Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbestandsberichtigung nach schriftlichem Verfahren
Leitsatz (NV)
§ 108 Abs. 2 Satz 1 FGO ist auf eine Berichtigung des Tatbestandes eines Urteils, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, nicht anwendbar.
Normenkette
FGO § 108 Abs. 2
Tatbestand
1. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Berichtigung des Urteils vom 5. Mai 1999 6 K 2207/96 durch den Beschluss vom 8. Juni 1999 als unzulässig ab, weil das Urteil, dessen Tatbestand berichtigt werden sollte, nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergangen sei. Dazu wies das FG auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) hin. Zwei offenbare im Urteil enthaltene Unrichtigkeiten wurden mit dem erwähnten Beschluss berichtigt.
Mit der gegen die Ablehnung der Tatbestandsberichtigung gerichteten Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Tatbestandsberichtigung weiter.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Der Beschluss über die Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ist grundsätzlich unanfechtbar (§ 108 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Eine Anfechtung des Beschlusses wegen Tatbestandsberichtigung durch Beschwerde ist nur zulässig, wenn geltend gemacht wird, dass der Berichtigungsantrag zu Unrecht als unzulässig abgelehnt worden ist (BFH-Beschluss vom 30. September 1998 X B 53, 55/98, BFH/NV 1999, 491) oder dass schwere Verfahrensmängel vorliegen (BFH-Beschluss vom 23. Juli 1997 XI B 115/95, BFH/NV 1998, 59).
Da die Klägerin sinngemäß geltend macht, das FG habe den Berichtigungsantrag zu Unrecht als unzulässig abgelehnt, ist ihre Beschwerde zwar zulässig (vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. November 1993 V B 161/93, BFH/NV 1995, 310). Sie ist aber unbegründet.
b) Das FG hat den Antrag auf Tatbestandsberichtigung zu Recht als unzulässig abgelehnt.
§ 108 Abs. 2 Satz 1 FGO ist auf die Berichtigung des Tatbestands eines Urteils, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist (§ 90 Abs. 2 FGO), nicht anwendbar (BFH-Urteil vom 10. November 1992 VIII R 98/90, BFH/NV 1993, 468; BFH-Beschluss vom 19. April 1991 IX B 151/90, BFH/NV 1991, 615; BFH-Urteil vom 1. Dezember 1982 I R 75/82, BFHE 137, 212, BStBl II 1983, 227). Die Tatbestandsberichtigung ist auf Tatbestandsteile beschränkt, die für das Verfahren urkundliche Beweiskraft haben können (so Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. März 1983 VII ZR 135/82, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2030, 2032; vgl. auch Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 320 Rz. 2; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 57. Aufl., § 320 Rz. 5), z.B. für das mündliche Parteivorbringen (§ 314 Satz 1 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO). Im schriftlichen Verfahren gilt der urkundlich belegte Vortrag. Grundlage für die Entscheidung sind neben den im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen die beigezogenen Akten, insbesondere die Steuerakten des Klägers.
Der Kläger erfährt durch diese Begrenzung der Tatbestandsberichtigung auch keine Einschränkung seiner Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Er kann seine Rechte gegen eine seiner Ansicht nach unzutreffende Darstellung des Sach- und Streitstands im Tatbestand eines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils (§ 105 Abs. 3 FGO) durch eine schlüssige Verfahrensrüge wegen Verletzung von § 76 Abs. 1 FGO und/oder § 96 Abs. 1 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) oder im Revisionsverfahren (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) wahrnehmen.
c) Der angefochtene Beschluss des FG ist auch nicht wegen schwerwiegender Verfahrensfehler angreifbar.
Selbst wenn mit zahlreichen Stimmen in der steuerrechtlichen Literatur (Übersicht bei Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 108 FGO Rz. 5) und im verwaltungsverfahrensrechtlichen Schrifttum (Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 119 Rz. 2; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 119 Rz. 2) eine Tatbestandsberichtigung nach § 108 Abs. 2 Satz 1 FGO auch bei Urteilen zugelassen würde, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sind, wäre die Ablehnung des Antrags als unzulässig ein sachlicher Fehler des FG, aber kein schwerwiegender Verfahrensfehler. Eine sachliche Fehlentscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag rechtfertigt aber, wie § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO erkennen lässt, keine Aufhebung dieser Entscheidung.
Der angegriffene Ablehnungsbeschluss des FG beruht auch nicht deswegen auf einem schwerwiegenden Verfahrensmangel, weil er nur von den Richtern gefasst worden ist, die bei dem Urteil mitgewirkt haben (§ 108 Abs. 2 Satz 3 FGO).
d) Schließlich ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über das Begehren der Klägerin auf Tatbestandsberichtigung nachträglich entfallen (vgl. auch BFH in BFH/NV 1995, 310), weil der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des FG durch Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen hat. Damit kann sich eine Tatbestandsberichtigung nicht mehr auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 425098 |
BFH/NV 2000, 852 |