Entscheidungsstichwort (Thema)
Prämien für Lebensversicherung zugunsten des Gesellschafters bei Policendarlehen an die Gesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Ist die Klage unter dem Namen der Sozietät erhoben und sind sämtliche weiteren Prozeßhandlungen ebenfalls unter ihrem Namen abgegeben bzw. entgegengenommen worden, ist davon auszugehen, daß der Anwaltsvertrag mit sämtlichen Sozien zustande gekommen ist.
2. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Haben sich mehrere Bevollmächtigte bestellt, so ist die Zustellung an einen Sozius ausreichend. Für den Beginn der Rechtsmittelfrist ist die erste Zustellung maßgebend.
3. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Prämien für eine Lebensversicherung zugunsten eines Gesellschafters regelmäßig nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Bei einer Personengesellschaft sind darüber hinaus die Schuldzinsen nicht bereits deshalb Betriebsausgaben, weil die Verbindlichkeit zivilrechtlich von ihr eingegangen worden ist. Auch ein zur Ablösung eines Kredits aufgenommenes Darlehen ist nur insoweit der Betriebsschuld zuzurechnen, als tatsächlich eine andere betriebliche (Kredit-)Schuld mittels der Darlehensvaluta getilgt worden ist.
4. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge, und zwar unabhängig von einem Verzichtswillen (stg. Rspr.).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; FGO § 54 Abs. 1-2, § 56 Abs. 1-2, 4, § 62 Abs. 3 S. 5, § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 1-3; ZPO § 84 S. 1, § 295
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist zwar wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§56 Abs. 1, Abs. 2, 115 Abs. 3 Satz 1 FGO), indessen hat die Klägerin keine Zulassungsgründe nach §115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO) hinreichend substantiiert dargelegt.
1. a) Die Klage ist (vgl. Klagschrift vom 15. Oktober 1992) namens der Sozietät A, B, C, D erhoben und von Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Dr. B ebenfalls mit dem ausdrücklichen Zusatz der gesamten Sozietät unterzeichnet worden. Sämtliche weitere Prozeßhandlungen sind unter dem Namen der Sozietät vorgenommen bzw. entgegengenommen worden. Unter diesen Umständen war davon auszugehen, daß der Anwaltsvertrag mit sämtlichen Sozien zustande gekommen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., §80 Rz. 6, m.w.N. zur Rechtsprechung; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, Zivilprozeßordnung, 56. Aufl., §84 Rz. 1, m.w.N.).
Sind mehrere Bevollmächtigte bestellt, so hat jeder Bevollmächtigte Einzelvollmacht (Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §62 FGO Rz. 128, m.w.N.).
b) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten (vgl. §62 Abs. 3 Satz 5 FGO). Haben sich mehrere Bevollmächtigte -- wie hier -- bestellt, so ist die Zustellung an einen Sozius zum einen ausreichend (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., §84 Rz. 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, a.a.O., §84 Rz. 3), zum anderen ist für den Beginn der Rechtsmittelfrist die erste Zustellung maßgebend (vgl. §155 FGO i.V.m. §84 Satz 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --; vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 21. Dezember 1983 1 B 152/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1985, 45; Beschluß des Bundesarbeitsgerichts -- BAG -- vom 23. Januar 1986 6 ABR 47/82, Der Betrieb -- DB -- 1986, 1080, Leitsatz 2; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §62 FGO Rz. 159).
c) Die Beschwerdeschrift ist am 11. März 1997 per Telefax beim Finanzgericht (FG) eingegangen und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist. Nach §115 Abs. 3 Satz 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Sie ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll (§115 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist das angefochtene Urteil des FG vom 20. November 1996 dem Prozeßbevollmächtigten B unter der Anschrift der Sozietät am 4. Februar 1997 zugestellt worden. Damit war im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde die Monatsfrist bereits abgelaufen (vgl. §54 Abs. 1 und 2 FGO).
