Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtssache beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und/oder Handhabung des Rechts berührt. Hierzu bedarf es insbesondere der Darlegung, daß es sich um eine klärungsbedürftige und in einem künftigen Revisionsverfahren voraussichtlich klärungsfähige Rechtsfrage handelt. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert u. a. auch eine Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage in der Rechtsprechung, im Schrifttum und in der ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinung vertretenen Auffassungen.
Nach Ablauf der Beschwerdefrist geltend gemachte neue rechtliche Gesichtspunkte sind bei der Prüfung des Zulassungsgrundes nicht mehr zu berücksichtigen.
Normenkette
AO § 33 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1, § 179 Abs. 1-2, § 180 Abs. 1, § 193 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 194 Abs. 1 S. 3, § 195 S. 2, § 196; BGB § 738 Abs. 2; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3 a. F, Nr. 3 n. F, § 60 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; AO § 115 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Sie behauptet lediglich Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ohne sie indessen entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen.
1. Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf einen anderen Anfechtungsgegenstand, als sie als Gegenstand des Rechtsstreits ausdrücklich die Prüfungsanordnung vom 16. Oktober 1989 selbst bezeichnet. Ausweislich des angefochtenen Urteils hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) indessen nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides über die Beauftragung des Finanzamts (FA) für Großbetriebsprüfung (§ 195 Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) als einer gegenüber der Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) verfahrensrechtlich selbständigen Regelung beantragt (vgl. ferner die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter; ausführlich Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. April 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649). Die gleichzeitig gegen die Klägerin ergangene Prüfungsanordnung ist bestandskräftig geworden.
2. Selbst wenn zugunsten der -- steuerlich beratenen -- Klägerin davon ausgegangen wird, daß Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde unverändert der Bescheid über die Beauftragung selbst ist, fehlt es an substantiiert geltend gemachten Zulassungsgründen.
a) Die Beschwerde hat innerhalb der bis zum 15. Dezember 1994 laufenden Beschwerdefrist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht damit dargetan, daß sie eine offensichtlich grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend macht, ob auch die Gesellschafter bei einer gegen eine an eine Gesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung, die u. a. auch die einheitliche Feststellung von Einkünften und des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum Gegenstand hat, am Verfahren zu beteiligen sind, sofern die Fragen nicht durch die zitierten Entscheidungen des BFH bereits geklärt seien.
Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtssache beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und/oder Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, ständige Rechtsprechung). Hierzu bedarf es insbesondere der Darlegung, daß es sich um eine klärungsbedürftige und in einem künftigen Revisionsverfahren voraussichtlich klärungsfähige Rechtsfrage handelt. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert u. a. auch eine Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage in der Rechtsprechung, im Schrifttum und in der gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinung vertretenen Auffassungen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676; vom 26. November 1992 V B 128/92, BFH/NV 1994, 132).
Zu diesen Voraussetzungen trägt die Beschwerde nichts vor.
Die nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 25. April 1995 unterbreiteten weiteren Erwägungen, weshalb eine abschließende Klärung der verfahrensmäßigen Beteiligung der Gesellschafter bei voll beendeten Personengesellschaften noch ausstehe, können nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. August 1994 VIII B 25/94, BFH/NV 1995, 237; vom 10. März 1988 V B 45/86, BFH/NV 1988, 511, 512).
b) Die innerhalb der Beschwerdefrist unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 30. August 1994 IX R 65/91 (BFH/NV 1995, 517) und vom 8. September 1994 IX R 46/91 (nicht veröffentlicht) erhobene Divergenzrüge ist gleichfalls nicht hinreichend substantiiert. Dazu genügt nicht die bloße Bezeichnung einer angeblichen Divergenzentscheidung. Vielmehr ist grundsätzlich darzulegen, daß das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebenso tragenden abstrakten Rechtssatz in der Divergenzentscheidung abweicht (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, ständige Rechtsprechung). Hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung.
Im übrigen ist nicht die Beteiligtenfähigkeit im Streit, sondern allenfalls die Frage, ob die ehemaligen Gesellschafter der KG an dem gegen den Bescheid über die Beauftragung des FA für Großbetriebsprüfung gerichteten Klageverfahren zu beteiligen sind. Beide Entscheidungen haben unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88 (BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120) an der Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 16. November 1989 IV R 29/89 (BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272) an der unterschiedlichen verfahrensmäßigen Behandlung von Prüfungsanordnungen an Personengesellschaften mit gewerblichen Einkünften und solchen aus Vermietung und Verpachtung festgehalten.
Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 25. April 1995 nach Ablauf der Beschwerdefrist erhobene weitere Divergenzrüge im Hinblick auf das Urteil des BFH vom 30. August 1994 IX R 42/91 (BFH/NV 1995, 481) ist wegen Verfristung unzulässig.
c) Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel. Dazu hätte sie schlüssig darlegen müssen, daß das Finanzgericht (FG) gegen eine Vorschrift des Prozeßrechts verstoßen habe und die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Januar 1991 V B 119/89, BFH/NV 1992, 667, 668, m. w. N.).
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Beiladung notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Beizuladenden beeinflußt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343). Wer nicht klagebefugt ist, darf nicht notwendig beigeladen werden (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). § 60 Abs. 3 FGO betrifft typischerweise die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 179 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 180 Abs. 1 AO 1977.
Eine Personengesellschaft, die einen gewerblichen Betrieb unterhält, muß als solche die Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 dulden. Adressat der Prüfungsanordnung ist die Gesellschaft, nicht ihre Gesellschafter (vgl. auch § 194 Abs. 1 Satz 3 AO 1977; BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75, 77; in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272; vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 83; vom 23. Juli 1985 VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433, 434). Diese Duldungspflicht geht, wenn eine Personengesellschaft durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters untergeht, auf den letzten verbliebenen Gesellschafter als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 über. Dieser wird im Wege der Anwachsung nach § 738 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Inhaber des Gesellschaftsvermögens (vgl. BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272, 273; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, 335; vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, 522; ferner Beschluß vom 21. März 1995 I B 123/94, BFH/NV 1995, 864).
Die Personengesellschaft bzw. ihr Rechtsnachfolger ist auch insoweit als solche Steuerpflichtiger i. S. von § 33 Abs. 1 AO 1977 und damit Prüfungsobjekt, als sich die Prüfung auf die einheitliche und gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte und der Einheitswerte des Betriebsvermögens erstreckt (BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272, 273; BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 83; BFH-Urteil vom 13. September 1990 IV R 57/89, BFH/NV 1991, 716). Die Gesellschafter sind damit von einer gegen die Personengesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung nicht unmittelbar betroffen. Eine einheitliche Entscheidung auch ihnen gegenüber ist nach dem Regelungsinhalt der Prüfungsanordnung nicht sicherzustellen. Die von der Rechtsprechung im Rahmen der für einheitliche und gesonderte Feststellungen geltenden Sonderregelung nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a. F. (seit 1. Januar 1996 ausdrücklich in § 48 Abs. 1 Nr. 3 n. F. geregelt) gemachte Ausnahme, wonach der unmittelbar von einer in einem einheitlichen Feststellungsbescheid betroffene ausgeschiedene Gesellschafter neben der als Prozeßstandschafterin auftretenden Gesellschaft zusätzlich klagebefugt ist (vgl. BFH-Beschluß vom 24. November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145, 147, m. w. N.), gilt nicht für unmittelbar an die Gesellschaft als Steuerpflichtige gerichtete Bescheide (vgl. insoweit ebenfalls BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 517, 519).
Soweit der IX. Senat des BFH im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine Beiladung (ehemaliger) nicht selbst klagender Gesellschafter für notwendig erachtet, beruht dies darauf, daß er bei Bauherrengemeinschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GdbR) den einzelnen Anleger als Steuerpflichtigen i. S. des § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ansieht, und zwar auch, wenn sich die Anleger zu einer GdbR zusammenschließen und in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Die GdbR ist -- anders als die gewerbliche Personengesellschaft -- nicht selbst buchführungs- und aufzeichnungspflichtig und demgemäß nicht selbst Prüfungsobjekt. Auf diese unterschiedliche Ausgangslage und auf die sich hieraus ergebenden ebenfalls verschiedenen verfahrensrechtlichen Folgerungen hat der IX. Senat des BFH in seiner Entscheidung in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, 122 ausdrücklich hingewiesen und daran in seinen späteren Urteilen durch Bezugnahme auf jene Entscheidung erkennbar festgehalten (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 517, 519; in BFH/NV 1995, 481, 484).
Für den die Prüfungsanordnung ergänzenden Bescheid über die Beauftragung eines anderen FA mit der Außenprüfung gilt verfahrensrechtlich nichts anderes (vgl. BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649).
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 421312 |
BFH/NV 1996, 685 |