Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnabführung als vGA bei “verunglückter Organschaft”
Leitsatz (NV)
1. Fehlt es im Streitjahr an einer finanziellen Eingliederung der vermeintlichen Organgesellschaft (“verunglückte Organschaft”), ist eine bei dieser einkommensmindernd berücksichtigte Gewinnabführung als vGA zu berücksichtigen.
2. Zur Überprüfung einer tatrichterlichen Würdigung einer Treuhandabrede im Revisionsverfahren.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2, § 14; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob eine Gewinnabführung den Maßgaben der Organschaft unterfällt oder als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der im Jahr 2002 auf sie verschmolzenen X GmbH. Im Jahre 1995 entschloss sich die Klägerin, die Anteile der X GmbH zu erwerben. Ein unmittelbarer Erwerb durch die Klägerin war allerdings nach den Sachumständen nicht möglich. Daher sollte der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, Y, die Anteile erwerben.
In einer Gesellschafterversammlung am 15. Oktober 1995 wurde folgender Beschluss gefasst (Auszug): "Die … (Klägerin) genehmigt und beauftragt ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer … Y die Anteile der X GmbH aus eigenen Mitteln zu erwerben und zu halten. … Die … (Klägerin) erhält hiermit von … Y das alleinige Recht die Anteile der X GmbH zu erwerben. … Y erhält als Gesellschafter-Geschäftsführer der X GmbH keinerlei Ansprüche auf Gehaltszahlungen, Tantieme oder Gewinnausschüttungen. … Y ist inhaltlich mit dem Auftrag seitens der … (Klägerin) einverstanden. Zwischen der … (Klägerin) und … Y besteht Einvernehmen, daß … Y die zu erwerbenden Geschäftsanteile an der X GmbH mit Wirksamwerden des noch abzuschließenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages treuhänderisch hält für die … (Klägerin) und zwar zu nachstehenden Bedingungen: 1. Im Außenverhältnis ist der Treuhänder Gesellschafter, im Innenverhältnis der Treugeber. Steuerrechtlich wird der Geschäftsanteil dem Treugeber zugerechnet. 2. Sofern der Treugeber seine Rechte und Pflichten bei der X GmbH nicht selbst wahrnimmt, ist der Treuhänder verpflichtet, diese Rechte und Pflichten nach Anweisungen des Treugebers auszuüben bzw. zu erfüllen. Falls dem Treuhänder keine Weisungen erteilt werden, hat der Treuhänder im Interesse des Treugebers unter Beachtung seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten gegenüber der X GmbH zu handeln. Der Treuhänder wird über den Geschäftsanteil nur nach vorheriger Zustimmung oder auf Weisung des Treugebers verfügen. 3. Das Treuhandverhältnis ist bis zum Abschluß des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages und während der Dauer desselben unkündbar. 4. Die Wirksamkeit des Treuhandvertrages soll durch die Unwirksamkeit einzelner in ihm enthaltener Bestimmungen nicht berührt werden. … Unabhängig von der Wirksamkeit vorstehender Vereinbarungen verpflichtet … Y sich, das Stimmrecht an der X GmbH entsprechend den Weisungen der … (Klägerin) auszuüben."
Mit notariellem Vertrag vom 7. November 1995 erwarb Y im eigenen Namen sämtliche Anteile der X GmbH im Nennwert von 51 000 DM zu einem Kaufpreis von 30 000 DM. Ebenfalls am 7. November 1995 wurde Y zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der X GmbH bestellt. Am 23. Dezember 1997 schlossen die Klägerin als Organträgerin und die X GmbH als Organgesellschaft, jeweils vertreten durch den Geschäftsführer Y, einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Januar 1997. Der Vertrag wurde notariell beurkundet und am 9. Februar 1998 in das Handelsregister eingetragen. Nachdem mit Vertrag vom 18. Dezember 2002 zunächst der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag aufgehoben worden war, übertrug Y mit notariellem Vertrag vom gleichen Tage die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile an der X GmbH im Nennwert von 27 000 € auf die Klägerin. Hierfür erhielt Y "in Erfüllung des Treuhandvertrages" eine einmalige Kostenerstattung in Höhe von 27 000 €.
Der Treuhandvertrag wurde nicht notariell beurkundet. Auch enthalten die von der Klägerin und der X GmbH bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Jahresabschlüsse und Gewinn- und Verlustrechnungen keine Hinweise auf ein Treuhandverhältnis. Nach den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht (FG) vorgelegten Unterlagen, die bei dem FA nicht eingereicht worden waren, war in einem Anhang zu den Jahresabschlüssen auf das Treuhandverhältnis hingewiesen worden.