Die unter dem 14. Februar 1997 vorgenommene weitere Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten Steuerberater Wirtschaftsprüfer F verlängerte weder die durch die vorhergehende Zustellung bereits wirksam in Lauf gesetzte Rechtsmittelfrist, noch vermochte sie die Rechtsmittelfrist neu in Lauf zu setzen und die nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetretene Rechtskraft wieder zu beseitigen (vgl. BVerwG in HFR 1985, 45).
d) Der Senat sieht allerdings die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist als erfüllt an. Die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts vom 4. April 1997, zugestellt am 14. April 1997, auf die mögliche Fristversäumnis am 23. April 1997 form- und fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (§56 Abs. 1 und 2 FGO) und die Tatsachen zur Begründung des Antrags durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht.
Der Senat gewährt (§56 Abs. 4 FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil die Fristversäumnis durch ein Büroversehen der mit der Notierung der Fristen und Vorlagetermine in dem Fristenkontrollbuch beauftragten Fachgehilfin im steuerberatenden Beruf, Frau G, für den Bevollmächtigten unvermeidbar und unvorhersehbar verursacht worden ist. Das mit dem von der Rechtsanwaltsgehilfin Frau H rot notierten Fristtermin versehene FG-Urteil ist versehentlich unter andere Schriftstücke geraten (vgl. zum fehlenden Verschulden bei bloßem Büroversehen Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. August 1993 V B 201/91, BFH/NV 1994, 423, 424).
2. Die Beschwerde hat indessen keine Zulassungsgründe bezeichnet.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, 892, ständige Rechtsprechung). Eine durch den BFH geklärte Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt dann, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat. In diesem Fall hat die Beschwerde allerdings in der Begründung substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser (bereits entschiedenen) Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Dazu ist es erforderlich, daß, ausgehend von der Entscheidung des BFH, im einzelnen in der Beschwerdeschrift konkret dargelegt wird, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage in welcher Entscheidung der FG und/oder dem Schrifttum vorgetragen werden, die der BFH bisher noch nicht geprüft hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406, 407, und vom 20. Dezember 1995 VIII B 83/95, BFH/NV 1996, 468, m.w.N.). Hingegen rechtfertigen mögliche Fehler bei der Feststellung oder Würdigung von Tatsachen nicht die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rz. 8). Darüber hinaus fehlt es an der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage, wenn der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen im Falle der Zulassung der Revision an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist (vgl. §118 Abs. 2 FGO; BFH-Beschluß vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575, 576, m.w.N.).
b) Das FG konnte, ausgehend von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, nicht die Überzeugung gewinnen, daß das von der Klägerin aufgenommene und durch eine Lebensversicherung des Kommanditisten K abgesicherte Policendarlehen tatsächlich in voller Höhe für betriebliche Zwecke und nicht für die Finanzierung der Prämien für die Lebensversicherung verwendet worden ist. Es hat entsprechend der die Klägerin treffenden objektiven Feststellungslast für den zweifelsfreien Nachweis der betrieblichen Veranlassung den Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben überwiegend versagt.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 11. Mai 1989 IV R 56/87, BFHE 157, 152, BStBl II 1989, 657, m.w.N.; ferner vom 8. November 1990 IV R 127/86, BFHE 163, 530, BStBl II 1991, 505, 506) sind Prämien für eine Lebensversicherung zugunsten eines Gesellschafters regelmäßig nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Bei einer Personengesellschaft sind darüber hinaus die Schuldzinsen nicht bereits deshalb Betriebsausgaben, weil die Verbindlichkeit zivilrechtlich von der Gesellschaft eingegangen worden ist. Auch wenn sie Darlehensnehmerin ist, gehört die Darlehensschuld nicht ohne weiteres steuerrechtlich zum negativen Betriebsvermögen der Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1991 VIII R 93/84, BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516). Vielmehr sind die dadurch verursachten Schuldzinsen nur dann und in dem Umfang durch den Betrieb der Gesellschaft veranlaßt (§4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), in dem die Darlehensmittel der Finanzierung für betrieblich veranlaßte Aufwendungen tatsächlich gedient haben (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 823). Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Schuldzinsen und betrieblichen Aufwendungen kann nicht allein durch eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen herbeigeführt werden. Auch das zur Ablösung eines Kredits aufgenommene Darlehen ist nur insoweit der Betriebsschuld zuzurechnen, als tatsächlich eine andere betriebliche (Kredit-)Schuld mittels der Darlehensvaluta getilgt worden ist (vgl. BFHE 163, 530, BStBl II 1991, 505, 507). Ebenso hat der BFH erkannt, daß bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Prämienzahlung und Darlehensgewährung selbst bei Durchleitung über ein Kontokorrentkonto die Annahme einer außerbetrieblichen Verwendung der Darlehensvaluta im Rahmen einer vertretbaren Würdigung durch das FG liege.
