Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderungsanspruch bei Fehlüberweisung des Finanzamts
Leitsatz (NV)
1. Hat das Finanzamt einen Umsatzsteuererstattungsanspruch nicht auf das Bankkonto des Steuerpflichtigen, sondern auf das Konto eines Dritten überwiesen, so kann es durch Rückforderungsbescheid die dem Dritten zu Unrecht geleisteten Erstattungen zurückfordern. Demgegenüber kann sich der Dritte nicht auf Entreicherung berufen.
2. Der Senat läßt offen, ob einem Ehegatten ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses gegen den anderen Ehegatten aufgrund von § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB zusteht, so daß er in der Lage wäre, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2 S. 1; BGB § 818 Abs. 3, § 1360a Abs. 4 S. 1; ZPO § 114
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war bis Ende 1983 als Angestellte tätig; seit 1984 ist sie nur noch Hausfrau. Ihr Ehemann hatte seinen Gewerbebetrieb zum . . . wieder abgemeldet. Seither bezieht er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den Jahren 1984 und 1985 überwies der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) im beleglosen Datenträgeraustausch überzahlte Umsatzsteuer eines Dritten auf ein Konto der Klägerin bei der K-Bank. Die Fehlüberweisung kam zustande, weil der tatsächlich Erstattungsberechtigte dem FA nicht mitgeteilt hatte, daß sein Konto bei der K-Bank aufgelöst worden war; dieses Konto hatte die Bank dann der Klägerin zugeteilt. Nachdem aufgrund von Reklamationen des Erstattungsberechtigten die Fehlüberweisungen an die Klägerin festgestellt worden waren, erließ das FA am 31. März 1986 einen Rückforderungsbescheid, mit dem es die Klägerin aufforderte, die zu Unrecht geleisteten Erstattungen im Gesamtbetrag von . . . DM an die Finanzkasse zurückzuzahlen. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage macht die Klägerin im wesentlichen geltend, daß sie in gutem Glauben gewesen sei, die erstatteten Beträge gebührten ihr, denn sie habe Erstattungen in ähnlicher Höhe erwartet. Die Entreicherungseinrede (§ 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) müsse nach Treu und Glauben auch im steuerrechtlichen Verfahren anzuwenden sein. Für die Durchführung der Klage hat die Klägerin Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt.
Durch Beschluß vom 20. April 1988 hat das Finanzgericht (FG) den Antrag auf PKH als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung verwies das FG auf § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Danach habe das FA auch dann einen Rückforderungsanspruch, wenn der Erstattungsbetrag nicht dem Berechtigten, sondern einem am Steuerrechtsverhältnis nicht beteiligten Dritten ausgezahlt worden sei. Voraussetzung hierfür sei nur - was unstreitig der Fall sei -, daß vorher ein Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis ohne rechtlichen Grund erfüllt worden sei. Gegenüber dem Rückforderungsanspruch könne sich die Klägerin insbesondere nicht auf die Einrede der Entreicherung berufen; da es sich bei dem Rückforderungsanspruch um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handle, könne das zivilrechtliche Bereicherungsrecht nicht angewendet werden. Auch Treu und Glauben stünden der Rückforderung nicht entgegen. Weder habe das FA sich in einer Weise verhalten, daß die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung zu werten sei, noch habe die Klägerin mit derart hohen Erstattungen rechnen können.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen erhobene Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin dargetan hat, daß sie die Kosten der Prozeßführung nicht, oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen könne (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), weil ihr möglicherweise ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses nach § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB gegen ihren Ehemann zustehe. Die Beschwerde ist bereits deshalb nicht begründet, weil das FG es mit zutreffenden Ausführungen - auf die verwiesen wird - verneint hat, daß die Klage gegen den Rückforderungsbescheid des FA vom 31. März 1986 hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Es ist nicht ersichtlich, daß das FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert gewesen sei, den Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin geltend zu machen, weil diese davon habe ausgehen können, daß es sich bei den Überweisungen auf ihr Konto um Umsatzsteuererstattungsbeträge aus der Tätigkeit ihres Ehemanns gehandelt habe. Soweit dieses Argument überhaupt von Belang sein kann, ist der Beschwerdeschrift nämlich zu entnehmen, daß die Klägerin von der Möglichkeit derartiger Umsatzsteuererstattungen nichts wußte. Sie hatte in dem Unternehmen ihres Ehemanns weder gearbeitet noch aus sonstigen Umständen Kenntnis von den Vorgängen innerhalb des Unternehmens ihres Ehemanns und kannte deshalb, wie der Beschwerdeschrift zu entnehmen ist, weder die Höhe der zu erwartenden Umsatzsteuererstattung, noch den Inhalt der Umsatzsteuererklärungen ihres Ehemanns.
Der Einwand, der Rückforderungsanspruch des FA treffe die Klägerin in vollkommen unangemessener Weise, weil sie vermögenslos sei und über kein Einkommen verfüge, berührt nicht die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides, denn damit werden Argumente gegen die Einziehung des Rückforderungsanspruchs vorgebracht. Von einer ,,vollkommen unangemessenen Benachteiligung" der Klägerin kann im übrigen nicht die Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 416059 |
BFH/NV 1990, 4 |