Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlichkeit von Franchise-Betrieben
Leitsatz (NV)
1. Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebe der gleichen Art, so können diese Betriebe eine wirtschaftliche Einheit bilden, sofern sie als gleichartig anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn sie sachlich, insbesondere organisatorisch, wirtschaftlich oder finanziell zusammenhängen; erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der einzelnen Merkmale. Franchise-Betriebe sind nach allgemeinen Kriterien zu beurteilen, wobei die Einheitlichkeit der Geschäftsidee und deren technische und organisatorische Durchführung eher auf einen einheitlichen Betrieb hindeuten.
2. Es bedarf daher keiner weiteren Klarstellung des Begriffs der “räumlichen Nähe”; dieses Merkmal ist nur ein Untermerkmal im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs.
3. Verfahrensfehler sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) kam nach einer Außenprüfung zu der Überzeugung, dass die drei …Filialen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) als einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen seien. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) ergebe eine Gesamtwürdigung das Bild eines einheitlichen Gewerbebetriebs des Klägers.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend:
1. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Es handele sich um Franchisebetriebe, bei denen ein wechselseitiger Austausch "systemtypisch" sei. Zu diesem grundlegenden Sachverhalt bei Franchisebetrieben gebe es keine eindeutige Klarstellung durch den Bundesfinanzhof (BFH).
2. Es bedürfe weiterhin der Klarstellung des Begriffs der "räumlichen Nähe". Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei es notwendig, dass der BFH eindeutige Kriterien bestimme.
3. Es müsse weiterhin geklärt werden, ob im Handelsregister eingetragene vollkaufmännisch betriebene Unternehmen zusammengefasst werden könnten.
4. Nach der Rechtsprechung des BFH müsste ein wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Zusammenhang bestehen; fehle eines dieser Kriterien, könne nicht von einem einheitlichen Betrieb ausgegangen werden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573). Dagegen gehe das FG bereits dann von einem einheitlichen Betrieb aus, wenn nur eines dieser Kriterien vorliege.
5. Mit der Aussage, dass die räumliche Nähe wesentlich für die Gesamtbeurteilung sei, weiche das FG von der Entscheidung vom 9. August 1989 X R 130/87 (BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901) ab. Der Rechtssatz des BFH besage aber, dass eine räumliche Nähe in der Regel die Grenzen der politischen Gemeinden seien.
6. Das FG habe sich seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet; es habe die Besonderheiten des Franchising unberücksichtigt gelassen und auch die Darstellung des Gerichtsgutachtens nicht berücksichtigt, wonach eine finanzielle Verflechtung nicht gegeben sei. Die Verrechnungskonten hätten nicht zur Grundlage der Verflechtung gemacht werden dürfen. Das Gerichtsgutachten habe die wirtschaftliche und die organisatorische Verflechtung negiert. Auch der Umstand der räumlichen Nähe sei falsch wiedergegeben worden. Nicht die Filialen lägen an einer gemeinsamen Durchgangsstraße, sondern die drei Gemeinden. Der erste und der zweite Betrieb lägen mehr als 15 km voneinander entfernt. Das FG sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet. Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Verfahrensfehler seien nicht erkennbar. Der Kläger verkenne bei seinen Ausführungen, dass nicht gleichzeitig eine wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Verbindung gegeben sein müsse.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Nach der Rechtsprechung unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuer. Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebe der gleichen Art, so können diese Betriebe eine wirtschaftliche Einheit bilden, sofern sie als gleichartig anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn sie sachlich, insbesondere organisatorisch, wirtschaftlich oder finanziell zusammenhängen. Kriterien hierfür sind die Art der gewerblichen Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Geschäftsleitung, die Arbeitnehmerschaft, die Betriebsstätte, die Zusammensetzung und Finanzierung des Aktivvermögens sowie die Gleichartigkeit der Betätigung. Kennzeichen für einen organisatorischen Zusammenhang ist beispielsweise, dass die Unternehmensbereiche in einem Geschäftslokal untergebracht sind, ihre Tätigkeit unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt wird oder dass die Waren oder Betriebsmittel gemeinsam eingekauft und bezahlt werden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn zwei (oder mehrere) Unternehmensbereiche sich gegenseitig stützen und ergänzen und nur miteinander wirtschaftlich betrieben werden können. Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennte Aufzeichnungen geführt werden, wenn jeweils eigene Bankkonten unterhalten werden, getrennte Kassenabrechnungen vorgenommen werden und für jeden Betrieb gesonderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden. Lässt sich ein organisatorischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Zusammenhang nicht feststellen, handelt es sich um mehrere Betriebe, die jeder für sich steuerlich zu erfassen sind (BFH-Urteil in BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573).
Entscheidendes Merkmal ist nach dieser Rechtsprechung der sachliche Zusammenhang der einzelnen Betriebe, der sich auf unterschiedliche Weise zeigen kann. In jedem Fall erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der einzelnen Merkmale. Das gilt auch für Franchisebetriebe. Auch diese Art von Betrieben ist nach allgemeinen Kriterien zu beurteilen, wobei die Einheitlichkeit der Geschäftsidee und deren technische und organisatorische Durchführung eher auf einen einheitlichen Betrieb hindeuten.
Es bedarf daher keiner weiteren Klarstellung des Begriffs der "räumlichen Nähe"; dieses Merkmal ist nur ein "Untermerkmal" im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs. Es muss auch nicht geklärt werden, ob im Handelsregister eingetragene vollkaufmännisch betriebene Unternehmen zusammengefasst werden könnten. Die selbständige Eintragung im Handelsregister kann allenfalls als (schwaches) Indiz herangezogen und beurteilt werden. Und schließlich ist der Kläger offenbar der irrtümlichen Auffassung, dass ein wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Zusammenhang kumulativ bestehen müsse; das ist nicht der Fall (BFH-Urteil in BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573).
2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erfasst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Das FG ist aufgrund einer eigenständigen Würdigung der einzelnen Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass ein einheitlicher Betrieb gegeben ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG seine Entscheidung nicht nur auf die räumliche Nähe der Betriebsteile abgestellt, sondern auch auf den sachlichen Zusammenhang dergestalt, dass es sich um drei Filialen mit weitgehend identischem Warenangebot handele. Ein weiteres Indiz für die wirtschaftlich-organisatorische Verknüpfung der Filialen sei der nicht unerhebliche Personalaustausch. Schon in den Arbeitsverträgen des jeweiligen Personals sei der wechselnde Einsatz vorgesehen gewesen.
3. Verfahrensfehler des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor. Das sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass es an einer ordnungsgemäßen Entscheidungsgrundlage fehlt (BFH-Beschluss vom 30. Juni 1999 XI B 66/98, BFH/NV 1999, 1620), z.B. ein Verstoß gegen § 76 FGO (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) oder gegen § 96 FGO (Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten; Verletzung des rechtlichen Gehörs; die Vorwegnahme der Beweiswürdigung oder die vermeintliche Bindung an nicht bestehende Beweisregeln).
Das FG-Urteil enthält keine Fehler dieser Art. Das FG hat alle wesentlichen Elemente des Sachverhalts berücksichtigt. Auch hat das FG darauf abgestellt, dass die Filialen nach demselben Franchise-System mit weitgehend identischem Warenangebot betrieben wurden. Der Umstand, dass nicht die Filialen, sondern nur die drei Gemeinden an einer gemeinsamen Durchgangsstraße gelegen haben sollen, berührt die räumliche Nähe nur am Rande, zumal das FG auch die sachlichen und personellen Verknüpfungen in den Vordergrund gestellt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1343192 |
BFH/NV 2005, 1134 |