingegangenen Schriftsätzen vom 2. März 1998 und vom 12. März 1998 nicht ausreichend dargelegt.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt §115 Abs. 3 Satz 3 FGO, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine abstrakte klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muß darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und daß dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit).
Der Beschwerdeführer muß außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459, und vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Steuer-Eildienst 1996, 410). Dazu muß er erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierte Rechtsfrage hat.
Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung hat der Kläger lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Vorentscheidung "nicht frei von Rechtsfehlern" sei.
b) Selbst wenn den Schriftsätzen des Klägers die vom FG in dem Nichtabhilfebeschluß aufgeworfene Rechtsfrage entnommen werden sollte, "ob ein Rechtsanwalt eingenommene Umsatzsteuer auch dann abzuführen hat, wenn sich für seine freiberufliche Tätigkeit ein Verlust nach den Regeln des EStG ergibt", hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich die Antwort aus dem Gesetz und der bisherigen Rechtsprechung entnehmen läßt.
Der Umsatzsteuer unterliegen u. a. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 -- im folgenden: UStG --), sofern der Umsatz nicht ausdrücklich (z. B. nach §4 UStG) steuerfrei ist. Das Umsatzsteuergesetz berücksichtigt persönliche, den Unternehmer betreffende Umstände nur, wenn dies (wie z. B. für blinde Unternehmer in §4 Nr. 19 UStG) besonders erwähnt wird. Für Unternehmer mit geringen Umsätzen (sog. Kleinunternehmer) wird Umsatzsteuer nicht erhoben (vgl. §19 Abs. 1 bis 3 UStG). Im übrigen hängt die Anwendung des Umsatzsteuergesetzes nicht davon ab, daß der Unternehmer ertragsteuerrechtlich keine Verluste erzielt hat. Vielmehr unterliegt die Tätigkeit eines Unternehmers der Umsatzsteuer, wenn er Einnahmen erzielt; Gewinnerzielung ist nicht erforderlich (§2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Somit ergibt sich schon aus dem Umsatzsteuergesetz, daß die Umsätze eines Rechtsanwalts durch sonstige Leistungen (§1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, §3 Abs. 9 Satz 1 UStG), die er durch Rechtsberatung im Inland (§3 a Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 1 UStG) ausgeführt hat, der Umsatzsteuer unterliegen. Die Umsätze sind nicht steuerfrei und daher steuerpflichtig. Die Finanzbehörde ist verpflichtet (§85 Satz 1, §88 Abs. 1, 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), Umsatzsteuer festzusetzen und zu erheben, wenn die Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer überschritten werden.
c) Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG; es hat entschieden (Beschluß vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97, Umsatzsteuer- Rundschau -- UR -- 1997, 387, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1997, 771), daß die zur Einkommensteuer entwickelten Grundsätze zum Existenzminimum nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden können. Der Unternehmer hat die Steuer, die er den Leistungsempfängern für seine Leistungen berechnet hat, nach Abzug von Vorsteuerbeträgen an die Finanzbehörde abzuführen. Das gilt auch für einen Rechtsanwalt, der die Umsatzsteuer für seine Leistungen auf seine Mandanten "überwälzen" darf (§25 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) und für den sie erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem er sie erhalten hat (bei Ist-Versteuerung nach §13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §20 Abs. 1 UStG).
Allenfalls bei einem Endverbraucher (Mandant als Leistungsempfänger) stellt sich die Frage nach der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der Umsatzsteuer (BVerfG in UR 1997, 387, HFR 1997, 771). Eine Klärung kommt insoweit nicht in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren in Betracht.
d) Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Angabe einer weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen