Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf AdV an den BFH; eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit bei Anhängigkeit der Revision
Leitsatz (NV)
1. Nach Einlegung der Revision ist der BFH für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung zuständig.
2. Ist der angefochtene Verwaltungsakt bereits Gegenstand eines in der Revisionsinstanz anhängigen Hauptverfahrens, können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens und der beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts, insbesondere seiner grundsätzlichen Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§118 Abs. 2 FGO), ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerechnet werden kann. Die Erfolgsaussichten sind auf der Grundlage der sich im Revisionsverfahren stellenden Rechtsfragen zu prüfen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, § 121
Gründe
Der Senat versteht den Antrag der Klägerin dahingehend, daß sie die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids in Höhe von ... DM begehrt. Dies ergibt sich aus ihrem Revisionsantrag im Schriftsatz vom 11. November 1996. Der im Ergebnis auf ... DM lautende Antrag in der Antragsschrift vom 2. Dezember 1996 ist nicht nachvollziehbar und wird daher zugunsten der Klägerin nicht zugrunde gelegt.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Er ist zwar zulässig.
Nach §121 i. V. m. §69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist nach Einlegung der Revision durch die Klägerin der Bundesfinanzhof (BFH) als Gericht der Hauptsache für die begehrte Aussetzung der Vollziehung zuständig. Auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß §69 Abs. 4 FGO sind im Streitfall gegeben, nachdem das FA unter dem 22. November 1996 den Aussetzungsantrag der Klägerin abgelehnt hat (§69 Abs. 4 Satz 1 FGO i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 21. Dezember 1992 -- BGBl I 1992, 2109 --; s. a. Art. 3 §7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Nach §69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Haupt sache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn -- bei summarischer Prüfung -- gewichtige Umstände Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162--163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765). Ist der Verwaltungsakt -- wie im Streitfall -- Gegenstand eines bereits in der Revisionsinstanz anhängigen Hauptverfahrens, können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens und der beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts, insbesondere seiner grundsätzlichen Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§118 Abs. 2 FGO), ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerechnet werden kann. Die Erfolgsaussichten sind auf der Grundlage der sich im Revisionsverfahren stellenden Rechtsfragen zu prüfen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §69 Anm. 87, m. w. N.).
Hiervon ausgehend bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Investitionszulagenbescheides keine ernstlichen Zweifel.
a) Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage greift die mit der Revision erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung nicht durch.
Die Darlegungen der Klägerin, das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, weil es -- nach Meinung der Klägerin unzutreffend -- davon ausgegangen sei, bei den in dem vorliegenden Verfahren noch strittigen Teilen handele es sich nicht um jeweils gesondert zu beurteilende Betriebsvorrichtungen, sondern um in einem einheitlichen Funktionszusammenhang stehende Elemente einer einheitlichen Anlage, genügen -- bei überschlägiger Prüfung -- nicht den revisionsrechtlichen Begründungserfordernissen gemäß §120 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Wird -- wie hier -- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, sind nach der Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen auch ohne besonderen Antrag hätten aufgeklärt oder welche Beweise von Amts wegen hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Anm. 40, m. w. N.).
Diesen Voraussetzungen genügt die Revisionsbegründung der Klägerin nicht. Es fehlt bereits an einer -- hinreichend genauen -- Angabe, wo Tatsachen vorgetragen worden sind, denen das FG hätte weiter nachgehen müssen (vgl. dazu z. B. BFH-Beschluß vom 2. Juni 1992 VII R 63/91, BFH/NV 1993, 70; Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Anm. 40). Es kommt hinzu, daß -- wie die Klägerin selbst einräumt -- die von ihr angegebenen Bezeichnungen " ... " oder auch " ... " in diesem Zusammenhang irreführend sind, da sie die Neuerstellung eines Gebäudes bzw. die Errichtung einer einheitlichen Anlage nahelegen.
b) Die materiell-rechtlichen Einwendungen der Klägerin sind -- bei dem hier anzulegenden Prüfungsmaßstab -- unbegründet. Die weitere, damit zusammenhängend erhobene Verfahrensrüge der Verletzung der Hinweispflicht ist unzulässig.
aa) Der Vortrag, bei ... handele es sich um selbständig zu beurteilende, gesonderte Betriebsvorrichtungen, die -- unabhängig von der Frage der baurechtlichen bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit des Projekts -- schon deshalb zulagebegünstigt seien, weil sie, die Klägerin, die Teile noch rechtzeitig am 31. März 1989 bestellt habe, vermag -- bei summarischer Prüfung -- nicht zu überzeugen. Denn nach den vom FG in Bezug genommenen Sendeprotokollen des Ingenieurbüros S, das insoweit im Namen und Auftrag der Klägerin handelte, hat sich die Klägerin, wie sich aus der Anlage zu den Telefax-Bestellschreiben des S vom 31. März 1989 ergibt, in allen Fällen das "volle Rücktrittsrecht" vorbehalten, "ohne daß Kosten irgendwelcher Art für den Kunden bei einem Rücktritt innerhalb von 12 Wochen entstehen". Bei überschlägiger Beurteilung fehlt es in einem solchen Fall an einer hinreichenden Bindung des Investors als Voraussetzung für eine Bestellung i. S. von §8 Abs. 1 Satz 3 InvZulG. Denn nur dann, wenn der Investor an seine Bestellung gebunden ist, können von ihr nachhaltige wirtschaftliche Impulse ausgehen. Die Klägerin konnte indes selbst bei Annahme ihrer Bestellung durch den jeweiligen Auftragnehmer ihre dann an sich bestehende vertragliche Verpflichtung zur Abnahme der bestellten Teile ohne besondere Bedingungen und auch ohne Eintritt irgendwelcher Nachteile für sie durch einfache Ausübung des Rücktrittsrechts jederzeit innerhalb der vereinbarten Frist beseitigen. Bei Vereinbarung eines solchen bedingungsfreien Rücktrittsvorbehalts fehlt eine wirksame Bestellung i. S. von §8 Abs. 1 Satz 3 InvZulG (vgl. auch BFH-Urteile vom 26. März 1985 III R 29/80, BFH/NV 1985, 103; vom 1. Juni 1979 III R 101/76, BFHE 128, 132, BStBl II 1979, 580; vom 9. November 1990 III R 50/88, BFHE 163, 259, BStBl II 1991, 425).
Der Fall einer Vereinbarung eines Rücktrittsrechts mit lediglich formaler Bedeutung, das aber gleichwohl die Rechtsfolgen gemäß §346 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auslösen kann, liegt nicht vor. Auch die Finanzverwaltung sieht einen Rücktrittsvorbehalt nur dann als unschädlich an, wenn der Anspruchsberechtigte auf den Eintritt der zum Rücktritt berechtigenden Umstände keinen Einfluß hat (Bundesminister der Finanzen -- BMF --, Schreiben vom 28. August 1991, BStBl I 1991, S. 768 unter Tz. 57; weitergehend noch BMF- Schreiben vom 16. Juni 1982, BStBl I 1982, 569 unter Tz. 50; Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlaß vom 11. Februar 1976, Der Betrieb -- DB -- 1976, 461). Der Senat teilt -- bei überschlägiger Prüfung -- nicht die Meinung des FG Düsseldorf in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 27. Februar 1989 16 W 236/88 A (Inv) -- Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 650 --, daß aus einer rechtzeitigen Bestellung unter Rücktrittsvorbehalt keine nachteiligen Folgen gezogen werden sollen. Eine derart unverbindliche Bestellung kann regelmäßig keine nennswerten Investitionsanreize bewirken.
Daß die Rücktrittsklausel nur für den Fall vereinbart gewesen sein soll, wie die Klägerin vorbringt, daß die geplanten Anlagen nicht genehmigungsfähig sein sollten, hat in den dem FG vorgelegten Bestell-Unterlagen keinen Niederschlag gefunden und steht im übrigen in Widerspruch zu den Ausführungen der Klägerin, wonach für die hier streitigen Gegenstände gar keine Genehmigungspflicht bestanden haben solle.
Der Hinweis der Klägerin auf die Auftragsbestätigung vom 24. März 1989 betreffend die ... -Anlage überzeugt nicht. Denn zum einen bedurfte diese "Auftragsbestätigung" des Auftragnehmers ihrerseits noch der Annahme durch die Klägerin; zum anderen umfaßte das "volle Rücktrittsrecht" auch diesen Auftrag.