Der von der X GmbH in 1996 erzielte Gewinn wurde bei dieser versteuert. Die Gewinn- und Verlustrechnung der X GmbH für das Streitjahr 1997 wies eine Ergebnisabführung in Höhe von 114 728,51 DM aus; dazu wurde eine entsprechende Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen in den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1997 eingestellt und in der Anlage ORG zur Körperschaftsteuer-Erklärung 1997 als dem Organträger zuzurechnendes Einkommen erklärt. Auf den Hinweis des FA, dass das Organschaftsverhältnis steuerrechtlich nicht anerkannt werden könne, weil die X GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert sei, verwies die X GmbH gegenüber dem FA erstmals auf das Bestehen eines Treuhandverhältnisses und legte dem FA das Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 15. Oktober 1995 vor. Das FA setzte in dem gegenüber der X GmbH ergangenen Bescheid zur Körperschaftsteuer 1997 den als Ergebnisabführung ausgewiesenen Betrag in Höhe von 114 728 DM als vGA an.
Die dagegen erhobene Klage wurde vom Schleswig-Holsteinischen FG durch Urteil vom 2. Dezember 2005 1 K 359/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1782) abgewiesen.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts geltend; darüber hinaus sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Die Klägerin beantragt, den gegenüber der X GmbH ergangenen Körperschaftsteuer-Bescheid 1997 vom 8. November 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2000 unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen FG (EFG 2006, 1782) mit der Maßgabe abzuändern, dass das Organschaftsverhältnis zu der Klägerin steuerlich anzuerkennen ist und die Körperschaftsteuer auf 0 DM herabzusetzen ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird der Tatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) u.a. durch eine Vermögensminderung erfüllt, die sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist und nicht im Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung steht (z.B. Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 58/05, BFHE 213, 559, BStBl II 2006, 928). Die streitige Ergebnisabführung, die diesen Maßgaben entspricht, ist als vGA anzusetzen, da die Voraussetzungen einer Organschaft zwischen der Klägerin als Organträgerin und der X GmbH als Organgesellschaft (§ 17 Satz 1 i.V.m. § 14 KStG) im Streitjahr nicht erfüllt sind (allgemein zur Behandlung einer Gewinnabführung als vGA bei einer "verunglückten Organschaft" s. Senatsurteil vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24, zu II.4. der Gründe; Senatsbeschluss vom 5. Juli 1990 I B 38/90, BFH/NV 1991, 121; Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rz 540 f.; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG n.F. Rz 510).
2. Die Voraussetzung einer finanziellen Eingliederung der X GmbH in das Unternehmen der Klägerin (§ 14 Nr. 1 Satz 1 KStG) ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beteiligung an der X GmbH war der Klägerin im Streitjahr weder rechtlich (§ 39 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) noch wirtschaftlich (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) vom Beginn des Wirtschaftsjahres der X GmbH an (1. Januar 1997) zuzurechnen. Insbesondere lag ein wirksames Treuhandverhältnis, das der Klägerin wirtschaftliches Eigentum an der Beteiligung hätte vermitteln können (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO; s.a. Neumann in Gosch, a.a.O., § 14 KStG Rz 128, 129 "Treuhandverhältnis"; Witt/Dötsch in Dötsch/ Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG n.F. Rz 121; Olbing in Streck, KStG, 6. Aufl., § 14 Rz 14), nicht vor.
a) Ein Treuhandverhältnis, das zu einer von der rechtlichen Inhaberschaft abweichenden Zurechnung führen kann, ist nur wirksam, wenn es eindeutig vereinbart und darüber hinaus vereinbarungsgemäß durchgeführt worden ist (Senatsurteil vom 28. Februar 2001 I R 12/00, BFHE 194, 320, BStBl II 2001, 468; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109, jeweils m.w.N.). Die Auslegung einzelner Abreden und die sich daraus ergebende Gesamtwürdigung der jeweils zu beurteilenden Vereinbarung obliegt dabei grundsätzlich dem Tatrichter. Dessen Einschätzung kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt; ist dies nicht der Fall, so ist die tatrichterliche Würdigung auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn ein abweichendes Verständnis gleichermaßen möglich oder sogar nahe liegend ist (Senatsurteile vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, und vom 19. Oktober 2005 I R 48/04, BFHE 211, 524, BStBl II 2006, 334).
b) Das FG hat mit Blick auf die Gesellschafterversammlung vom 15. Oktober 1995 festgestellt, dass zwischen der Klägerin und Y zunächst eine Vereinbarung des Inhalts getroffen wurde, die Anteile an der X GmbH in eigenem Namen zu erwerben und die Geschäftsanteile nach ihrem Erwerb nur an die Klägerin zu veräußern ("Auftrag"). Soweit darüber hinaus eine Treuhandabrede getroffen wurde (Protokoll der Gesellschafterversammlung Tz. 1 bis 4), sehe diese Abrede keinen sofortigen Beginn vor; das Treuhandverhältnis sei hiernach vielmehr aufschiebend bedingt durch das Wirksamwerden des noch abzuschließenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages. Die Treuhandabrede sei daher erst mit der Eintragung jenes Vertrages im Handelsregister am 9. Februar 1998 wirksam geworden. Auf dieser Grundlage hat das FG entschieden, dass die vor dem Wirksamwerden der Treuhandvereinbarung in 1998 von Y eingegangenen Pflichten nicht ausreichten, von wirtschaftlichem Eigentum der Klägerin an den Geschäftsanteilen Kraft Weisungsgebundenheit und der Verpflichtung, das Eigentum jederzeit nach deren Anforderung auf die Klägerin zu übertragen, auszugehen. Insbesondere hätte sich Y weigern können, den Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag abzuschließen mit der Folge, dass die Treuhandvereinbarung gegenstandslos geworden wäre.
