Leitsatz (amtlich)
Der vollmachtlose Vertreter kann eine von ihm namens des Beteiligten eingelegte Beschwerde wirksam zurücknehmen. Die Entscheidung, daß er die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat (vgl. BFH-Beschluß vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5), ergeht durch Beschluß.
Normenkette
FGO §§ 62, 72, 136, 143-144
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies einen Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller), gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) eine einstweilige Anordnung zu erlassen, als unbegründet zurück. Dagegen legte der Steuerbevollmächtige W ohne Vorlage einer Prozeßvollmacht Beschwerde ein. Der Aufforderung der Geschäftsstelle des Senats, zur Vermeidung kostenrechtlicher Folgen aus einer vollmachtlosen Vertretung eine Prozeßvollmacht des Antragstellers nachzureichen, kam der Steuerbevollmächtigte nicht nach. Er nahm vielmehr die Beschwerde zurück. Unter Hinweis darauf, daß er nicht vor dem Bundesfinanzhof (BFH) auftreten könne, führte er aus, daß sich die Vorlage einer Prozeßvollmacht erübrige. Der Berichterstatter stellte daraufhin dem Steuerbevollmächtigten unter Hinweis darauf, daß er nach der Rechtsprechung des BFH als vollmachtloser Vertreter die Kosten des Verfahrens tragen müsse, anheim, bis 4. Mai 1979 eine Vollmacht des Antragstellers vorzulegen. Der Steuerbevollmächtigte kam dieser Anregung nicht nach.
Entscheidungsgründe
Die vom Steuerbevollmächtigten am 1. März 1979 namens des Antragstellers eingelegte Beschwerde war unzulässig, weil er gemäß Art. 1 Nr. 1, Art. 2 Nr. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) nach Ablauf des 31. Dezember 1978 nicht mehr dazu befugt war, vor dem BFH als Bevollmächtigter aufzutreten. Es fehlte deshalb an einer Prozeßvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren. Unabhängig davon wäre die Beschwerde auch deshalb unzulässig gewesen, weil der Steuerbevollmächtigte trotz Fristsetzung keine Vollmacht des Antragstellers im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegt hat (BFH-Beschlüsse vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5; vom 25. Juli 1968 V B 8/68, BFHE 92, 551, BStBl II 1968, 660; vom 2. Mai 1969 III R 123/68, BFHE 95, 430, BStBl II 1969, 438). Die sich aus dem Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ergebende Rechtsfolge, daß die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre, hat der vollmachtlose Steuerbevollmächtigte dadurch vermieden, daß er die Beschwerde zurückgenommen hat. Dazu war er auch als vollmachtloser Vertreter berechtigt (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 62 Anm. 3 und § 72 Anm. 2 und die dort erwähnten FG-Urteile). Der vorliegende Fall kann, was die Befugnis zur Zurücknahme eines unzulässigen Rechtsmittels betrifft, nicht anders beurteilt werden als zwei vom BFH entschiedene ähnliche Fälle, in denen der nicht nach den Vorschriften des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vertretene Kläger seine beim BFH erhobene Klage bzw. als Revisionsbeklagter seine Klage zurückgenommen hatte (vgl. Beschluß vom 31. Januar 1978 VII K 2/77, BFHE 124, 156, BStBl II 1978, 232; vom 16. Juni 1978 VI R 3/78, BFHE 125, 149, BStBl II 1978, 464). Allen Fällen ist gemeinsam, daß die die Rücknahme der Rechtsbehelfe erklärenden Personen vor dem BFH nicht nach den Vorschriften des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vertreten waren.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war durch Beschluß zu entscheiden. § 144 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wonach über die Kosten des Verfahrens bei vollständiger Rücknahme des Rechtsbehelfs nur entschieden wird, wenn ein Beteiligter Kostenerstattung beantragt, ist im Streitfall nicht anwendbar. Diese Bestimmung geht von dem Normalfall aus, daß ein Beteiligter die Kosten trägt. In diesem Falle ergibt sich die Kostentragungspflicht aus § 136 Abs. 2 FGO, so daß es einer isolierten Kostenentscheidung nicht bedarf. Hat dagegen, wie im Streitfalle, ein vollmachtloser Vertreter den unzulässigen Rechtsbehelf zurückgenommen, so fallen die Kosten des Verfahrens nicht dem Antragsteller als Beteiligtem zur Last, sondern dem ohne Vollmacht handelnden Vertreter (vgl. BFH-Beschluß V R 46/66, in dem die ohne Vollmacht eingelegte Revision nicht zurückgenommen worden war, so daß über die Zulässigkeit zu entscheiden war). Über diese sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ergebende Kostentragungspflicht des vollmachtlosen Vertreters ist durch Beschluß zu entscheiden (vgl. Gräber, a. a. O., § 62 Anm. 17 und § 144 Anm. 3; Tipke-Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 62 FGO Anm. 9 und § 144 Abs. 3 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 72911 |
BStBl II 1979, 564 |
BFHE 1979, 24 |