Die Rechtsauffassung der Klägerin, entscheidend sei ihr Auftrag an das Ingenieurbüro S, der keine Rücktrittsklausel enthalten habe, und S habe sie insoweit als vollmachtloser Vertreter nicht vertreten können, ist bei überschlägiger Prüfung ebenfalls nicht begründet. Entscheidend für das Vorliegen einer Bestellung i. S. von §8 Abs. 1 Satz 3 InvZulG ist grundsätzlich nicht der Auftrag an einen Beauftragten des Investors zur Erteilung einer Bestellung in dessen Namen, sondern die Erklärung gegenüber dem Vertragspartner, die erst eine Bindungswirkung gegenüber dem Investor entfaltet. Im übrigen hat das FG zu der Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts durch S als vollmachtlosem Vertreter keinerlei (unstreitige) Feststellungen getroffen, so daß es sich insoweit um neuen Tatsachenvortrag handelt, den der Senat nicht berücksichtigen darf, da insoweit auch keine Verfahrensrügen erhoben sind.
bb) Unzutreffend ist bei summarischer Prüfung ferner die Meinung der Klägerin, die begehrte Investitionszulage stehe ihr jedenfalls deshalb zu, weil der -- fristgerecht gestellte -- Bauantrag vom 30. März 1989 sich auch auf die ... -Anlage und damit die strittigen Teile bezogen habe. Soweit die Klägerin dazu auf den Betreff in ihrem Anschreiben zu ihrem Antrag auf Baugenehmigung vom 30. März 1989 an die Gemeindeverwaltung hinweist, ist das FG zu Recht der Auffassung, daß entscheidend für den Inhalt eines Baugenehmigungsantrags allein die Beschreibung des Bauvorhabens in dem Bauantrag selbst sein kann. Nach den Feststellungen des FG, das die Bauakten beigezogen hatte, bezog sich der Bauantrag vom 30. März 1989 indes lediglich auf die Genehmigung der Erweiterung einer Halle, die mit der Errichtung der ... -Anlage nicht unmittelbar in Zusammenhang stand. Diese Würdigung der vom FG aus den Bauakten sowie aus dem Schriftsatz der Klägerin an das FG vom 16. November 1993 entnommenen Umstände erscheint -- bei summarischer Prüfung -- möglich und ist, da gegen sie keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht worden sind (s. dazu unten cc), für den Senat bindend (§118 Abs. 2 FGO; Gräber/Ruban, a. a. O., §118 Anm. 40). Daß die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung für den Umbau der ... -Anlage in die Baugenehmigung vom 5. Oktober 1990 miteinbezogen hat, steht dem nicht entgegen. Dies kann darauf beruhen, daß die Klägerin, wie das FG unter Bezugnahme auf die Darstellung des Prüfers weiter ausgeführt hat, der Kreisbehörde den Genehmigungsantrag an das Gewerbeaufsichtsamt angezeigt und dort weitere Unterlagen vorgelegt hat.
cc) Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das FG hätte sie, die Klägerin, zu weiterem Vortrag hinsichtlich der Auslegung des Bauantrags vom 30. März 1989 auffordern müssen, entspricht -- bei überschlägiger Prüfung -- nicht den gesetzlichen Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Wird die Verletzung der Hinweispflicht gerügt (§76 Abs. 2 FGO), ist anzugeben, worauf hätte hingewiesen werden müssen oder welche Frage hätte gestellt werden müssen und was darauf geantwortet worden wäre. Ferner ist darzulegen, aus welchem Grund ein Anlaß zu einem Hinweis des Gerichts bestand und inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann (Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Anm. 40, m. w. N.). Die Klägerin hat ihre Rüge nicht dementsprechend substantiiert. Dazu hätte insbesondere deshalb Veranlassung bestanden, weil die Auslegung des Bauantrags vom 30. März 1989 unter Berücksichtigung des Betreffs in dem beigefügten Anschreiben der Klägerin bereits im Rahmen der Außenprüfung und des Einspruchsverfahrens unter den Beteiligten kontrovers diskutiert worden war.
3. Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte hat die Klägerin nicht vorgetragen. Anhaltspunkte dafür sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.
Fundstellen