c) Die vom FG gefundene Auslegung kann sich auf den Wortlaut der Vereinbarung stützen, da dort von einem Einvernehmen die Rede ist, dass Y "die zu erwerbenden Geschäftsanteile … mit Wirksamwerden des noch abzuschließenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages treuhänderisch hält für die … (Klägerin)". Insoweit hat das FG die "nachstehenden Bedingungen" der Treuhandabrede als Teil einer gesonderten Vereinbarung angesehen und damit insbesondere der dortigen Tz. 3 ("Das Treuhandverhältnis ist bis zum Abschluss des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages und während der Dauer desselben unkündbar.") keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Das FG hat dabei herausgestellt, dass der die Anteile erwerbende Geschäftsführer in der Lage gewesen wäre, den Abschluss des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages zu verweigern. Das FG konnte zu diesem Schluss auch kommen, weil --wie im Tatbestand des FG-Urteils dargestellt-- der Anteilserwerb "nach außen" als Erwerb durch eine natürliche Person darzustellen war, da die Anteilsverkäuferin (Gemeinde) der Anteilsübertragung ansonsten nicht zugestimmt hätte. Der Anteilserwerb musste auch "aus eigenen Mitteln" des Geschäftsführers erfolgen. Insoweit kann es dem Willen der Vertragsparteien entsprochen haben, eine Treuhandabrede (mit Bilanzierungs-/Offenlegungsnotwendigkeiten für den Treugeber) zeitlich hinauszuschieben bis zur Wirksamkeit der Vereinbarung über die wirtschaftliche Verflechtung. Eine solche Auslegung der Vereinbarung ist möglich und nach den zu a) beschriebenen Maßgaben für den Senat bindend.
d) Das FG hat auf dieser Grundlage die Reichweite des Erwerbsauftrags zutreffend dahin gewürdigt, dass allein daraus auf wirtschaftliches Eigentum der Klägerin (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) nicht geschlossen werden konnte. Die Unterordnungs- bzw. Beherrschungssituation insbesondere mit Blick auf das Stimmrecht der Geschäftsanteile, die das rechtliche Eigentum zur "leeren Hülle" werden lässt und die die vom rechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung kraft wirtschaftlichen Eigentums rechtfertigt (s. insoweit z.B. Senatsurteil vom 20. Januar 1999 I R 69/97, BFHE 188, 254), ist Gegenstand der eigentlichen Treuhandabrede (Nrn. 1 bis 4 des Protokolls der Gesellschafterversammlung) und damit im Streitjahr nicht wirksam. Das FA verweist im Übrigen zutreffend darauf, dass der Übertragung der Anteile auf die Klägerin im Streitfall ein Genehmigungsvorbehalt eines Dritten entgegenstehen konnte und dass Y das Risiko eines Ausfalls seines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Klägerin getragen hat.
e) Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass die organschaftliche Rückwirkungsmöglichkeit nur für den Ergebnisabführungsvertrag gilt. Sie wirkt nur dann, wenn die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft erfüllt sind und hierbei insbesondere die finanzielle Eingliederung von Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an bestanden hat (Neumann in Gosch, a.a.O., § 14 KStG Rz 155).
3. Der von der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler ("Überraschungsentscheidung") liegt nicht vor. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung wurde zur Sache verhandelt. Gegenstand des Sachvortrags der Beteiligten war auch das Protokoll der Gesellschafterversammlung, das als Grundlage der Entscheidung vom FG herangezogen wurde. Dabei hatte ausweislich des angefochtenen Urteils das FA u.a. geltend gemacht, dass bis zum Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages für Y keine treuhänderische Bindung bestanden habe und dass die Klägerin zunächst die Gesellschaftsanteile nicht jederzeit auf sich hätte übertragen lassen können. Damit bestand für alle Beteiligten die Gelegenheit, zu den insoweit maßgeblichen und entscheidungserheblichen Fragen (einschließlich der Frage des Beginns des Treuhandverhältnisses) Stellung zu nehmen. Das Gericht war nicht gehalten, mit den Beteiligten sämtliche Auslegungsvarianten der Vereinbarungen zu erörtern.
Fundstellen
Haufe-Index 1936700 |
BFH/NV 2008, 614 |