Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Richter eines Steuergerichts kann nicht deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, weil er bei einem Urteil in einem früheren Rechtsstreit des Steuerpflichtigen mitgewirkt hat, der zuungunsten des Steuerpflichtigen entschieden wurde.
Der Einwand, ein FG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt, weil die Richter dem Finanzminister eines Landes unterstünden, rechtfertigt nicht die Ablehnung der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO §§ 41-48
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) haben in der Sache wegen Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1962 den Vorsitzenden des zuständigen Senats, Senatspräsident X. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser bei der Entscheidung über die Einkommensteuer für 1961 mitgewirkt habe, die zu ihren Ungunsten ausgegangen sei; sie nähmen an, daß er gegen sie eingestellt sei. X. hat gegenüber seinem Senat dienstlich erklärt, er halte sich nicht für befangen. Der zuständige Senat hat die Ablehnung für unbegründet erklärt und es durch Beschluß vom 12. Mai 1966 auch abgelehnt, der Beschwerde der Stpfl. abzuhelfen.
Die Stpfl. wiederholen mit der Beschwerde ihre Ausführungen gegenüber dem Finanzgericht (FG). Außerdem machen sie geltend, das vom Land Y. zur Ausführung der FGO erlassene Gesetz sei verfassungswidrig; denn die auf Grund dieses Gesetzes ernannten Finanzrichter unterständen der Dienstaufsicht des Finanzministers und seien infolgedessen nicht von der Verwaltung unabhängige Richter. Der ganze zuständige Senat sei daher befangen. Senatspräsident X. sei es besonders deshalb, weil er als Berichterstatter an einer zuungunsten einer GmbH ergangenen Entscheidung betreffend Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermeßbescheiden mitgewirkt habe; bei dieser Gesellschaft sei der steuerpflichtige Ehemann Gesellschafter.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Nach § 51 Abs. 1 FGO gelten für die Ablehnung von Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 ZPO sinngemäß. Ein Richter kann nach § 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es muß also zu befürchten sein, daß der Richter den Streitfall nicht nach sachlichen Gesichtspunkten entscheiden wird. Das ist nicht bereits anzunehmen, wenn ein Richter in einem früheren Prozeß gegen den Steuerpflichtigen mitgewirkt hat und unter seiner Mitwirkung eine Entscheidung zuungunsten des Steuerpflichtigen ergangen ist, zumal nicht bei Kollegialgerichten, bei denen wegen des Beratungsgeheimnisses nicht feststellbar ist, welche Auffassung der einzelnen Richter bei der früheren Entscheidung vertreten hat. Aus der Mitwirkung des Senatspräsidenten X. in dem Rechtsstreit über die Einkommensteuer der Stpfl. für das Jahr 1961 kann daher nicht auf eine Befangenheit in der vorliegenden Aussetzungssache des Jahres 1962 geschlossen werden. Das gleiche gilt hinsichtlich seiner Mitwirkung bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuermeßbescheids einer Gesellschaft, an der der steuerpflichtige Ehemann beteiligt ist.
Soweit die Stpfl. in ihrer Beschwerde diese Entscheidungen als unzutreffend bezeichnen, haben ihre Ausführungen keine Bedeutung, da in diesem Verfahren nicht über die Anwendung und Auslegung von steuerlichen Bestimmungen zu entscheiden ist, sondern ausschließlich über die behauptete Befangenheit eines Richters.
Der Hinweis der Stpfl. der ganze Senat des FG sei wegen Verfassungswidrigkeit des vom Land Y. erlassenen Ausführungsgesetzes zur FGO befangen, geht gleichfalls fehl. Die Befangenheit eines Richters kann nur aus bestimmten Tatsachen hergeleitet werden. Daß Senatspräsident X. oder die anderen Richter des Senats irgendwie von der Finanzverwaltung bei ihren Entscheidungen beeinflußt wurden, behaupten die Stpfl. nicht. Dafür besteht auch objektiv kein Anhalt. Der Senat hat unter diesen Umständen keine Veranlassung, zu der von den Stpfl. behaupteten Verfassungswidrigkeit des vom Land Y. erlassenen Gesetzes zur Ausführung der FGO Stellung zu nehmen. Im übrigen rügen die Stpfl. mit diesem Einwand, das FG sei nicht ordnungsgemäß besetzt. Sie behaupten damit einen Verfahrensmangel, der nur mit der Revision in der Hauptsache geltend gemacht werden kann (§ 116 Abs. 1 Ziff. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412275 |
BStBl III 1966, 652 |
BFHE 1966, 789 |
BFHE 86, 789 |