Das FG hat die steuerrechtliche Möglichkeit, Policendarlehen betrieblich zu verwenden, keineswegs verneint oder abweichend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeschränkt. Ebenso wie das FG im angefochtenen Urteil knüpft das von der Beschwerde zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 9. November 1994 2 K 1140/93 E (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1995, 421) an die o.g. höchstrichterliche Rechtsprechung an.
Die Beschwerde formuliert bereits keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage. Vor allem aber fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Im Kern greift die Beschwerde vielmehr das aufgrund der Beweiswürdigung gewonnene Ergebnis des FG an. Damit wird freilich kein Zulassungsgrund, sondern allenfalls ein im Rahmen einer eröffenten Revision zu prüfender materiell-rechtlicher Mangel geltend gemacht.
3. Soweit die Klägerin mangelnde Sachaufklärung nach §76 Abs. 1 Satz 1 FGO durch das FG rügt, weil dieses einem schriftsätzlich angekündigten Antrag auf Einvernahme eines Zeugen nicht gefolgt sei, fehlt es an einer §115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden und für die Zulässigkeit der Verfahrensrüge notwendigen Begründung. Ein Verfahrensmangel ist nur dann in diesem Sinne bezeichnet, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die -- ihre Richtigkeit unterstellt -- auf den Verfahrensmangel schließen lassen. Wird ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß §155 FGO i.V.m. §295 ZPO verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes auch die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, daß der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge, und zwar unabhängig von einem Verzichtswillen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, m.w.N.; BFH- Beschlüsse vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490, 491; vom 16. Juni 1993 I B 20/93, BFH/NV 1994, 605, 606, jeweils m.w.N.).
Die Beschwerde trägt zwar vor, der mit Schriftsatz vom 5. Januar 1995 angebotene Zeuge hätte die Zweckrichtung des von der Klägerin aufgenommenen Policendarlehens bekunden könen und damit das vom FG aus dem zeitlichen Zusammenhang entnommene Indiz entkräften können. Indessen kommt es nach der maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG -- in Übereinstimmung mit der nachgewiesenen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung -- nicht auf die bloße Verwendungsabsicht bzw. eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen an, sondern auf die tatsächliche, objektiv nachprüfbare Verwendung der Darlehensvaluta.
Die Klägerin hat darüber hinaus nichts vorgetragen, weshalb ihr fachkundiger Prozeßvertreter in der mündlichen Verhandlung, wenn er seinen bislang lediglich angekündigten Beweisantrag für weiterhin erheblich angesehen hat, nicht ausdrücklich auf einer solchen Beweiserhebung bestanden hat bzw. einen entsprechenden Beweisantrag tatsächlich gestellt hat.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20. November 1996 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin einen solchen Antrag auch nicht ausdrücklich gestellt. Dazu hätte um so mehr Veranlassung bestanden, als der Nachweis der tatsächlichen Verwendung der Policendarlehen auch angesichts des Berichterstatterschreibens vom 8. November 1996 an den Prozeßbevollmächtigten im Mittelpunkt des Rechtsstreits gestanden hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 67432 |
BFH/NV 1998, 1218 |